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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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noch so sehr ducken und schmiegen, ja wohl gar mit Rücksicht auf deu Einfluß
der Hornisse nel'en der ihnen doch gegnerischen Zeitung, der Neuen hessischen,
aus den Ausgang der Landtagswahlen mit einer durch die Zweideutigkeit entschul¬
digten Konnivenz reden. Der Republikanismus der Provinzen, aus deuen die
Demokraten kommen, ist seiner Entstehung wie seinem Bestände nach zu verschie¬
den, als daß sich die gewählten Führer unter einander so leicht einige" könnten,
auch wenn sie selbst wollten. Die Provinz Hanau steuert mit süddeutscher etwas
weinseliger Gemütlichkeit ans die fidele Republik hin, von der man sich allerhand
goldene Dinge verspricht, wo Jeder thun und lassen kann, was er will, und der
Gelderwerb reichlich vorhanden ist. Aber gegen die radicale Umgestaltung der
Besitzverhältnisse, gegen Alles, was die Hornisse predigen müßte, wenn sie nicht
blos in schwebelnden unfaßbarer allgemeinen Phrasen unter häufigem Appell an
die heiligsten Worte der reinsten Sittlichkeit spräche, würde sich das ganze Bür¬
gerthum in dieser Provinz und am entschiedensten die Wähler wie ein Mann er¬
heben. Sie haben außerdem deu Vorgeschmack von einer Herrschaft des Pro¬
letariats aus den Anfangszeiten dieser Revolution gewiß nicht ganz vergessen --
aber da wir noch nicht bei der Republik angekommen sind, da es sich bis jetzt
noch um keinen andern Gegensatz in der Gesetzgebung handelt, als um den
zwischen einem kurfürstlichen Ministerium und einer constitutionellen landständischen
Versammlung, können die Hanauer immerhin die radicalsten Männer schicken. Im
Fuldaischen ist es der Katholicismus, der Unmuth über die Vereinigung mit dem
protestantischen Hessen, der Glaube, immer stiefmütterlich behandelt worden zu
sein, welcher den von Hans ans so stvckeonservativen Sinn in die Bahnen des
radicalen Widerstrebens gegen alle Propositionen der kurhessischen Ministerien ge¬
worfen hat. Es ist eine charakteristische Erscheinung, einen ultramontanen Geist¬
lichen ans dem Landtage im unbedingtesten besten Einvernehmen mit denjenigen zu
sehen, welche so entschieden die Fundamente alles Glaubens in Abrede gestellt
haben. Seit einiger Zeit ist jedoch dnrch einen wenn anch etwas verkümmerten
Ableger der Hornisse in der guten Stadt Fulda, die Saat für einen der Kirche
entfremdeten Radicalismus ausgeworfen worden. In Marburg und deu kleinern
Städten der Provinz Oberhessen ist der gewerbtreibende Stand so sehr herun¬
tergekommen, daß aus der Masse der mit ihren äußern Verhältnissen Unzufrie¬
denen leicht eine große Zahl zu der anfangs so kleinen Partei Bayerhoffer'S her¬
übergezogen werden konnte. Machte sie doch eben mit dem Ausspruch, daß
Alles besser werden müsse, Opposition gegen den Bestand der Dinge. Dort
hat die Republik hauptsächlich die Bedeutung, daß sie von Schuldforderungen der
Gläubiger erlöst und Jedem wird reichlichen Wohlstand zu Theil werden lassen.
In Kassel hat sich allerdings bis einigermaßen eine Schilderung der Demo¬
kratie u, la Nationalzeitung von der Partei der Hornisse eingestellt, indem jene
in einen eigenen Verein "für Volksrechte" zusammengetreten sind. Allein das


noch so sehr ducken und schmiegen, ja wohl gar mit Rücksicht auf deu Einfluß
der Hornisse nel'en der ihnen doch gegnerischen Zeitung, der Neuen hessischen,
aus den Ausgang der Landtagswahlen mit einer durch die Zweideutigkeit entschul¬
digten Konnivenz reden. Der Republikanismus der Provinzen, aus deuen die
Demokraten kommen, ist seiner Entstehung wie seinem Bestände nach zu verschie¬
den, als daß sich die gewählten Führer unter einander so leicht einige» könnten,
auch wenn sie selbst wollten. Die Provinz Hanau steuert mit süddeutscher etwas
weinseliger Gemütlichkeit ans die fidele Republik hin, von der man sich allerhand
goldene Dinge verspricht, wo Jeder thun und lassen kann, was er will, und der
Gelderwerb reichlich vorhanden ist. Aber gegen die radicale Umgestaltung der
Besitzverhältnisse, gegen Alles, was die Hornisse predigen müßte, wenn sie nicht
blos in schwebelnden unfaßbarer allgemeinen Phrasen unter häufigem Appell an
die heiligsten Worte der reinsten Sittlichkeit spräche, würde sich das ganze Bür¬
gerthum in dieser Provinz und am entschiedensten die Wähler wie ein Mann er¬
heben. Sie haben außerdem deu Vorgeschmack von einer Herrschaft des Pro¬
letariats aus den Anfangszeiten dieser Revolution gewiß nicht ganz vergessen —
aber da wir noch nicht bei der Republik angekommen sind, da es sich bis jetzt
noch um keinen andern Gegensatz in der Gesetzgebung handelt, als um den
zwischen einem kurfürstlichen Ministerium und einer constitutionellen landständischen
Versammlung, können die Hanauer immerhin die radicalsten Männer schicken. Im
Fuldaischen ist es der Katholicismus, der Unmuth über die Vereinigung mit dem
protestantischen Hessen, der Glaube, immer stiefmütterlich behandelt worden zu
sein, welcher den von Hans ans so stvckeonservativen Sinn in die Bahnen des
radicalen Widerstrebens gegen alle Propositionen der kurhessischen Ministerien ge¬
worfen hat. Es ist eine charakteristische Erscheinung, einen ultramontanen Geist¬
lichen ans dem Landtage im unbedingtesten besten Einvernehmen mit denjenigen zu
sehen, welche so entschieden die Fundamente alles Glaubens in Abrede gestellt
haben. Seit einiger Zeit ist jedoch dnrch einen wenn anch etwas verkümmerten
Ableger der Hornisse in der guten Stadt Fulda, die Saat für einen der Kirche
entfremdeten Radicalismus ausgeworfen worden. In Marburg und deu kleinern
Städten der Provinz Oberhessen ist der gewerbtreibende Stand so sehr herun¬
tergekommen, daß aus der Masse der mit ihren äußern Verhältnissen Unzufrie¬
denen leicht eine große Zahl zu der anfangs so kleinen Partei Bayerhoffer'S her¬
übergezogen werden konnte. Machte sie doch eben mit dem Ausspruch, daß
Alles besser werden müsse, Opposition gegen den Bestand der Dinge. Dort
hat die Republik hauptsächlich die Bedeutung, daß sie von Schuldforderungen der
Gläubiger erlöst und Jedem wird reichlichen Wohlstand zu Theil werden lassen.
In Kassel hat sich allerdings bis einigermaßen eine Schilderung der Demo¬
kratie u, la Nationalzeitung von der Partei der Hornisse eingestellt, indem jene
in einen eigenen Verein „für Volksrechte" zusammengetreten sind. Allein das


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[0426] noch so sehr ducken und schmiegen, ja wohl gar mit Rücksicht auf deu Einfluß der Hornisse nel'en der ihnen doch gegnerischen Zeitung, der Neuen hessischen, aus den Ausgang der Landtagswahlen mit einer durch die Zweideutigkeit entschul¬ digten Konnivenz reden. Der Republikanismus der Provinzen, aus deuen die Demokraten kommen, ist seiner Entstehung wie seinem Bestände nach zu verschie¬ den, als daß sich die gewählten Führer unter einander so leicht einige» könnten, auch wenn sie selbst wollten. Die Provinz Hanau steuert mit süddeutscher etwas weinseliger Gemütlichkeit ans die fidele Republik hin, von der man sich allerhand goldene Dinge verspricht, wo Jeder thun und lassen kann, was er will, und der Gelderwerb reichlich vorhanden ist. Aber gegen die radicale Umgestaltung der Besitzverhältnisse, gegen Alles, was die Hornisse predigen müßte, wenn sie nicht blos in schwebelnden unfaßbarer allgemeinen Phrasen unter häufigem Appell an die heiligsten Worte der reinsten Sittlichkeit spräche, würde sich das ganze Bür¬ gerthum in dieser Provinz und am entschiedensten die Wähler wie ein Mann er¬ heben. Sie haben außerdem deu Vorgeschmack von einer Herrschaft des Pro¬ letariats aus den Anfangszeiten dieser Revolution gewiß nicht ganz vergessen — aber da wir noch nicht bei der Republik angekommen sind, da es sich bis jetzt noch um keinen andern Gegensatz in der Gesetzgebung handelt, als um den zwischen einem kurfürstlichen Ministerium und einer constitutionellen landständischen Versammlung, können die Hanauer immerhin die radicalsten Männer schicken. Im Fuldaischen ist es der Katholicismus, der Unmuth über die Vereinigung mit dem protestantischen Hessen, der Glaube, immer stiefmütterlich behandelt worden zu sein, welcher den von Hans ans so stvckeonservativen Sinn in die Bahnen des radicalen Widerstrebens gegen alle Propositionen der kurhessischen Ministerien ge¬ worfen hat. Es ist eine charakteristische Erscheinung, einen ultramontanen Geist¬ lichen ans dem Landtage im unbedingtesten besten Einvernehmen mit denjenigen zu sehen, welche so entschieden die Fundamente alles Glaubens in Abrede gestellt haben. Seit einiger Zeit ist jedoch dnrch einen wenn anch etwas verkümmerten Ableger der Hornisse in der guten Stadt Fulda, die Saat für einen der Kirche entfremdeten Radicalismus ausgeworfen worden. In Marburg und deu kleinern Städten der Provinz Oberhessen ist der gewerbtreibende Stand so sehr herun¬ tergekommen, daß aus der Masse der mit ihren äußern Verhältnissen Unzufrie¬ denen leicht eine große Zahl zu der anfangs so kleinen Partei Bayerhoffer'S her¬ übergezogen werden konnte. Machte sie doch eben mit dem Ausspruch, daß Alles besser werden müsse, Opposition gegen den Bestand der Dinge. Dort hat die Republik hauptsächlich die Bedeutung, daß sie von Schuldforderungen der Gläubiger erlöst und Jedem wird reichlichen Wohlstand zu Theil werden lassen. In Kassel hat sich allerdings bis einigermaßen eine Schilderung der Demo¬ kratie u, la Nationalzeitung von der Partei der Hornisse eingestellt, indem jene in einen eigenen Verein „für Volksrechte" zusammengetreten sind. Allein das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/426>, abgerufen am 01.09.2024.