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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Wirren. Allerdings wäre es wünschenswerth, daß dann auch die königliche
Kunstakademie in diese Wirksamkeit mit eingriffe. Hat Leipzig eine Kunst¬
akademie? Dieser Frage sind wir in Leipzig selbst sehr oft und nicht ohne
Grund begegnet. Im verborgensten Winkel des Schloßhofcs der Pleißen-
burg befindet sich der Eingang zur Akademie, ebenso verborgen hält sich
diese selbst. Verborgenheit aber ist das tödtlichste Gift für Alles, was Kunst
heißt; sie fordert vor Allem öffentliche Anerkennung. Durch die Öffentlichkeit
wird ein Wetteifer und ein edles Streben nach Nuhm erzeugt, ohne welche der
Künstler selten oder nie etwas erreicht; alles Mystische ist der Kunst feindlich,
in geistiger und äußerlicher Richtung. Wo aber Beides so befördert wird,
wie bei uns, einestheils dnrch zurückgezogene und sich abschließende geistige
Richtung, anderntheils durch Hang zum althergebrachten Schlendrian und zur
großem Bequemlichkeit, da läßt sich wenig Gutes erwarten. Wir können denn
anch von unserer Akademie nichts melden als ihre Existenz; ihre Erfolge sind in
Dunkel gehüllt. ,

Leipzig hat anch zwei Privatsammlungen, die bedeutend sind, die aber noch
bei weitem mehr Bedeutung gewinnen würden, wenn ihr Genuß dem Publicum
zugänglicher gemacht wäre. Wir dürfen keineswegs die Besitzer derselben beschul¬
digen, ihre Sammlungen vor der Welt abzuschließen; diese werden im Gegentheil
dem darum Nachsuchenden stets bereitwillig und zuvorkommend geöffnet, aber eben
dieses Nachsuchen ihl für Viele das lästigste Eintrittsgeld. Wir haben in andern
Städten Privatsammlungen gekannt, deren Besitzer ihre Schätze je einen Tag in
der Woche dem Publicum zu eigen gaben, und wir haben nicht gehört, daß sie
es jemals bereut hätten. Die Sammlung des Herrn Konsul Schickler besteht mit
sehr wenigen Ausnahmen nnr aus Gemälde" der französischen Schule. Diese
allerdings einseitige Richtung ist indes; würdig vertreten, denn die Sammlung ent¬
hält nur gute Gemälde und darunter vom bedeutendsten Werth.

Wenn nun auch dergleichen Sammlungen in Bezug aus allgemein kunstge-
schichtlichen Werih in sich selbst stets mangelhaft bleiben, so kann ihr guter Ein¬
fluß auf den Kunstliebhaber doch nie in Abrede gestellt werden, während der
Kenner bald ihren Zusammenhang mit dem Ganzen herauszufinden weiß. -- Die
Galerie des Herrn Baron von Speck-Sterubnrg geht bei einer sichtlichen Vor¬
liebe für ältere Bilder schon mehr in'S Allgemeine, ist aber bei weitem mit weniger
Sorgfalt gesammelt, als die vvrhergenannte, und enthält denn anch neben vielem
Guten manches Unbedeutende. -- Wenn neben diesen beiden größern Samm-
lungen auch noch mancher Einzelne vielleicht Anerkennenswertes zu erstreben
sucht, so bleiben alle diese Bemühungen doch zu isolirt und finden nicht den Mittel¬
punkt des allgemeinen Kunstinteresses, der sie allein fördern könnte. Diesen hoffen
wir nun aus der steten Oeffentlichkeit der permanenten Kunstausstellung sich immer
mehr entwickeln zu sehen, und darum haben wir dieselbe als das bedentendste und


Wirren. Allerdings wäre es wünschenswerth, daß dann auch die königliche
Kunstakademie in diese Wirksamkeit mit eingriffe. Hat Leipzig eine Kunst¬
akademie? Dieser Frage sind wir in Leipzig selbst sehr oft und nicht ohne
Grund begegnet. Im verborgensten Winkel des Schloßhofcs der Pleißen-
burg befindet sich der Eingang zur Akademie, ebenso verborgen hält sich
diese selbst. Verborgenheit aber ist das tödtlichste Gift für Alles, was Kunst
heißt; sie fordert vor Allem öffentliche Anerkennung. Durch die Öffentlichkeit
wird ein Wetteifer und ein edles Streben nach Nuhm erzeugt, ohne welche der
Künstler selten oder nie etwas erreicht; alles Mystische ist der Kunst feindlich,
in geistiger und äußerlicher Richtung. Wo aber Beides so befördert wird,
wie bei uns, einestheils dnrch zurückgezogene und sich abschließende geistige
Richtung, anderntheils durch Hang zum althergebrachten Schlendrian und zur
großem Bequemlichkeit, da läßt sich wenig Gutes erwarten. Wir können denn
anch von unserer Akademie nichts melden als ihre Existenz; ihre Erfolge sind in
Dunkel gehüllt. ,

Leipzig hat anch zwei Privatsammlungen, die bedeutend sind, die aber noch
bei weitem mehr Bedeutung gewinnen würden, wenn ihr Genuß dem Publicum
zugänglicher gemacht wäre. Wir dürfen keineswegs die Besitzer derselben beschul¬
digen, ihre Sammlungen vor der Welt abzuschließen; diese werden im Gegentheil
dem darum Nachsuchenden stets bereitwillig und zuvorkommend geöffnet, aber eben
dieses Nachsuchen ihl für Viele das lästigste Eintrittsgeld. Wir haben in andern
Städten Privatsammlungen gekannt, deren Besitzer ihre Schätze je einen Tag in
der Woche dem Publicum zu eigen gaben, und wir haben nicht gehört, daß sie
es jemals bereut hätten. Die Sammlung des Herrn Konsul Schickler besteht mit
sehr wenigen Ausnahmen nnr aus Gemälde» der französischen Schule. Diese
allerdings einseitige Richtung ist indes; würdig vertreten, denn die Sammlung ent¬
hält nur gute Gemälde und darunter vom bedeutendsten Werth.

Wenn nun auch dergleichen Sammlungen in Bezug aus allgemein kunstge-
schichtlichen Werih in sich selbst stets mangelhaft bleiben, so kann ihr guter Ein¬
fluß auf den Kunstliebhaber doch nie in Abrede gestellt werden, während der
Kenner bald ihren Zusammenhang mit dem Ganzen herauszufinden weiß. — Die
Galerie des Herrn Baron von Speck-Sterubnrg geht bei einer sichtlichen Vor¬
liebe für ältere Bilder schon mehr in'S Allgemeine, ist aber bei weitem mit weniger
Sorgfalt gesammelt, als die vvrhergenannte, und enthält denn anch neben vielem
Guten manches Unbedeutende. — Wenn neben diesen beiden größern Samm-
lungen auch noch mancher Einzelne vielleicht Anerkennenswertes zu erstreben
sucht, so bleiben alle diese Bemühungen doch zu isolirt und finden nicht den Mittel¬
punkt des allgemeinen Kunstinteresses, der sie allein fördern könnte. Diesen hoffen
wir nun aus der steten Oeffentlichkeit der permanenten Kunstausstellung sich immer
mehr entwickeln zu sehen, und darum haben wir dieselbe als das bedentendste und


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[0388] Wirren. Allerdings wäre es wünschenswerth, daß dann auch die königliche Kunstakademie in diese Wirksamkeit mit eingriffe. Hat Leipzig eine Kunst¬ akademie? Dieser Frage sind wir in Leipzig selbst sehr oft und nicht ohne Grund begegnet. Im verborgensten Winkel des Schloßhofcs der Pleißen- burg befindet sich der Eingang zur Akademie, ebenso verborgen hält sich diese selbst. Verborgenheit aber ist das tödtlichste Gift für Alles, was Kunst heißt; sie fordert vor Allem öffentliche Anerkennung. Durch die Öffentlichkeit wird ein Wetteifer und ein edles Streben nach Nuhm erzeugt, ohne welche der Künstler selten oder nie etwas erreicht; alles Mystische ist der Kunst feindlich, in geistiger und äußerlicher Richtung. Wo aber Beides so befördert wird, wie bei uns, einestheils dnrch zurückgezogene und sich abschließende geistige Richtung, anderntheils durch Hang zum althergebrachten Schlendrian und zur großem Bequemlichkeit, da läßt sich wenig Gutes erwarten. Wir können denn anch von unserer Akademie nichts melden als ihre Existenz; ihre Erfolge sind in Dunkel gehüllt. , Leipzig hat anch zwei Privatsammlungen, die bedeutend sind, die aber noch bei weitem mehr Bedeutung gewinnen würden, wenn ihr Genuß dem Publicum zugänglicher gemacht wäre. Wir dürfen keineswegs die Besitzer derselben beschul¬ digen, ihre Sammlungen vor der Welt abzuschließen; diese werden im Gegentheil dem darum Nachsuchenden stets bereitwillig und zuvorkommend geöffnet, aber eben dieses Nachsuchen ihl für Viele das lästigste Eintrittsgeld. Wir haben in andern Städten Privatsammlungen gekannt, deren Besitzer ihre Schätze je einen Tag in der Woche dem Publicum zu eigen gaben, und wir haben nicht gehört, daß sie es jemals bereut hätten. Die Sammlung des Herrn Konsul Schickler besteht mit sehr wenigen Ausnahmen nnr aus Gemälde» der französischen Schule. Diese allerdings einseitige Richtung ist indes; würdig vertreten, denn die Sammlung ent¬ hält nur gute Gemälde und darunter vom bedeutendsten Werth. Wenn nun auch dergleichen Sammlungen in Bezug aus allgemein kunstge- schichtlichen Werih in sich selbst stets mangelhaft bleiben, so kann ihr guter Ein¬ fluß auf den Kunstliebhaber doch nie in Abrede gestellt werden, während der Kenner bald ihren Zusammenhang mit dem Ganzen herauszufinden weiß. — Die Galerie des Herrn Baron von Speck-Sterubnrg geht bei einer sichtlichen Vor¬ liebe für ältere Bilder schon mehr in'S Allgemeine, ist aber bei weitem mit weniger Sorgfalt gesammelt, als die vvrhergenannte, und enthält denn anch neben vielem Guten manches Unbedeutende. — Wenn neben diesen beiden größern Samm- lungen auch noch mancher Einzelne vielleicht Anerkennenswertes zu erstreben sucht, so bleiben alle diese Bemühungen doch zu isolirt und finden nicht den Mittel¬ punkt des allgemeinen Kunstinteresses, der sie allein fördern könnte. Diesen hoffen wir nun aus der steten Oeffentlichkeit der permanenten Kunstausstellung sich immer mehr entwickeln zu sehen, und darum haben wir dieselbe als das bedentendste und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/388>, abgerufen am 01.09.2024.