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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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hergeben. Die Hoffnung der Union knüpft sich lediglich an die Fortdauer der
preußischen Verfassung.

So lange also Preußen an der Union in ihrer jetzigen Form festhält
und folgerecht den Eintritt in den erneuerten Bundestag überhaupt oder
wenigstens so lange verweigert, bis in demselben das Pnncip der Union im
Voraus anerkannt ist, wird ihm unsere Partei auch darin zur Seite stehen. Aber
in dieser Lage wird sie sich voraussichtlich uicht lange befinden. Preußen wird
es müde werden, seine Schutzbefohlenen bei Nacht und Nebel auf Schleichwegen
an den Barrieren vorüberzuführen -- und ich muß gestehe", daß dergleichen für
das persönliche Ehrgefühl höchst verletzend ist und dem Zweck in keiner Weise
entspricht; und so müßte es, wenn es die Union außerhalb des Bundes aufrecht
halten will, entweder sich "auf das Gebiet der Thatsachen begeben", oder Baden,
Oldenburg, Bremen, und dann wohl überhaupt eiuen nach dem andern seiner
Bundesgenossen zu verlieren gewärtig sein. Es wird sich also die Frage vorlegen
müssen, was es in Beziehung auf die Union aufgibt, wenn es, ohne vorher¬
gehende Anerkennung derselben von Seiten Oestreichs oder der Liga, seineu Eintritt
in die alten Formen nicht länger verweigert.

Da dieselbe innere Notwendigkeit, welche vorher die kleinen Staaten mit
ihm vereinigt hat, fortbesteht trotz aller Nechtöverwickelnngen, so verliert es nichts
als den Rechtszwang, den es gegen die Renitenten anwenden konnte. Da es
aber in seiner Absicht niemals gelegen hat, sich dieses Nechtszwangs zu bedienen,
so ist das nicht zu viel.

Preußen kann es innerhalb des Bundes durchsetze", daß die Bundesgewalt
ans die nothwendigsten Attribute -- ungefähr auf die Befugnisse des Interim --
eingeschränkt wird. Es kauu dadurch, daß es die Veröffentlichung aller Bnndeö-
verhandlungen durchsetzt, im Sinne der Freiheit wirken. Es kann die Rechte
seiner Stände den Gelüsten der Reaction gegenüber vertreten.

Als ein positives Bildungsmoment seiner Union bietet sich ihm der Zollverein.
Aufkündigung desselben an diejenigen Staaten, welche der Union nicht beitreten, Er¬
mächtigung des Unionsparlaments, über die gemeinsamen Zoll- und HandclSangelcgen-
heiten zu entscheiden, Bildung einer gemeinsamen Zvllvcreinsvcrwaltnng unter
Preußens Vorsitz uach Art des projectirten Fürsteueollegimus, das bisher doch
ohne eigentlichen Inhalt war -- und in einigen Jahren wird die Union eine Be¬
deutung und auch einen Umfang haben, der weit über die gegenwärtige Anlage
hinausgeht -- denn die deutschen Mittclstaateu, mit Ausnahme Hannovers, kön¬
nen sich weder an das österreichische Tabaksmonopol u. s. w. anschließen, noch
für sich bestehen. Hannover kann aber in dieser Form am erstell gewonnen
werden.

Innerhalb des Bundes kann Preußen ferner energisch für die Sache der
Herzogthümer wirken, für die es in seiner jetzigen isolirten Lage nichts thun


hergeben. Die Hoffnung der Union knüpft sich lediglich an die Fortdauer der
preußischen Verfassung.

So lange also Preußen an der Union in ihrer jetzigen Form festhält
und folgerecht den Eintritt in den erneuerten Bundestag überhaupt oder
wenigstens so lange verweigert, bis in demselben das Pnncip der Union im
Voraus anerkannt ist, wird ihm unsere Partei auch darin zur Seite stehen. Aber
in dieser Lage wird sie sich voraussichtlich uicht lange befinden. Preußen wird
es müde werden, seine Schutzbefohlenen bei Nacht und Nebel auf Schleichwegen
an den Barrieren vorüberzuführen — und ich muß gestehe», daß dergleichen für
das persönliche Ehrgefühl höchst verletzend ist und dem Zweck in keiner Weise
entspricht; und so müßte es, wenn es die Union außerhalb des Bundes aufrecht
halten will, entweder sich „auf das Gebiet der Thatsachen begeben", oder Baden,
Oldenburg, Bremen, und dann wohl überhaupt eiuen nach dem andern seiner
Bundesgenossen zu verlieren gewärtig sein. Es wird sich also die Frage vorlegen
müssen, was es in Beziehung auf die Union aufgibt, wenn es, ohne vorher¬
gehende Anerkennung derselben von Seiten Oestreichs oder der Liga, seineu Eintritt
in die alten Formen nicht länger verweigert.

Da dieselbe innere Notwendigkeit, welche vorher die kleinen Staaten mit
ihm vereinigt hat, fortbesteht trotz aller Nechtöverwickelnngen, so verliert es nichts
als den Rechtszwang, den es gegen die Renitenten anwenden konnte. Da es
aber in seiner Absicht niemals gelegen hat, sich dieses Nechtszwangs zu bedienen,
so ist das nicht zu viel.

Preußen kann es innerhalb des Bundes durchsetze», daß die Bundesgewalt
ans die nothwendigsten Attribute — ungefähr auf die Befugnisse des Interim —
eingeschränkt wird. Es kauu dadurch, daß es die Veröffentlichung aller Bnndeö-
verhandlungen durchsetzt, im Sinne der Freiheit wirken. Es kann die Rechte
seiner Stände den Gelüsten der Reaction gegenüber vertreten.

Als ein positives Bildungsmoment seiner Union bietet sich ihm der Zollverein.
Aufkündigung desselben an diejenigen Staaten, welche der Union nicht beitreten, Er¬
mächtigung des Unionsparlaments, über die gemeinsamen Zoll- und HandclSangelcgen-
heiten zu entscheiden, Bildung einer gemeinsamen Zvllvcreinsvcrwaltnng unter
Preußens Vorsitz uach Art des projectirten Fürsteueollegimus, das bisher doch
ohne eigentlichen Inhalt war — und in einigen Jahren wird die Union eine Be¬
deutung und auch einen Umfang haben, der weit über die gegenwärtige Anlage
hinausgeht — denn die deutschen Mittclstaateu, mit Ausnahme Hannovers, kön¬
nen sich weder an das österreichische Tabaksmonopol u. s. w. anschließen, noch
für sich bestehen. Hannover kann aber in dieser Form am erstell gewonnen
werden.

Innerhalb des Bundes kann Preußen ferner energisch für die Sache der
Herzogthümer wirken, für die es in seiner jetzigen isolirten Lage nichts thun


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[0372] hergeben. Die Hoffnung der Union knüpft sich lediglich an die Fortdauer der preußischen Verfassung. So lange also Preußen an der Union in ihrer jetzigen Form festhält und folgerecht den Eintritt in den erneuerten Bundestag überhaupt oder wenigstens so lange verweigert, bis in demselben das Pnncip der Union im Voraus anerkannt ist, wird ihm unsere Partei auch darin zur Seite stehen. Aber in dieser Lage wird sie sich voraussichtlich uicht lange befinden. Preußen wird es müde werden, seine Schutzbefohlenen bei Nacht und Nebel auf Schleichwegen an den Barrieren vorüberzuführen — und ich muß gestehe», daß dergleichen für das persönliche Ehrgefühl höchst verletzend ist und dem Zweck in keiner Weise entspricht; und so müßte es, wenn es die Union außerhalb des Bundes aufrecht halten will, entweder sich „auf das Gebiet der Thatsachen begeben", oder Baden, Oldenburg, Bremen, und dann wohl überhaupt eiuen nach dem andern seiner Bundesgenossen zu verlieren gewärtig sein. Es wird sich also die Frage vorlegen müssen, was es in Beziehung auf die Union aufgibt, wenn es, ohne vorher¬ gehende Anerkennung derselben von Seiten Oestreichs oder der Liga, seineu Eintritt in die alten Formen nicht länger verweigert. Da dieselbe innere Notwendigkeit, welche vorher die kleinen Staaten mit ihm vereinigt hat, fortbesteht trotz aller Nechtöverwickelnngen, so verliert es nichts als den Rechtszwang, den es gegen die Renitenten anwenden konnte. Da es aber in seiner Absicht niemals gelegen hat, sich dieses Nechtszwangs zu bedienen, so ist das nicht zu viel. Preußen kann es innerhalb des Bundes durchsetze», daß die Bundesgewalt ans die nothwendigsten Attribute — ungefähr auf die Befugnisse des Interim — eingeschränkt wird. Es kauu dadurch, daß es die Veröffentlichung aller Bnndeö- verhandlungen durchsetzt, im Sinne der Freiheit wirken. Es kann die Rechte seiner Stände den Gelüsten der Reaction gegenüber vertreten. Als ein positives Bildungsmoment seiner Union bietet sich ihm der Zollverein. Aufkündigung desselben an diejenigen Staaten, welche der Union nicht beitreten, Er¬ mächtigung des Unionsparlaments, über die gemeinsamen Zoll- und HandclSangelcgen- heiten zu entscheiden, Bildung einer gemeinsamen Zvllvcreinsvcrwaltnng unter Preußens Vorsitz uach Art des projectirten Fürsteueollegimus, das bisher doch ohne eigentlichen Inhalt war — und in einigen Jahren wird die Union eine Be¬ deutung und auch einen Umfang haben, der weit über die gegenwärtige Anlage hinausgeht — denn die deutschen Mittclstaateu, mit Ausnahme Hannovers, kön¬ nen sich weder an das österreichische Tabaksmonopol u. s. w. anschließen, noch für sich bestehen. Hannover kann aber in dieser Form am erstell gewonnen werden. Innerhalb des Bundes kann Preußen ferner energisch für die Sache der Herzogthümer wirken, für die es in seiner jetzigen isolirten Lage nichts thun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/372>, abgerufen am 27.07.2024.