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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Subalterner Jntriguen, die, anch wenn sie gelangen, keine Ehre brachten. Intriguen,
die ganz der Stellenjägerei in der innern Politik entsprachen. Was hat diese
sogenannte Friedenspolitik, der es nicht um den Inhalt zu thun war, der Welt
sür Segen gebracht? Ein Pulses in Paris, nud das europäische Gleichgewicht
fällt über den Haufen. Es fällt mir nicht ein, dieser Politik gegenüber die un¬
reifen Ervberungsgelüstc des französischen Volks in Schutz nehmen zu wollen,
aber es lebt in diesem Volk trotz aller Verblendung ein edler Jnstinct, der nur
geleitet sein will. Das Frankreich, der Julirevolution konnte eine wesentliche Rolle
in der Geschichte spielen, wenn es statt seiner Spielerei mit der Quasi-Legitimität
ernsthaft die Propaganda der Freiheit in seine Hand nahm. Dann hätte es
aber allerdings bei sich selbst den Anfang machen müssen.

Die Julidynastie fiel, weil sie das Volk nicht beschäftigte, weil sie es ennuyirte.
Das klingt freilich frivol, aber es liegt in diesem Willen, beschäftigt zu werden,
auch ein edler Keim. Ein Napoleon hätte kriegerischen Ruhm gegeben, eine
wahrhaft große Regierung hätte das Volk in die Bahnen deö Bürgerthums gelenkt.
Louis Philipp war kein Napoleon des Friedens, denn nicht ans den Frieden
überhaupt, sondern darauf, was im Frieden geschieht, kommt es an. --

Wenn Louis Philipp den Schein des Bürgerthums ausdrückt, der bürger¬
lich ist, weil er nichts Anderes ist, nicht adelig, nicht demokratisch, so haben wir
in dem englischen Baronet die Realität des Bürgerthums, das über Adel, König-
thum und Demokratie die Herrschaft davonträgt, aber dazu die guten Seiten
dieser ihm in der Form entgegengesetzten Principien in sich ausnimmt.

Sir Robert Peels großes Werk ist es, der Herrschaft der aristokratischen
Fraktionen ein Ende gemacht, das Spiel der blos politischen Leidenschaften bei
Seite geschoben und den Staat in die bürgerlichen Interessen vertieft zu haben.
Denn wenn auch die beide" Parteien, ihrem geschichtlichen Ursprung getreu, sich
nach dem Grade ihres Liberalismus unterschieden, wenn die Tones sich als die
Vorkämpfer des legitimen Königthums betrachteten, die Erben der Rüssel, Grey,
Sidney n. s. w. als die Vertreter der Freiheit, so wäre es doch weit gefehlt, sie
sich als Verbindungen zur Erreichung eines bestimmten politischen Zweckes vorzu¬
stellen. Es waren gleichsam erbliche Coecum, die sich in bestimmten Geschlechtern
fortpflanzten, und gerade der größere Theil des alten Adels gehörte zu den Whigs.
Es kam mehr daraus an, die Führer dieser Parteien an's Unter zu bringen,
und mit ihnen jene Unzahl von Stelle" zu besetzen, die in England mit einer
Ministerialverändernng verknüpft sind, als ein neues Princip an die Stelle des
alten zu erhebe".

Als Robert Peel, ein junger, reicher, hoffnungsvoller Mann aus dem Bür¬
gerstande, in's Parlament trat, schloß er sich der herrschenden Partei an und
erhielt sofort eine wichtige Stelle im Staatsdienste. Damit war zugleich seine
politische Bahn bestimmt. Denn man ist dadurch nicht blos an einen politischen


Subalterner Jntriguen, die, anch wenn sie gelangen, keine Ehre brachten. Intriguen,
die ganz der Stellenjägerei in der innern Politik entsprachen. Was hat diese
sogenannte Friedenspolitik, der es nicht um den Inhalt zu thun war, der Welt
sür Segen gebracht? Ein Pulses in Paris, nud das europäische Gleichgewicht
fällt über den Haufen. Es fällt mir nicht ein, dieser Politik gegenüber die un¬
reifen Ervberungsgelüstc des französischen Volks in Schutz nehmen zu wollen,
aber es lebt in diesem Volk trotz aller Verblendung ein edler Jnstinct, der nur
geleitet sein will. Das Frankreich, der Julirevolution konnte eine wesentliche Rolle
in der Geschichte spielen, wenn es statt seiner Spielerei mit der Quasi-Legitimität
ernsthaft die Propaganda der Freiheit in seine Hand nahm. Dann hätte es
aber allerdings bei sich selbst den Anfang machen müssen.

Die Julidynastie fiel, weil sie das Volk nicht beschäftigte, weil sie es ennuyirte.
Das klingt freilich frivol, aber es liegt in diesem Willen, beschäftigt zu werden,
auch ein edler Keim. Ein Napoleon hätte kriegerischen Ruhm gegeben, eine
wahrhaft große Regierung hätte das Volk in die Bahnen deö Bürgerthums gelenkt.
Louis Philipp war kein Napoleon des Friedens, denn nicht ans den Frieden
überhaupt, sondern darauf, was im Frieden geschieht, kommt es an. —

Wenn Louis Philipp den Schein des Bürgerthums ausdrückt, der bürger¬
lich ist, weil er nichts Anderes ist, nicht adelig, nicht demokratisch, so haben wir
in dem englischen Baronet die Realität des Bürgerthums, das über Adel, König-
thum und Demokratie die Herrschaft davonträgt, aber dazu die guten Seiten
dieser ihm in der Form entgegengesetzten Principien in sich ausnimmt.

Sir Robert Peels großes Werk ist es, der Herrschaft der aristokratischen
Fraktionen ein Ende gemacht, das Spiel der blos politischen Leidenschaften bei
Seite geschoben und den Staat in die bürgerlichen Interessen vertieft zu haben.
Denn wenn auch die beide» Parteien, ihrem geschichtlichen Ursprung getreu, sich
nach dem Grade ihres Liberalismus unterschieden, wenn die Tones sich als die
Vorkämpfer des legitimen Königthums betrachteten, die Erben der Rüssel, Grey,
Sidney n. s. w. als die Vertreter der Freiheit, so wäre es doch weit gefehlt, sie
sich als Verbindungen zur Erreichung eines bestimmten politischen Zweckes vorzu¬
stellen. Es waren gleichsam erbliche Coecum, die sich in bestimmten Geschlechtern
fortpflanzten, und gerade der größere Theil des alten Adels gehörte zu den Whigs.
Es kam mehr daraus an, die Führer dieser Parteien an's Unter zu bringen,
und mit ihnen jene Unzahl von Stelle» zu besetzen, die in England mit einer
Ministerialverändernng verknüpft sind, als ein neues Princip an die Stelle des
alten zu erhebe«.

Als Robert Peel, ein junger, reicher, hoffnungsvoller Mann aus dem Bür¬
gerstande, in's Parlament trat, schloß er sich der herrschenden Partei an und
erhielt sofort eine wichtige Stelle im Staatsdienste. Damit war zugleich seine
politische Bahn bestimmt. Denn man ist dadurch nicht blos an einen politischen


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[0414] Subalterner Jntriguen, die, anch wenn sie gelangen, keine Ehre brachten. Intriguen, die ganz der Stellenjägerei in der innern Politik entsprachen. Was hat diese sogenannte Friedenspolitik, der es nicht um den Inhalt zu thun war, der Welt sür Segen gebracht? Ein Pulses in Paris, nud das europäische Gleichgewicht fällt über den Haufen. Es fällt mir nicht ein, dieser Politik gegenüber die un¬ reifen Ervberungsgelüstc des französischen Volks in Schutz nehmen zu wollen, aber es lebt in diesem Volk trotz aller Verblendung ein edler Jnstinct, der nur geleitet sein will. Das Frankreich, der Julirevolution konnte eine wesentliche Rolle in der Geschichte spielen, wenn es statt seiner Spielerei mit der Quasi-Legitimität ernsthaft die Propaganda der Freiheit in seine Hand nahm. Dann hätte es aber allerdings bei sich selbst den Anfang machen müssen. Die Julidynastie fiel, weil sie das Volk nicht beschäftigte, weil sie es ennuyirte. Das klingt freilich frivol, aber es liegt in diesem Willen, beschäftigt zu werden, auch ein edler Keim. Ein Napoleon hätte kriegerischen Ruhm gegeben, eine wahrhaft große Regierung hätte das Volk in die Bahnen deö Bürgerthums gelenkt. Louis Philipp war kein Napoleon des Friedens, denn nicht ans den Frieden überhaupt, sondern darauf, was im Frieden geschieht, kommt es an. — Wenn Louis Philipp den Schein des Bürgerthums ausdrückt, der bürger¬ lich ist, weil er nichts Anderes ist, nicht adelig, nicht demokratisch, so haben wir in dem englischen Baronet die Realität des Bürgerthums, das über Adel, König- thum und Demokratie die Herrschaft davonträgt, aber dazu die guten Seiten dieser ihm in der Form entgegengesetzten Principien in sich ausnimmt. Sir Robert Peels großes Werk ist es, der Herrschaft der aristokratischen Fraktionen ein Ende gemacht, das Spiel der blos politischen Leidenschaften bei Seite geschoben und den Staat in die bürgerlichen Interessen vertieft zu haben. Denn wenn auch die beide» Parteien, ihrem geschichtlichen Ursprung getreu, sich nach dem Grade ihres Liberalismus unterschieden, wenn die Tones sich als die Vorkämpfer des legitimen Königthums betrachteten, die Erben der Rüssel, Grey, Sidney n. s. w. als die Vertreter der Freiheit, so wäre es doch weit gefehlt, sie sich als Verbindungen zur Erreichung eines bestimmten politischen Zweckes vorzu¬ stellen. Es waren gleichsam erbliche Coecum, die sich in bestimmten Geschlechtern fortpflanzten, und gerade der größere Theil des alten Adels gehörte zu den Whigs. Es kam mehr daraus an, die Führer dieser Parteien an's Unter zu bringen, und mit ihnen jene Unzahl von Stelle» zu besetzen, die in England mit einer Ministerialverändernng verknüpft sind, als ein neues Princip an die Stelle des alten zu erhebe«. Als Robert Peel, ein junger, reicher, hoffnungsvoller Mann aus dem Bür¬ gerstande, in's Parlament trat, schloß er sich der herrschenden Partei an und erhielt sofort eine wichtige Stelle im Staatsdienste. Damit war zugleich seine politische Bahn bestimmt. Denn man ist dadurch nicht blos an einen politischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/414>, abgerufen am 01.09.2024.