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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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besser. Alle Ausländer, welche in anderen Staaten kein Unterkommen finden
können, strömen dem östreichischen Heere zu und finden dort leichte Anstellung,
wenn sie mir einen vornehmen Namen oder sonstige gute Empfehlungen mitbringen.

Ein Uebelstand, der viel dazu beiträgt, der Bevölkerung die Last der Ein¬
quartierung noch drückender zu machen, ist die Neigung vieler Soldaten, beson¬
ders aus den böhmischen und polnischen Regimentern, zum Diebstahl. Selbst die
harten Strafen deS Spicßruthenlanfeuö und der Stockschläge, die unnachsichtlich
stattfinden, sobald der Schuldige entdeckt wird, werden diese Diebstähle nie unter¬
drücken, sobald mau den Bestraften hernach ohne Weiteres wieder in das Regi¬
ment eintreten läßt; dies ist aber in Oestreich uoch der Fall, und der Soldat, der
eben vielleicht hundert Stockschläge wegen gemeinen Diebstahls erhalreu hat, tritt
gleich danach wieder in die Reihen seiner Kameraden zurück, ohne daß seiner mili¬
tärischen Ehre dadurch im Mindesten Abbruch geschehen ist. Auch in der Annahme
der Rekruten ist man bei den Regimentern nicht eben sehr wählerisch, und gar
Manche treten in dieselben ein, die vorher schon wegen der gemeinsten Verbrechen
einen Lehrkursus in den Gefängnissen durchgemacht hatten. Wie viel höher steht
in dieser Beziehung die preußische Armee, wo kein Soldat, der jemals einen Dieb¬
stahl oder ein anderes entehrendes Verbrechen begangen hat, wieder mit seinen
Kameraden in Reih und Glied treten darf, sondern seine Dienstzeit als Sträf¬
ling in einer Festungscompagnie addieren muß.

Fröhliches Jodeln wird der Reisende jetzt selten mehr von den Bergen
schallen hören, und die gutmüthige Freundlichkeit, die früher hier so wohlthat,
wird man jetzt nur bei sehr vereinzelten Personen mehr finden. Auch der Fleiß
im Landbau und in den Gewerben nimmt ab; denn der Bürger und Bauer wird
es überdrüssig, Anstrengungen zu machen, da die Geistlichen wie Soldaten doch
die besten Früchte davon genießen, ihm selbst aber eine gar spärliche Nachlese
davon übrig bleibt. Deshalb sind auch fast alle Gewerbe mit geringen Ausnahmen
in dem elendesten Zustand, und selbst Insbruck muß in dieser Hinsicht hinter mancher
kleinen sächsischen und rheinischen Landstadt zurückstehen. Der Ackerbau wird
übrigens größteuthnls noch ans eine Weise getrieben, daß ein rationeller englischer
oder norddeutscher Landwirth es kaum wird begreifen können, wie solche Vergeu¬
dung von Meuschen- und Thierlräftcu nur möglich sein könne. Man fühlt es
im Volke tief, daß man dem unabweislichen Verderben preisgegeben wird, wenn
nicht bald eine Aenderung eintritt, und häufig hört man von schlichten Bauern
die Rede: "Haben wir das um das Haus Oestreich verdient?" oder "Weil wir
im Jahr 48 so ruhig geblieben sind, hat man uns jetzt so viel Soldaten geschickt,
daß sie den letzten Kreuzer aus dem Sack uus verzehren."

Der Fremdenbesuch, sonst so zahlreich hier, ist jetzt nur gering. Die Rei¬
senden scheuen mit Recht, in diese, einer Festung gleich, mit Soldaten vollge¬
pfropften Thäler zu kommen, da alle besseren Lokalitäten in den Wirthshäusern


besser. Alle Ausländer, welche in anderen Staaten kein Unterkommen finden
können, strömen dem östreichischen Heere zu und finden dort leichte Anstellung,
wenn sie mir einen vornehmen Namen oder sonstige gute Empfehlungen mitbringen.

Ein Uebelstand, der viel dazu beiträgt, der Bevölkerung die Last der Ein¬
quartierung noch drückender zu machen, ist die Neigung vieler Soldaten, beson¬
ders aus den böhmischen und polnischen Regimentern, zum Diebstahl. Selbst die
harten Strafen deS Spicßruthenlanfeuö und der Stockschläge, die unnachsichtlich
stattfinden, sobald der Schuldige entdeckt wird, werden diese Diebstähle nie unter¬
drücken, sobald mau den Bestraften hernach ohne Weiteres wieder in das Regi¬
ment eintreten läßt; dies ist aber in Oestreich uoch der Fall, und der Soldat, der
eben vielleicht hundert Stockschläge wegen gemeinen Diebstahls erhalreu hat, tritt
gleich danach wieder in die Reihen seiner Kameraden zurück, ohne daß seiner mili¬
tärischen Ehre dadurch im Mindesten Abbruch geschehen ist. Auch in der Annahme
der Rekruten ist man bei den Regimentern nicht eben sehr wählerisch, und gar
Manche treten in dieselben ein, die vorher schon wegen der gemeinsten Verbrechen
einen Lehrkursus in den Gefängnissen durchgemacht hatten. Wie viel höher steht
in dieser Beziehung die preußische Armee, wo kein Soldat, der jemals einen Dieb¬
stahl oder ein anderes entehrendes Verbrechen begangen hat, wieder mit seinen
Kameraden in Reih und Glied treten darf, sondern seine Dienstzeit als Sträf¬
ling in einer Festungscompagnie addieren muß.

Fröhliches Jodeln wird der Reisende jetzt selten mehr von den Bergen
schallen hören, und die gutmüthige Freundlichkeit, die früher hier so wohlthat,
wird man jetzt nur bei sehr vereinzelten Personen mehr finden. Auch der Fleiß
im Landbau und in den Gewerben nimmt ab; denn der Bürger und Bauer wird
es überdrüssig, Anstrengungen zu machen, da die Geistlichen wie Soldaten doch
die besten Früchte davon genießen, ihm selbst aber eine gar spärliche Nachlese
davon übrig bleibt. Deshalb sind auch fast alle Gewerbe mit geringen Ausnahmen
in dem elendesten Zustand, und selbst Insbruck muß in dieser Hinsicht hinter mancher
kleinen sächsischen und rheinischen Landstadt zurückstehen. Der Ackerbau wird
übrigens größteuthnls noch ans eine Weise getrieben, daß ein rationeller englischer
oder norddeutscher Landwirth es kaum wird begreifen können, wie solche Vergeu¬
dung von Meuschen- und Thierlräftcu nur möglich sein könne. Man fühlt es
im Volke tief, daß man dem unabweislichen Verderben preisgegeben wird, wenn
nicht bald eine Aenderung eintritt, und häufig hört man von schlichten Bauern
die Rede: „Haben wir das um das Haus Oestreich verdient?" oder „Weil wir
im Jahr 48 so ruhig geblieben sind, hat man uns jetzt so viel Soldaten geschickt,
daß sie den letzten Kreuzer aus dem Sack uus verzehren."

Der Fremdenbesuch, sonst so zahlreich hier, ist jetzt nur gering. Die Rei¬
senden scheuen mit Recht, in diese, einer Festung gleich, mit Soldaten vollge¬
pfropften Thäler zu kommen, da alle besseren Lokalitäten in den Wirthshäusern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/197>, abgerufen am 27.07.2024.