Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.die Todesstrafe für einige Dutzend Verbrechen abgeschafft worden, und wird der¬ Nach dieser Abschweifung kehren wir zu den politischen Vergehen und ihrer Das Wort Hochverrath, so schrecklich in seinem Klange, hat denn mit Doch eben weil die englische Gesetzgebung den Begriff-des Hochverraths 29*
die Todesstrafe für einige Dutzend Verbrechen abgeschafft worden, und wird der¬ Nach dieser Abschweifung kehren wir zu den politischen Vergehen und ihrer Das Wort Hochverrath, so schrecklich in seinem Klange, hat denn mit Doch eben weil die englische Gesetzgebung den Begriff-des Hochverraths 29*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85818"/> <p xml:id="ID_775" prev="#ID_774"> die Todesstrafe für einige Dutzend Verbrechen abgeschafft worden, und wird der¬<lb/> mal nur für vorsätzlichen, wohl erwiesenen Mord vollstreckt.</p><lb/> <p xml:id="ID_776"> Nach dieser Abschweifung kehren wir zu den politischen Vergehen und ihrer<lb/> Behandlung zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_777"> Das Wort Hochverrath, so schrecklich in seinem Klange, hat denn mit<lb/> uns Neuem seine Bedeutung verloren. Ein General, ein Minister, der die ihm<lb/> anvertrauten Pläne und Geheimnisse dem Feinde verräth — nur der kann<lb/> und sollte ein Hochverräther genannt werden, denn dazu gehört denn doch, daß<lb/> Etwas verrathen werde, und noch dazu etwas Großes, Hohes. Daß man<lb/> daher dermal arme (und manchmal wirklich armselige) oavriors des Hochverraths<lb/> anklagt oder gar bestraft, zeigt, daß der Begriff, wie eine Krankheitsform, an¬<lb/> fängt lax zu werden, um endlich ganz zu verschwinden. In England war, in<lb/> letzter Zeit, uur Frost und seiue Genossen, so wie auch die irischen Aufständler<lb/> Mitchell und Meagten des Hochverraths beschuldigt; in alleu andern Fällen mit<lb/> Lorett-, F. O'Connor, Fnssell und andern Chartisten hatte man sich mit der<lb/> Anklage ans Sedition begnügt. Denn nur die erstern hatten versucht Krieg gegen<lb/> die Königin zu sichren (to Isvv var), welchen der Begriff von Hochverrath be¬<lb/> dingt. Aber auch in den letztem Fällen waren die ausgesprochenen Strafen<lb/> und deren Vollstreckung schrecklich. Viele dieser armen Menschen wurden in<lb/> den dousss ok correction furchtbar gepeinigt, manche verloren ihren Verstand,<lb/> andere starben elend.</p><lb/> <p xml:id="ID_778" next="#ID_779"> Doch eben weil die englische Gesetzgebung den Begriff-des Hochverraths<lb/> (lliZ'K troason) als einen Kriegsakt gegen den Monarchen erklärt, benimmt sie<lb/> sich selbst jeden planstblen Grund, die diesem Gesetz Unterfallenden eben anders<lb/> als wie Kriegsgefangene zu behandeln. Endlich haben in England alle gehässigen<lb/> Verfolgungen und Bestrebungen politischer Insurgenten einen sehr widerlichen<lb/> Beigeschmack — indem ja das ganze dermalige Regierungssystem auf einer glor¬<lb/> reichen (weil erfolgreichen) Revolution, Ms gloiious Revolution vom.Jahre IKK9<lb/> basirt, wodurch das königliche Haus der Stuart aus England vertrieben wurde.<lb/> Da endlich das Associatious- und Petitionsrecht in England ziemlich ungeschmälert<lb/> besteht — so läßt sich zwischen einem Zuge von 100,000 Bittenden (wie zur Zeit<lb/> der Neformagitation) und 1000 Drohenden nicht wohl eine Grenzlinie ziehen. —<lb/> Die Verurtheilungen endlich des Jahres 1868 wegen einiger aufreizenden Reden<lb/> der Chartisten, tragen das Gepräge großer Willkür und Animosität. Besonders<lb/> litt dadurch Fussel, ein Goldarbeiter, dessen Familie von den Schweizer Fusely's<lb/> herstammen soll. Endlich wird in England Alles auf Geld reducirt, wer von den<lb/> Verurtheilten seine Kost (15 Schillinge wöchentlich) bezahlte, war vom Tcm-<lb/> zerznpfen frei; so wie das Geld ausblieb, mußte wieder gearbeitet werden. Neben<lb/> großen Akteir der Humanität finden wir denn doch auch in der Geschichte des<lb/> neuern Englands Züge großer Grausamkeit, und erinnern uns der härtesten Be-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 29*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
die Todesstrafe für einige Dutzend Verbrechen abgeschafft worden, und wird der¬
mal nur für vorsätzlichen, wohl erwiesenen Mord vollstreckt.
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu den politischen Vergehen und ihrer
Behandlung zurück.
Das Wort Hochverrath, so schrecklich in seinem Klange, hat denn mit
uns Neuem seine Bedeutung verloren. Ein General, ein Minister, der die ihm
anvertrauten Pläne und Geheimnisse dem Feinde verräth — nur der kann
und sollte ein Hochverräther genannt werden, denn dazu gehört denn doch, daß
Etwas verrathen werde, und noch dazu etwas Großes, Hohes. Daß man
daher dermal arme (und manchmal wirklich armselige) oavriors des Hochverraths
anklagt oder gar bestraft, zeigt, daß der Begriff, wie eine Krankheitsform, an¬
fängt lax zu werden, um endlich ganz zu verschwinden. In England war, in
letzter Zeit, uur Frost und seiue Genossen, so wie auch die irischen Aufständler
Mitchell und Meagten des Hochverraths beschuldigt; in alleu andern Fällen mit
Lorett-, F. O'Connor, Fnssell und andern Chartisten hatte man sich mit der
Anklage ans Sedition begnügt. Denn nur die erstern hatten versucht Krieg gegen
die Königin zu sichren (to Isvv var), welchen der Begriff von Hochverrath be¬
dingt. Aber auch in den letztem Fällen waren die ausgesprochenen Strafen
und deren Vollstreckung schrecklich. Viele dieser armen Menschen wurden in
den dousss ok correction furchtbar gepeinigt, manche verloren ihren Verstand,
andere starben elend.
Doch eben weil die englische Gesetzgebung den Begriff-des Hochverraths
(lliZ'K troason) als einen Kriegsakt gegen den Monarchen erklärt, benimmt sie
sich selbst jeden planstblen Grund, die diesem Gesetz Unterfallenden eben anders
als wie Kriegsgefangene zu behandeln. Endlich haben in England alle gehässigen
Verfolgungen und Bestrebungen politischer Insurgenten einen sehr widerlichen
Beigeschmack — indem ja das ganze dermalige Regierungssystem auf einer glor¬
reichen (weil erfolgreichen) Revolution, Ms gloiious Revolution vom.Jahre IKK9
basirt, wodurch das königliche Haus der Stuart aus England vertrieben wurde.
Da endlich das Associatious- und Petitionsrecht in England ziemlich ungeschmälert
besteht — so läßt sich zwischen einem Zuge von 100,000 Bittenden (wie zur Zeit
der Neformagitation) und 1000 Drohenden nicht wohl eine Grenzlinie ziehen. —
Die Verurtheilungen endlich des Jahres 1868 wegen einiger aufreizenden Reden
der Chartisten, tragen das Gepräge großer Willkür und Animosität. Besonders
litt dadurch Fussel, ein Goldarbeiter, dessen Familie von den Schweizer Fusely's
herstammen soll. Endlich wird in England Alles auf Geld reducirt, wer von den
Verurtheilten seine Kost (15 Schillinge wöchentlich) bezahlte, war vom Tcm-
zerznpfen frei; so wie das Geld ausblieb, mußte wieder gearbeitet werden. Neben
großen Akteir der Humanität finden wir denn doch auch in der Geschichte des
neuern Englands Züge großer Grausamkeit, und erinnern uns der härtesten Be-
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