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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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gelegenheit vertagen, mehr Zeugen vorladen; oder den Beklagten sogleich
lossprechen ("Zigmiss tke cuse); oder endlich einen Erschcinungs- oder
Verhaftsbefehl gegen denselben erlassen. Mit der Exekution der letztern wird
ein Constable beordert, welcher den Erscheinungsbefehl im Hause abgibt, oder
Anstalten macht, des zu Verhaftenden habhaft zu werde", wozu er einen Warrant
(Vollmacht) vom Polizei-Magistrate unterzeichnet und besiegelt erhält. Mit
dieser kann er nun den Beschuldigten überall, zu Hause oder auf der Straße
arretiren, im ersten Falle nur bei Tage, denn bei Nacht darf man das Haus
eines Engländers blos auf Hilferuf von innen vivliren. Schon ans dem Gange
oder der Fahrt nach dein Gefängniß kann der Verhaftete bei Freunden vorkommen,
und ihnen Behuf der Haftung (halt) Mittheilungen machen. In vielen Fällen
hat selbst der Vorsteher des Gefängnisses das Recht, einen Verhafteten sogleich
gegen Bürgschaft zu entlassen. Ist es aber die Zeit, wo ?oIic,s 0om't gehalten
wird (gewöhnlich von 9 bis 4 oder 6), so wird der Arretirte sogleich vor die
Magistratsperson gebracht; sonst aber freilich bis zur nächsten Sitzung eingesperrt.
Wird Jemand vor die?vue<z Court gebracht, so hat er auch das Recht einen
Advocaten und die Entlastungszeugen bei sich zu haben. Solche Verhand¬
lungen enden entweder in Vertagung oder Lossprechung; in einem Urteils¬
spruche (in kleineren Vergehen -- die sogenannte suminui-z? pi-oeeäure), oder
dem Verweisen an die eigentlichen Gerichte. So wie nun selbst längere Ver¬
handlungen vor sich gehen können, während der Untersuchte sich auf freiem Fuße
befindet; so kann auch bei einem Verwiesenwerdeu an die eigentlichen Gerichte
eine Freilassung gegen Bürgschaft stattfinden, sich vor den letztern zu stellen.
Man sieht also, wie die englische Gesetzgebung dafür gesorgt hat, selbst den mit
mehr oder weniger Grunde Beschuldigten nur im äußersten Falle seiner Freiheit
zu berauben; von Caprice-Einsperrungen, wie sie im Polizeistaate gäng und gäbe
sind, kann dort keine Rede sein. Charakteristisch war daher die Antwort, die Königin
Anna einem fremden Gesandten geben ließ, der von ihr eine Satisfaction für irgend
ein ihm zugefügtes Unrecht forderte: "die Regenten von England haben nicht das
Recht, -- selbst dem geringsten Bürger irgend auch nur die geringste Strafe zu diktiren."
Nachdem Verlust der persönlichen Freiheit ist einem Freien die, Durchsuchung seines
Hauses das Widerwärtigste. Der von altersher geltende britische Grundsatz:
"eines Engländers Hans sei seine Feste (oastle)," bekräftigt diese Annahme.
Hausdurchsuchungen unterliegen denselben Formalitäten als die Arretirung
eines Bürgers. Die Regierung oder Private (die erste durch ihre Agenten)
muß vor einem Polizeimagistrate erscheinen und beschwören, in irgend einem an¬
gegebenen Locale befänden sich eine verbrechens-bezüchtige Person oder Personen,
Güter oder Effekten die dem Gesetze verfallen sind. Erscheinen diese Aussagen
genügend, so wird eine Durchsnchungs-Vollmacht (variant ok 8<zaiel>) ertheilt,
deren Ausführung aber wieder vielen Beschränkungen unterliegt, die wir nicht


gelegenheit vertagen, mehr Zeugen vorladen; oder den Beklagten sogleich
lossprechen («Zigmiss tke cuse); oder endlich einen Erschcinungs- oder
Verhaftsbefehl gegen denselben erlassen. Mit der Exekution der letztern wird
ein Constable beordert, welcher den Erscheinungsbefehl im Hause abgibt, oder
Anstalten macht, des zu Verhaftenden habhaft zu werde», wozu er einen Warrant
(Vollmacht) vom Polizei-Magistrate unterzeichnet und besiegelt erhält. Mit
dieser kann er nun den Beschuldigten überall, zu Hause oder auf der Straße
arretiren, im ersten Falle nur bei Tage, denn bei Nacht darf man das Haus
eines Engländers blos auf Hilferuf von innen vivliren. Schon ans dem Gange
oder der Fahrt nach dein Gefängniß kann der Verhaftete bei Freunden vorkommen,
und ihnen Behuf der Haftung (halt) Mittheilungen machen. In vielen Fällen
hat selbst der Vorsteher des Gefängnisses das Recht, einen Verhafteten sogleich
gegen Bürgschaft zu entlassen. Ist es aber die Zeit, wo ?oIic,s 0om't gehalten
wird (gewöhnlich von 9 bis 4 oder 6), so wird der Arretirte sogleich vor die
Magistratsperson gebracht; sonst aber freilich bis zur nächsten Sitzung eingesperrt.
Wird Jemand vor die?vue<z Court gebracht, so hat er auch das Recht einen
Advocaten und die Entlastungszeugen bei sich zu haben. Solche Verhand¬
lungen enden entweder in Vertagung oder Lossprechung; in einem Urteils¬
spruche (in kleineren Vergehen — die sogenannte suminui-z? pi-oeeäure), oder
dem Verweisen an die eigentlichen Gerichte. So wie nun selbst längere Ver¬
handlungen vor sich gehen können, während der Untersuchte sich auf freiem Fuße
befindet; so kann auch bei einem Verwiesenwerdeu an die eigentlichen Gerichte
eine Freilassung gegen Bürgschaft stattfinden, sich vor den letztern zu stellen.
Man sieht also, wie die englische Gesetzgebung dafür gesorgt hat, selbst den mit
mehr oder weniger Grunde Beschuldigten nur im äußersten Falle seiner Freiheit
zu berauben; von Caprice-Einsperrungen, wie sie im Polizeistaate gäng und gäbe
sind, kann dort keine Rede sein. Charakteristisch war daher die Antwort, die Königin
Anna einem fremden Gesandten geben ließ, der von ihr eine Satisfaction für irgend
ein ihm zugefügtes Unrecht forderte: „die Regenten von England haben nicht das
Recht, — selbst dem geringsten Bürger irgend auch nur die geringste Strafe zu diktiren."
Nachdem Verlust der persönlichen Freiheit ist einem Freien die, Durchsuchung seines
Hauses das Widerwärtigste. Der von altersher geltende britische Grundsatz:
„eines Engländers Hans sei seine Feste (oastle)," bekräftigt diese Annahme.
Hausdurchsuchungen unterliegen denselben Formalitäten als die Arretirung
eines Bürgers. Die Regierung oder Private (die erste durch ihre Agenten)
muß vor einem Polizeimagistrate erscheinen und beschwören, in irgend einem an¬
gegebenen Locale befänden sich eine verbrechens-bezüchtige Person oder Personen,
Güter oder Effekten die dem Gesetze verfallen sind. Erscheinen diese Aussagen
genügend, so wird eine Durchsnchungs-Vollmacht (variant ok 8<zaiel>) ertheilt,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/232>, abgerufen am 01.09.2024.