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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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mögen die Truppen der streitenden Kirche, sie rückten aus in musterhafter Schlacht¬
ordnung, die erzbischöflichen Alumnen als junge Mannschaft im ersten Treffen,
im Hintertreffen endlich als Kerntruppeu die Männer der Mitra, jene Masse von
Kanonikern und Bischöfen, am Schlüsse endlich der jugendliche, srcndestrahlende
Triumphatvr selber mit zahlreicher Assistenz; das Hintertreffen mit den goldenen
Spitzmützen mahnte etwas an russische Grenadiere von ehemals, vielleicht auch an
jene Grenadiere, welche im Juni 1848 so greulich in der Stadt gehaust. Der
Zuschauer fühlte sich von innerstem Schauer beschlichen bei dem Anblicke der
Hochkircheumänuer. Die Geister all der zahllosen Opfer, welche ans Besehl und
Betreiben von der Mitra, zur Ehre Gottes! aus der Tortur verendet, auf den
schafften verblutet, in Mauernischen erstickt, aus den Scheiterhaufen verbrannt,
umkreisten in dichtem Schwarm hoch in den Lüften den Zug, ihr klagendes Ge¬
wimmer mischte sich schaurig dem Geheul der Glocken, und Gottes liebendes Auge
wendete sich zürnend ab von dem frevelnden Triumphzug. Das böhmische Volk
aber sah hinauf in die Lüfte, es erkannte unter den Geistern der Gemordeten
seinen Johannes Huß, und es knirschte, denn es weiß ganz gut, daß die heuti¬
gen Männer der Mitra uicht um ein Atom milder, nicht um ein Atom christli¬
cher sind, als es ihre Vorgänger zu Kosemitz gewesen. Daß diese über den
Scheiterhaufen zu gebieten hatten, jene aber diese Macht erst wieder erobern
wollen, das ist der Unterschied zwischen diesen und jenen.

In der That mir in dem belagerten Prag konnte man so auffallenden
Anachronismus wagen, welchen der eigens hierher geeilte Minister des Cultus
zu verherrlichen und ihm die Weihe zu geben bemüht war.

Der inthronisier Kirchenfürst vereinigte am Tage seines Siegeszuges alle
officiellen Notabilitäten der Stadt, alle kirchlichen Dignitarien von Stadt und
Land, zu einem Festmahl, dem Leichenmahle gesunder Vernunft. Der Kultus¬
minister, Leo Thun, war neben dem Jubelfürsten der Löwe des Festes. Der
Toaste viele wurden ausgebracht, doch der Minister verherrlichte das Mahl mit
einer Tischrede, welche, des blindeifrigsten Kirchenmanncs aus der Schule
Gregor's VI. würdig, die clencalen Gäste entzückte, den anwesenden Laien aber
das Haar sträuben machte.

Einen Cultusminister Oestreichs den Triumph der katholischen Kirche, ihre
errungene Freiheit in so zelotischer Weise lobpreisen, aus die Verderbtheit der
neuen Zeit, auf die Nothwendigkeit, das Volk durch kirchlichen Einfluß zur Ord¬
nung zurückzuführen, von einem Cultusminister Oestreichs hinweisen zu hören
in Ausdrücken, welche den Kirchenvätern, welche Thomas a Kempis entnom¬
men schienen, dies war den weltlichen Würdenträgern und Notabilitäten jenes
Festmahls doch zu stark, zu anachronistisch.

Als endlich der Minister in glaubenswüthigem Feuereifer seiner flammen¬
schwingenden Intoleranz' auf die Vorgänge zu Turin überging, die Partei


mögen die Truppen der streitenden Kirche, sie rückten aus in musterhafter Schlacht¬
ordnung, die erzbischöflichen Alumnen als junge Mannschaft im ersten Treffen,
im Hintertreffen endlich als Kerntruppeu die Männer der Mitra, jene Masse von
Kanonikern und Bischöfen, am Schlüsse endlich der jugendliche, srcndestrahlende
Triumphatvr selber mit zahlreicher Assistenz; das Hintertreffen mit den goldenen
Spitzmützen mahnte etwas an russische Grenadiere von ehemals, vielleicht auch an
jene Grenadiere, welche im Juni 1848 so greulich in der Stadt gehaust. Der
Zuschauer fühlte sich von innerstem Schauer beschlichen bei dem Anblicke der
Hochkircheumänuer. Die Geister all der zahllosen Opfer, welche ans Besehl und
Betreiben von der Mitra, zur Ehre Gottes! aus der Tortur verendet, auf den
schafften verblutet, in Mauernischen erstickt, aus den Scheiterhaufen verbrannt,
umkreisten in dichtem Schwarm hoch in den Lüften den Zug, ihr klagendes Ge¬
wimmer mischte sich schaurig dem Geheul der Glocken, und Gottes liebendes Auge
wendete sich zürnend ab von dem frevelnden Triumphzug. Das böhmische Volk
aber sah hinauf in die Lüfte, es erkannte unter den Geistern der Gemordeten
seinen Johannes Huß, und es knirschte, denn es weiß ganz gut, daß die heuti¬
gen Männer der Mitra uicht um ein Atom milder, nicht um ein Atom christli¬
cher sind, als es ihre Vorgänger zu Kosemitz gewesen. Daß diese über den
Scheiterhaufen zu gebieten hatten, jene aber diese Macht erst wieder erobern
wollen, das ist der Unterschied zwischen diesen und jenen.

In der That mir in dem belagerten Prag konnte man so auffallenden
Anachronismus wagen, welchen der eigens hierher geeilte Minister des Cultus
zu verherrlichen und ihm die Weihe zu geben bemüht war.

Der inthronisier Kirchenfürst vereinigte am Tage seines Siegeszuges alle
officiellen Notabilitäten der Stadt, alle kirchlichen Dignitarien von Stadt und
Land, zu einem Festmahl, dem Leichenmahle gesunder Vernunft. Der Kultus¬
minister, Leo Thun, war neben dem Jubelfürsten der Löwe des Festes. Der
Toaste viele wurden ausgebracht, doch der Minister verherrlichte das Mahl mit
einer Tischrede, welche, des blindeifrigsten Kirchenmanncs aus der Schule
Gregor's VI. würdig, die clencalen Gäste entzückte, den anwesenden Laien aber
das Haar sträuben machte.

Einen Cultusminister Oestreichs den Triumph der katholischen Kirche, ihre
errungene Freiheit in so zelotischer Weise lobpreisen, aus die Verderbtheit der
neuen Zeit, auf die Nothwendigkeit, das Volk durch kirchlichen Einfluß zur Ord¬
nung zurückzuführen, von einem Cultusminister Oestreichs hinweisen zu hören
in Ausdrücken, welche den Kirchenvätern, welche Thomas a Kempis entnom¬
men schienen, dies war den weltlichen Würdenträgern und Notabilitäten jenes
Festmahls doch zu stark, zu anachronistisch.

Als endlich der Minister in glaubenswüthigem Feuereifer seiner flammen¬
schwingenden Intoleranz' auf die Vorgänge zu Turin überging, die Partei


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[0396] mögen die Truppen der streitenden Kirche, sie rückten aus in musterhafter Schlacht¬ ordnung, die erzbischöflichen Alumnen als junge Mannschaft im ersten Treffen, im Hintertreffen endlich als Kerntruppeu die Männer der Mitra, jene Masse von Kanonikern und Bischöfen, am Schlüsse endlich der jugendliche, srcndestrahlende Triumphatvr selber mit zahlreicher Assistenz; das Hintertreffen mit den goldenen Spitzmützen mahnte etwas an russische Grenadiere von ehemals, vielleicht auch an jene Grenadiere, welche im Juni 1848 so greulich in der Stadt gehaust. Der Zuschauer fühlte sich von innerstem Schauer beschlichen bei dem Anblicke der Hochkircheumänuer. Die Geister all der zahllosen Opfer, welche ans Besehl und Betreiben von der Mitra, zur Ehre Gottes! aus der Tortur verendet, auf den schafften verblutet, in Mauernischen erstickt, aus den Scheiterhaufen verbrannt, umkreisten in dichtem Schwarm hoch in den Lüften den Zug, ihr klagendes Ge¬ wimmer mischte sich schaurig dem Geheul der Glocken, und Gottes liebendes Auge wendete sich zürnend ab von dem frevelnden Triumphzug. Das böhmische Volk aber sah hinauf in die Lüfte, es erkannte unter den Geistern der Gemordeten seinen Johannes Huß, und es knirschte, denn es weiß ganz gut, daß die heuti¬ gen Männer der Mitra uicht um ein Atom milder, nicht um ein Atom christli¬ cher sind, als es ihre Vorgänger zu Kosemitz gewesen. Daß diese über den Scheiterhaufen zu gebieten hatten, jene aber diese Macht erst wieder erobern wollen, das ist der Unterschied zwischen diesen und jenen. In der That mir in dem belagerten Prag konnte man so auffallenden Anachronismus wagen, welchen der eigens hierher geeilte Minister des Cultus zu verherrlichen und ihm die Weihe zu geben bemüht war. Der inthronisier Kirchenfürst vereinigte am Tage seines Siegeszuges alle officiellen Notabilitäten der Stadt, alle kirchlichen Dignitarien von Stadt und Land, zu einem Festmahl, dem Leichenmahle gesunder Vernunft. Der Kultus¬ minister, Leo Thun, war neben dem Jubelfürsten der Löwe des Festes. Der Toaste viele wurden ausgebracht, doch der Minister verherrlichte das Mahl mit einer Tischrede, welche, des blindeifrigsten Kirchenmanncs aus der Schule Gregor's VI. würdig, die clencalen Gäste entzückte, den anwesenden Laien aber das Haar sträuben machte. Einen Cultusminister Oestreichs den Triumph der katholischen Kirche, ihre errungene Freiheit in so zelotischer Weise lobpreisen, aus die Verderbtheit der neuen Zeit, auf die Nothwendigkeit, das Volk durch kirchlichen Einfluß zur Ord¬ nung zurückzuführen, von einem Cultusminister Oestreichs hinweisen zu hören in Ausdrücken, welche den Kirchenvätern, welche Thomas a Kempis entnom¬ men schienen, dies war den weltlichen Würdenträgern und Notabilitäten jenes Festmahls doch zu stark, zu anachronistisch. Als endlich der Minister in glaubenswüthigem Feuereifer seiner flammen¬ schwingenden Intoleranz' auf die Vorgänge zu Turin überging, die Partei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/396>, abgerufen am 01.09.2024.