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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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lung der prächtigste" Schaschka'ö (langer Säbel) und Kama's oder Kinstal'S
(langer Dolche).

Ein junger Krieger, welcher in den Kreis der rathpflcgcndcn Männer treten
wollte, weigerte sich, den Soldaten sein Pistol abzugeben. Man machte Anstalt,
ihn zurückzuweisen, er stieß aber den Soldaten, der ihn am Arme berührte, stolzen
Blickes mit solcher Gewalt ans die Seite, daß der Soldat in'S Gras stürzte. Es
entstand eine kleine Bewegung unter seinen Kameraden, auch die Häuptlinge
sprangen von ihren Stühlen auf, und es drohte zu einer ernsten Verwirrung zu
kommen, da der junge Tscherkesse, der Urheber des Streites, durchaus nicht zu
bewegen war, das Pistol abzugeben. Als der Dolmetsch im Auftrage des Generals
ihm sagte, wenn er nicht nachgeben wollte, so könnten die Verhandlungen über¬
haupt nicht beginnen, schoß er sein Pistol in die Luft ab, steckte es wieder in den
Gürtel und nahm dann Platz uuter den rathpflegenden Männern, ohne sich weiter
umzusehen und ohne weiter belästigt zu werden.

In einiger Entfernung, den halbmondförmig Meuten Häuptlingen gegenüber,
saß der Geueral mit noch zwei oder drei andern Offizieren hohem Ranges. Hinter
ihm standen ein paar Adjutanten, und zur Seite stand ein Dolmetsch, ein in der
Jugend gefangen genommener Tschcrkeß, jetzt Lieutenant in russischen Diensten.

Etwa zehn Schritte davon lagen die übrigen Offiziere mit uns aus dem
Rasen, aufmerksamen Blickes das malerische Schauspiel betrachtend. Die Häupt¬
linge trugen der Mehrzahl nach feine rothe Schuhe, die den leisesten Bewegungen
des Fußes schmiegsam nachgaben, -- eng anliegende, dunkle Reithosen und den
bekannte", gürtelumschlungenen kaukasischen Waffenrock von blauer oder bräunlicher
Farbe. Bei Einigen sah man das geringelte Panzerhemd unter dem kaftauartig
oben aufgeschlitztem Rock hervorschimmern. Die schwarzzottigen Pelzmützen gaben
den größtentheils ernsten, gebräunten, ausdrucksvollen Gesichtern ein fast grimmes
Ansehen. Einige der vornehmern Häuptlinge trugen gleich den Mnllah's blendend
weiße Turbane. . .

Das Ange weilte mit immer steigendem Wohlgefallen auf diesen breit¬
schultrigen, kräftigen Männergestalten, wie sie da saßen in ernster Berathung über
die von den Russen gemachten Vorschläge, das Loos ihrer von einer schrecklichen
Hungersnoth heimgesuchten Stämme zu erleichtern.

Von Zeit zu Zeit erhob sich eiuer der Aeltesten von ihnen und ging auf
den General zu, der dann ebenfalls aufstand, um die Gegenvorschläge anzuhören.

Der Gegenstand der Unterhandlungen war ein höchst einfacher. Die Küsten¬
völker verlangten nichts als freie Schifffahrt auf dem schwarzen Meere und freien
Handelsverkehr mit Trapezunt und, Konstantinopel. Sie versprachen dagegen
feierlich, sich sür alle Zeit jeder Feindseligkeit gegen die Russen enthalten zu wollen.
Der Kern- und Mittelpunkt ihrer Vorschläge war: Belästigt uns nicht, so werden
wir Euch nicht belästigen.


lung der prächtigste» Schaschka'ö (langer Säbel) und Kama's oder Kinstal'S
(langer Dolche).

Ein junger Krieger, welcher in den Kreis der rathpflcgcndcn Männer treten
wollte, weigerte sich, den Soldaten sein Pistol abzugeben. Man machte Anstalt,
ihn zurückzuweisen, er stieß aber den Soldaten, der ihn am Arme berührte, stolzen
Blickes mit solcher Gewalt ans die Seite, daß der Soldat in'S Gras stürzte. Es
entstand eine kleine Bewegung unter seinen Kameraden, auch die Häuptlinge
sprangen von ihren Stühlen auf, und es drohte zu einer ernsten Verwirrung zu
kommen, da der junge Tscherkesse, der Urheber des Streites, durchaus nicht zu
bewegen war, das Pistol abzugeben. Als der Dolmetsch im Auftrage des Generals
ihm sagte, wenn er nicht nachgeben wollte, so könnten die Verhandlungen über¬
haupt nicht beginnen, schoß er sein Pistol in die Luft ab, steckte es wieder in den
Gürtel und nahm dann Platz uuter den rathpflegenden Männern, ohne sich weiter
umzusehen und ohne weiter belästigt zu werden.

In einiger Entfernung, den halbmondförmig Meuten Häuptlingen gegenüber,
saß der Geueral mit noch zwei oder drei andern Offizieren hohem Ranges. Hinter
ihm standen ein paar Adjutanten, und zur Seite stand ein Dolmetsch, ein in der
Jugend gefangen genommener Tschcrkeß, jetzt Lieutenant in russischen Diensten.

Etwa zehn Schritte davon lagen die übrigen Offiziere mit uns aus dem
Rasen, aufmerksamen Blickes das malerische Schauspiel betrachtend. Die Häupt¬
linge trugen der Mehrzahl nach feine rothe Schuhe, die den leisesten Bewegungen
des Fußes schmiegsam nachgaben, — eng anliegende, dunkle Reithosen und den
bekannte«, gürtelumschlungenen kaukasischen Waffenrock von blauer oder bräunlicher
Farbe. Bei Einigen sah man das geringelte Panzerhemd unter dem kaftauartig
oben aufgeschlitztem Rock hervorschimmern. Die schwarzzottigen Pelzmützen gaben
den größtentheils ernsten, gebräunten, ausdrucksvollen Gesichtern ein fast grimmes
Ansehen. Einige der vornehmern Häuptlinge trugen gleich den Mnllah's blendend
weiße Turbane. . .

Das Ange weilte mit immer steigendem Wohlgefallen auf diesen breit¬
schultrigen, kräftigen Männergestalten, wie sie da saßen in ernster Berathung über
die von den Russen gemachten Vorschläge, das Loos ihrer von einer schrecklichen
Hungersnoth heimgesuchten Stämme zu erleichtern.

Von Zeit zu Zeit erhob sich eiuer der Aeltesten von ihnen und ging auf
den General zu, der dann ebenfalls aufstand, um die Gegenvorschläge anzuhören.

Der Gegenstand der Unterhandlungen war ein höchst einfacher. Die Küsten¬
völker verlangten nichts als freie Schifffahrt auf dem schwarzen Meere und freien
Handelsverkehr mit Trapezunt und, Konstantinopel. Sie versprachen dagegen
feierlich, sich sür alle Zeit jeder Feindseligkeit gegen die Russen enthalten zu wollen.
Der Kern- und Mittelpunkt ihrer Vorschläge war: Belästigt uns nicht, so werden
wir Euch nicht belästigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/382>, abgerufen am 27.07.2024.