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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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letzte Wort, halb abgebrochen, übertäubte ein Chaos furchtbarer Laute. Kaum
hatten wir Zeit, unfern Jubel über die anscheinende Niederlage des Geyser zu
flüstern, als die Corvette, Herankrenzend, ganze Breitseiten speiend, der Ueber-
macht den Sieg zu sichern strebte. Auf hundert Stellen mit einmal flammte das
Meer auf, Luft und See schienen von gleicher Farbe, und unser Boot schien be¬
graben unter einem Sprühregen glühender Kngeln und platzender Bomben. Ich
glaubte in diesem Moment, daß ich nie wieder hören würde, um bald entränscht
zu werden. Eine Pause trat ein, Finsterniß legte sich über die Rhede, nur die
Masten der Corvette waren halb sichtbar, und mitten in dieser herzbeklemmenden
Stille erhob sich ein Concert, das mir ewig in den Ohren klingen wird; die
braven Kanoniere in den Schanzen heulten nämlich vor Wuth und Schmerz, daß
sie ihren Kameraden auf dem Wasser nicht zu Hilfe kommen konnten, und ans
Sierksdorf, wohin einige Bomben geflogen waren, gellte ein gräßliches Angst-
geschrei. Da zog Lange's Boot unsere Aufmerksamkeit auf sich, Flammen leckten
an seinem Hintertheil. Verloren! Verloren! hauchten meine Nachbarn, -- Hurrah!
scholl es drei Mal zum Himmel, darauf ein Ruck, wie beim Erdbeben, ein Krach!
und auf zu den Wolken flog das Boot, noch im Flug standen die drei Maste
aufrecht in Reih und Glied wie tapfere Soldaten, dann fielen drei seinige Garben
auf Meer und Land. Er hatte sich in die Luft gesprengt. Ein Schrei des Ent¬
setzens, dann war Alles M, nur die Korvette gab uoch eine volle Lage, als wollte
sie die Helden bis ins Grab verfolgen. Verlangen Sie nicht, daß ich Ihnen
meine Empfindungen jenes Augenblicks zu schildern versuche. Auf einem Umwege
rannten wir nach der andern Seite des Wassers, um zu sehen, ob Jemand zu
retten sei. Einige weinten wie die Kinder, Andere fluchten und knirschten;
mögen die Verwünschungen, die da ans Lübeck und auf ein Dutzend deutsche
Throne regneten, sich nicht erfüllen. Um 2 Uhr war die Explosion erfolgt; als
es graute, kamen wir nach der Schanze und rieben uns die Augen über die
unerwartete Kunde. Kein Mann von Lange's Leuten war gefallen, nur Ver¬
wundungen gab es. Auf dem Heimwege in den Straßen der Stadt begegneten
wir einem 12jährigen Schiffsjungen, dem ein Holzsplitter die halbe Oberlippe
abgerissen hatte; er schien's nicht zu achten, sondern sagte uns fröhlich, daß er
all sein Zeug gerettet. Zum Beweise hielt er ein Paar Stiefeln in die Hohe,
die er in der Rechten trug.

Nachschrift. So eben höre ich Näheres über den Gang des Gefechtes
aus dem Munde einiger Seeleute, deren Gesichter noch von Pulver geschwärzt
sind. Der holsteiner Schraubendampfer, welcher nach v. d. Tann getauft werden
sollte, brachte dem Geyser schwere Verletzungen bei, zertrümmerte ihm einen Rad¬
kasten und zündete im Rippenwerk. Darauf zog sich der Geyser zurück, und be¬
gann ans der einen Seite zu löschen, während seine andere von dem Holsteiner
warm beschossen ward. Als "von d. Tann" aber seinen Vortheil zu hitzig ver-


letzte Wort, halb abgebrochen, übertäubte ein Chaos furchtbarer Laute. Kaum
hatten wir Zeit, unfern Jubel über die anscheinende Niederlage des Geyser zu
flüstern, als die Corvette, Herankrenzend, ganze Breitseiten speiend, der Ueber-
macht den Sieg zu sichern strebte. Auf hundert Stellen mit einmal flammte das
Meer auf, Luft und See schienen von gleicher Farbe, und unser Boot schien be¬
graben unter einem Sprühregen glühender Kngeln und platzender Bomben. Ich
glaubte in diesem Moment, daß ich nie wieder hören würde, um bald entränscht
zu werden. Eine Pause trat ein, Finsterniß legte sich über die Rhede, nur die
Masten der Corvette waren halb sichtbar, und mitten in dieser herzbeklemmenden
Stille erhob sich ein Concert, das mir ewig in den Ohren klingen wird; die
braven Kanoniere in den Schanzen heulten nämlich vor Wuth und Schmerz, daß
sie ihren Kameraden auf dem Wasser nicht zu Hilfe kommen konnten, und ans
Sierksdorf, wohin einige Bomben geflogen waren, gellte ein gräßliches Angst-
geschrei. Da zog Lange's Boot unsere Aufmerksamkeit auf sich, Flammen leckten
an seinem Hintertheil. Verloren! Verloren! hauchten meine Nachbarn, — Hurrah!
scholl es drei Mal zum Himmel, darauf ein Ruck, wie beim Erdbeben, ein Krach!
und auf zu den Wolken flog das Boot, noch im Flug standen die drei Maste
aufrecht in Reih und Glied wie tapfere Soldaten, dann fielen drei seinige Garben
auf Meer und Land. Er hatte sich in die Luft gesprengt. Ein Schrei des Ent¬
setzens, dann war Alles M, nur die Korvette gab uoch eine volle Lage, als wollte
sie die Helden bis ins Grab verfolgen. Verlangen Sie nicht, daß ich Ihnen
meine Empfindungen jenes Augenblicks zu schildern versuche. Auf einem Umwege
rannten wir nach der andern Seite des Wassers, um zu sehen, ob Jemand zu
retten sei. Einige weinten wie die Kinder, Andere fluchten und knirschten;
mögen die Verwünschungen, die da ans Lübeck und auf ein Dutzend deutsche
Throne regneten, sich nicht erfüllen. Um 2 Uhr war die Explosion erfolgt; als
es graute, kamen wir nach der Schanze und rieben uns die Augen über die
unerwartete Kunde. Kein Mann von Lange's Leuten war gefallen, nur Ver¬
wundungen gab es. Auf dem Heimwege in den Straßen der Stadt begegneten
wir einem 12jährigen Schiffsjungen, dem ein Holzsplitter die halbe Oberlippe
abgerissen hatte; er schien's nicht zu achten, sondern sagte uns fröhlich, daß er
all sein Zeug gerettet. Zum Beweise hielt er ein Paar Stiefeln in die Hohe,
die er in der Rechten trug.

Nachschrift. So eben höre ich Näheres über den Gang des Gefechtes
aus dem Munde einiger Seeleute, deren Gesichter noch von Pulver geschwärzt
sind. Der holsteiner Schraubendampfer, welcher nach v. d. Tann getauft werden
sollte, brachte dem Geyser schwere Verletzungen bei, zertrümmerte ihm einen Rad¬
kasten und zündete im Rippenwerk. Darauf zog sich der Geyser zurück, und be¬
gann ans der einen Seite zu löschen, während seine andere von dem Holsteiner
warm beschossen ward. Als „von d. Tann" aber seinen Vortheil zu hitzig ver-


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[0186] letzte Wort, halb abgebrochen, übertäubte ein Chaos furchtbarer Laute. Kaum hatten wir Zeit, unfern Jubel über die anscheinende Niederlage des Geyser zu flüstern, als die Corvette, Herankrenzend, ganze Breitseiten speiend, der Ueber- macht den Sieg zu sichern strebte. Auf hundert Stellen mit einmal flammte das Meer auf, Luft und See schienen von gleicher Farbe, und unser Boot schien be¬ graben unter einem Sprühregen glühender Kngeln und platzender Bomben. Ich glaubte in diesem Moment, daß ich nie wieder hören würde, um bald entränscht zu werden. Eine Pause trat ein, Finsterniß legte sich über die Rhede, nur die Masten der Corvette waren halb sichtbar, und mitten in dieser herzbeklemmenden Stille erhob sich ein Concert, das mir ewig in den Ohren klingen wird; die braven Kanoniere in den Schanzen heulten nämlich vor Wuth und Schmerz, daß sie ihren Kameraden auf dem Wasser nicht zu Hilfe kommen konnten, und ans Sierksdorf, wohin einige Bomben geflogen waren, gellte ein gräßliches Angst- geschrei. Da zog Lange's Boot unsere Aufmerksamkeit auf sich, Flammen leckten an seinem Hintertheil. Verloren! Verloren! hauchten meine Nachbarn, — Hurrah! scholl es drei Mal zum Himmel, darauf ein Ruck, wie beim Erdbeben, ein Krach! und auf zu den Wolken flog das Boot, noch im Flug standen die drei Maste aufrecht in Reih und Glied wie tapfere Soldaten, dann fielen drei seinige Garben auf Meer und Land. Er hatte sich in die Luft gesprengt. Ein Schrei des Ent¬ setzens, dann war Alles M, nur die Korvette gab uoch eine volle Lage, als wollte sie die Helden bis ins Grab verfolgen. Verlangen Sie nicht, daß ich Ihnen meine Empfindungen jenes Augenblicks zu schildern versuche. Auf einem Umwege rannten wir nach der andern Seite des Wassers, um zu sehen, ob Jemand zu retten sei. Einige weinten wie die Kinder, Andere fluchten und knirschten; mögen die Verwünschungen, die da ans Lübeck und auf ein Dutzend deutsche Throne regneten, sich nicht erfüllen. Um 2 Uhr war die Explosion erfolgt; als es graute, kamen wir nach der Schanze und rieben uns die Augen über die unerwartete Kunde. Kein Mann von Lange's Leuten war gefallen, nur Ver¬ wundungen gab es. Auf dem Heimwege in den Straßen der Stadt begegneten wir einem 12jährigen Schiffsjungen, dem ein Holzsplitter die halbe Oberlippe abgerissen hatte; er schien's nicht zu achten, sondern sagte uns fröhlich, daß er all sein Zeug gerettet. Zum Beweise hielt er ein Paar Stiefeln in die Hohe, die er in der Rechten trug. Nachschrift. So eben höre ich Näheres über den Gang des Gefechtes aus dem Munde einiger Seeleute, deren Gesichter noch von Pulver geschwärzt sind. Der holsteiner Schraubendampfer, welcher nach v. d. Tann getauft werden sollte, brachte dem Geyser schwere Verletzungen bei, zertrümmerte ihm einen Rad¬ kasten und zündete im Rippenwerk. Darauf zog sich der Geyser zurück, und be¬ gann ans der einen Seite zu löschen, während seine andere von dem Holsteiner warm beschossen ward. Als „von d. Tann" aber seinen Vortheil zu hitzig ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/186>, abgerufen am 27.07.2024.