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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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trauen wollte, ist nicht zu denken, denn zu einer solchen Vereinbarung gehört nach
dem Bundesrecht Einstimmigkeit. Es scheint also, das! der von dem dänischen
Bundestagsgesandter bereits eingebrachte Antrag: den Frieden mit Dänemark zu
ratificiren, die Hauptsache ist. Aber auch darin ist nicht viel zu erwarten. Von
mehrern der in Frankfurt vertretenen Regierungen, namentlich von Sachsen, ist
bereits sehr bestimmt erklärt worden, baß sie an eine unbedingte Ratification nicht
denken. Den Frieden aber zu modistcircn, ohne baß Preußen sich an deu Be-
rathungen betheiligt, der Gedanke ist zu lächerlich, um auch uur einen Augenblick
dabei zu verweilen.

So verliert sich das scheinbar Positive in der Thätigkeit Oestreichs völlig
in's Unbestimmte und nebelhafte, und es bleibt als Hauptzweck der Frankfurter
Versammlung nur das negative Bestreben übrig, Preußen im Weitergehen indem
von ihm eingeschlagenen Wege so viel als möglich auszuhalten. Auch sagt die Note
vom 1-5. August, welche die Einladung zum Bundestage begleitete, nichts Be¬
stimmtes darüber; sie ist pathetisch, verweist Preußen ans das strenge Urtheil der
Geschichte, sucht es zu rühren n. s. w., aber sie spricht keine Drohung aus, sie
erklärt nicht, welche Folgen die Renitenz haben sollte.

Wenn sie zum Schluß erklärt: "Die königliche Regierung wolle mit sich
ernstlich zu Rathe gehen. Noch liegt die freie Wahl in ihrer Hand, denn noch
hat. sie ihr letztes Wort nicht gesprochen," -- so liegt darin indirect die An¬
nahme, die Erwiederung Preußens werde dieses letzte Wort enthalten. Es ist
das nun erfolgt, und enthält ein sehr unumwundenes Nein! Ein so bestimmtes
Nein, daß mau, namentlich hei der augenblicklichen Veröffentlichung desselben in
dem Fnrstencollegium und in den officiellen Blättern nicht länger daran zweifeln
kann, daß wenigstens für jetzt das Berliner Cabinet deu ernstlichen, ent¬
schiedenen Willen hat, auf demselben zu bestehen.

Aber positiv hat es seinen Wille" so wenig formulirt, als die kaiserliche Re¬
gierung. Es heißt zum Schluß der Denkschrift: "Jede Bundesregierung hat das
Recht, an die übrigen den Antrag zu richten, sich darüber zu art'lären, ob sie in
die Wiederherstellung (des Bundestags) willigen wolle. Keine aber hat das
Recht, eine Bundesversammlung auszuschreiben; und wenn dies geschehen, und
wenn es mehr sein sollte als der Versuch, die Meinung der Bundesgenossen über
ihre Zustimmung oder Verweigerung zu erforschen, wenn der unberechtigten Aus-
schreibung die Anwendung von erloschenen Zwangsmaßregeln folgen sollte: so
wurde dies, so fern auch die Voraussetzung liegt, ein Bruch des BundcsrechtS
sein, welcher dieses selbst in seinem ganzen Umfange in Frage stelle" müßte."

Was ist dieser ganze Umfang des bestehenden Bundesrcchtö? -- Oestreich
hat es in einer seiner letzten Noten sehr elegant und witzig festgestellt: das Buu-
deseigcnthum, die Festungen, die Flotte, das Archiv u. s. w. Es hat ganz
richtig bemerkt, daß-eine Auflösung des Bundes in Beziehung ans dieses Eigen-


trauen wollte, ist nicht zu denken, denn zu einer solchen Vereinbarung gehört nach
dem Bundesrecht Einstimmigkeit. Es scheint also, das! der von dem dänischen
Bundestagsgesandter bereits eingebrachte Antrag: den Frieden mit Dänemark zu
ratificiren, die Hauptsache ist. Aber auch darin ist nicht viel zu erwarten. Von
mehrern der in Frankfurt vertretenen Regierungen, namentlich von Sachsen, ist
bereits sehr bestimmt erklärt worden, baß sie an eine unbedingte Ratification nicht
denken. Den Frieden aber zu modistcircn, ohne baß Preußen sich an deu Be-
rathungen betheiligt, der Gedanke ist zu lächerlich, um auch uur einen Augenblick
dabei zu verweilen.

So verliert sich das scheinbar Positive in der Thätigkeit Oestreichs völlig
in's Unbestimmte und nebelhafte, und es bleibt als Hauptzweck der Frankfurter
Versammlung nur das negative Bestreben übrig, Preußen im Weitergehen indem
von ihm eingeschlagenen Wege so viel als möglich auszuhalten. Auch sagt die Note
vom 1-5. August, welche die Einladung zum Bundestage begleitete, nichts Be¬
stimmtes darüber; sie ist pathetisch, verweist Preußen ans das strenge Urtheil der
Geschichte, sucht es zu rühren n. s. w., aber sie spricht keine Drohung aus, sie
erklärt nicht, welche Folgen die Renitenz haben sollte.

Wenn sie zum Schluß erklärt: „Die königliche Regierung wolle mit sich
ernstlich zu Rathe gehen. Noch liegt die freie Wahl in ihrer Hand, denn noch
hat. sie ihr letztes Wort nicht gesprochen," — so liegt darin indirect die An¬
nahme, die Erwiederung Preußens werde dieses letzte Wort enthalten. Es ist
das nun erfolgt, und enthält ein sehr unumwundenes Nein! Ein so bestimmtes
Nein, daß mau, namentlich hei der augenblicklichen Veröffentlichung desselben in
dem Fnrstencollegium und in den officiellen Blättern nicht länger daran zweifeln
kann, daß wenigstens für jetzt das Berliner Cabinet deu ernstlichen, ent¬
schiedenen Willen hat, auf demselben zu bestehen.

Aber positiv hat es seinen Wille» so wenig formulirt, als die kaiserliche Re¬
gierung. Es heißt zum Schluß der Denkschrift: „Jede Bundesregierung hat das
Recht, an die übrigen den Antrag zu richten, sich darüber zu art'lären, ob sie in
die Wiederherstellung (des Bundestags) willigen wolle. Keine aber hat das
Recht, eine Bundesversammlung auszuschreiben; und wenn dies geschehen, und
wenn es mehr sein sollte als der Versuch, die Meinung der Bundesgenossen über
ihre Zustimmung oder Verweigerung zu erforschen, wenn der unberechtigten Aus-
schreibung die Anwendung von erloschenen Zwangsmaßregeln folgen sollte: so
wurde dies, so fern auch die Voraussetzung liegt, ein Bruch des BundcsrechtS
sein, welcher dieses selbst in seinem ganzen Umfange in Frage stelle» müßte."

Was ist dieser ganze Umfang des bestehenden Bundesrcchtö? — Oestreich
hat es in einer seiner letzten Noten sehr elegant und witzig festgestellt: das Buu-
deseigcnthum, die Festungen, die Flotte, das Archiv u. s. w. Es hat ganz
richtig bemerkt, daß-eine Auflösung des Bundes in Beziehung ans dieses Eigen-


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[0439] trauen wollte, ist nicht zu denken, denn zu einer solchen Vereinbarung gehört nach dem Bundesrecht Einstimmigkeit. Es scheint also, das! der von dem dänischen Bundestagsgesandter bereits eingebrachte Antrag: den Frieden mit Dänemark zu ratificiren, die Hauptsache ist. Aber auch darin ist nicht viel zu erwarten. Von mehrern der in Frankfurt vertretenen Regierungen, namentlich von Sachsen, ist bereits sehr bestimmt erklärt worden, baß sie an eine unbedingte Ratification nicht denken. Den Frieden aber zu modistcircn, ohne baß Preußen sich an deu Be- rathungen betheiligt, der Gedanke ist zu lächerlich, um auch uur einen Augenblick dabei zu verweilen. So verliert sich das scheinbar Positive in der Thätigkeit Oestreichs völlig in's Unbestimmte und nebelhafte, und es bleibt als Hauptzweck der Frankfurter Versammlung nur das negative Bestreben übrig, Preußen im Weitergehen indem von ihm eingeschlagenen Wege so viel als möglich auszuhalten. Auch sagt die Note vom 1-5. August, welche die Einladung zum Bundestage begleitete, nichts Be¬ stimmtes darüber; sie ist pathetisch, verweist Preußen ans das strenge Urtheil der Geschichte, sucht es zu rühren n. s. w., aber sie spricht keine Drohung aus, sie erklärt nicht, welche Folgen die Renitenz haben sollte. Wenn sie zum Schluß erklärt: „Die königliche Regierung wolle mit sich ernstlich zu Rathe gehen. Noch liegt die freie Wahl in ihrer Hand, denn noch hat. sie ihr letztes Wort nicht gesprochen," — so liegt darin indirect die An¬ nahme, die Erwiederung Preußens werde dieses letzte Wort enthalten. Es ist das nun erfolgt, und enthält ein sehr unumwundenes Nein! Ein so bestimmtes Nein, daß mau, namentlich hei der augenblicklichen Veröffentlichung desselben in dem Fnrstencollegium und in den officiellen Blättern nicht länger daran zweifeln kann, daß wenigstens für jetzt das Berliner Cabinet deu ernstlichen, ent¬ schiedenen Willen hat, auf demselben zu bestehen. Aber positiv hat es seinen Wille» so wenig formulirt, als die kaiserliche Re¬ gierung. Es heißt zum Schluß der Denkschrift: „Jede Bundesregierung hat das Recht, an die übrigen den Antrag zu richten, sich darüber zu art'lären, ob sie in die Wiederherstellung (des Bundestags) willigen wolle. Keine aber hat das Recht, eine Bundesversammlung auszuschreiben; und wenn dies geschehen, und wenn es mehr sein sollte als der Versuch, die Meinung der Bundesgenossen über ihre Zustimmung oder Verweigerung zu erforschen, wenn der unberechtigten Aus- schreibung die Anwendung von erloschenen Zwangsmaßregeln folgen sollte: so wurde dies, so fern auch die Voraussetzung liegt, ein Bruch des BundcsrechtS sein, welcher dieses selbst in seinem ganzen Umfange in Frage stelle» müßte." Was ist dieser ganze Umfang des bestehenden Bundesrcchtö? — Oestreich hat es in einer seiner letzten Noten sehr elegant und witzig festgestellt: das Buu- deseigcnthum, die Festungen, die Flotte, das Archiv u. s. w. Es hat ganz richtig bemerkt, daß-eine Auflösung des Bundes in Beziehung ans dieses Eigen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/439>, abgerufen am 06.10.2024.