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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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die Gemüther zu gewinnen, die gesetzliche Ordnung festzustellen, das Vertrauen
für Kaiser und Regierung neu zu beleben, auch nur um Geringsten zu erfüllen
vermocht. Sie waren und siud noch Könige ohne Königstitel, aber auch ohne
königlichen Sinn, sondern wie die revolutionären Gewalthaber der ersten franzö¬
sischen Erhebung wollten sie durch Terrorismus die ausgerenkten Glieder des
Staates zurechtlegen. Ausfahren das Volk bei dieser schmerzhaften Operation,
jedoch dieses Schreien wird wieder für Empörung und. böse Gesinnung erklärt,
während es doch nur die Folge des ungeschickten Arztes ist, der seine Unkenntnis)
durch eine rohe Procedur verdecken will. -- Aber nicht blos der Staat und das
Volk ächzt uuter der Contrerevolution der Armee, auch die Negierung und der
Monarch. Haynau's Enthebung war nur ein Schlag aus den Sack; es war
auch eine terroristische Maßregel, um die allüberall auftauchenden Herrschgelüste
kleinerer ^leer Lgos mit einem Streiche abzuwenden. Das Ministerium boxt,
seitdem es das Portefeuille übernahm, mit den Schwcrtsührern, und uoch wissen
wir nicht, welche Fäuste besser treffen. Noch mancher Gang wird gemacht wer¬
den müssen, aber der Ausgang ist zweifelhaft. -- Wir sind zu diesem Rückblick
dnrch einen Artikel der Soldatenzeitnng veranlaßt, in welchem bereits einmal der
Graf Clam seine Stimme gegen die Bureaukratie erhob. Haynau schimpft auf
der Reise über die demagogischen oder demokratischen Minister; er ist noch nicht
mit sich einig, welches Beiwort passender ist. In allen Offizierskreiscu der Armee
werden die Chancen ventilirt, die ein Versuch zum Sturz der Minister haben
konnte. Es bedarf des leisesten Winkes des Kaisers, und seine Räthe fliegen mit
ihrer octroyirtcn Verfassung und allem Ordonnanzenbrimborium -- in alle Winde.
-- Ein Soldat, Cr., schreibt zwei Spalten darüber, daß der Staatsanwalt bei
einer Bezirksgcrichts-Verhandlung einen eintretenden Unteroffizier auf das Gesetz auf¬
merksam machte, welches die Ablegung der Waffe aubefichlt. Ueber diese Anmaßung der
k. Staatsbeamten schüttet ein k. Offizier seine ganze Entrüstung aus, und zwar im be-
lagerungsznständischen Wien in einer Soldatenzeitnng. Mit Emphase ruft Cr. aus:
"Cousequcuterweise hätte jedem Offizier ein Gleiches geschehen können!" Also
ein Offizier hat das vom Kaiser sanctionirte Gesetz nicht zu befolgen!! -- Hierauf
folgt aber eine Stelle, welche den revolutionären Geist gewisser Offiziere gegen
die bestehende Ordnung zu sehr charakterifirt, als daß wir sie übergehen dürften.
"Wir können solche Anmaßungen (!) nur erwähnen, um unsern Beifall dem sinn¬
reichen Einfalle des untergeordneten (!) Gliedes der unter der Aegide einer so¬
genannten (^Verantwortlichkeit stehenden Büreaucratie (!) nicht zu versagen; eines
Beamtenheeres, das, als dessen Adjüstirung verhandelt wurde, wahrscheinlich in der
Erinnerung an manche glorreiche Nationalgardendienste im Jahre 18-58 nicht genug
kriegerische Attribute und Rangesauszeichnnngen von derselben erlangen konnte (!!),
um mit diesen ans das hohe Pferd sich zu setzen, uoch ohne reiten zu können,
und von welchen Mancher nicht bedenkt, daß, wenn man den Herrn spielen (!)


die Gemüther zu gewinnen, die gesetzliche Ordnung festzustellen, das Vertrauen
für Kaiser und Regierung neu zu beleben, auch nur um Geringsten zu erfüllen
vermocht. Sie waren und siud noch Könige ohne Königstitel, aber auch ohne
königlichen Sinn, sondern wie die revolutionären Gewalthaber der ersten franzö¬
sischen Erhebung wollten sie durch Terrorismus die ausgerenkten Glieder des
Staates zurechtlegen. Ausfahren das Volk bei dieser schmerzhaften Operation,
jedoch dieses Schreien wird wieder für Empörung und. böse Gesinnung erklärt,
während es doch nur die Folge des ungeschickten Arztes ist, der seine Unkenntnis)
durch eine rohe Procedur verdecken will. — Aber nicht blos der Staat und das
Volk ächzt uuter der Contrerevolution der Armee, auch die Negierung und der
Monarch. Haynau's Enthebung war nur ein Schlag aus den Sack; es war
auch eine terroristische Maßregel, um die allüberall auftauchenden Herrschgelüste
kleinerer ^leer Lgos mit einem Streiche abzuwenden. Das Ministerium boxt,
seitdem es das Portefeuille übernahm, mit den Schwcrtsührern, und uoch wissen
wir nicht, welche Fäuste besser treffen. Noch mancher Gang wird gemacht wer¬
den müssen, aber der Ausgang ist zweifelhaft. — Wir sind zu diesem Rückblick
dnrch einen Artikel der Soldatenzeitnng veranlaßt, in welchem bereits einmal der
Graf Clam seine Stimme gegen die Bureaukratie erhob. Haynau schimpft auf
der Reise über die demagogischen oder demokratischen Minister; er ist noch nicht
mit sich einig, welches Beiwort passender ist. In allen Offizierskreiscu der Armee
werden die Chancen ventilirt, die ein Versuch zum Sturz der Minister haben
konnte. Es bedarf des leisesten Winkes des Kaisers, und seine Räthe fliegen mit
ihrer octroyirtcn Verfassung und allem Ordonnanzenbrimborium — in alle Winde.
— Ein Soldat, Cr., schreibt zwei Spalten darüber, daß der Staatsanwalt bei
einer Bezirksgcrichts-Verhandlung einen eintretenden Unteroffizier auf das Gesetz auf¬
merksam machte, welches die Ablegung der Waffe aubefichlt. Ueber diese Anmaßung der
k. Staatsbeamten schüttet ein k. Offizier seine ganze Entrüstung aus, und zwar im be-
lagerungsznständischen Wien in einer Soldatenzeitnng. Mit Emphase ruft Cr. aus:
„Cousequcuterweise hätte jedem Offizier ein Gleiches geschehen können!" Also
ein Offizier hat das vom Kaiser sanctionirte Gesetz nicht zu befolgen!! — Hierauf
folgt aber eine Stelle, welche den revolutionären Geist gewisser Offiziere gegen
die bestehende Ordnung zu sehr charakterifirt, als daß wir sie übergehen dürften.
„Wir können solche Anmaßungen (!) nur erwähnen, um unsern Beifall dem sinn¬
reichen Einfalle des untergeordneten (!) Gliedes der unter der Aegide einer so¬
genannten (^Verantwortlichkeit stehenden Büreaucratie (!) nicht zu versagen; eines
Beamtenheeres, das, als dessen Adjüstirung verhandelt wurde, wahrscheinlich in der
Erinnerung an manche glorreiche Nationalgardendienste im Jahre 18-58 nicht genug
kriegerische Attribute und Rangesauszeichnnngen von derselben erlangen konnte (!!),
um mit diesen ans das hohe Pferd sich zu setzen, uoch ohne reiten zu können,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/357>, abgerufen am 06.10.2024.