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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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danach kann der alte Grundsatz der einstimmigen Beschlüsse nicht mehr bestehen,
und wenn Stimmenmehrheit gilt, so muß die Stimmenbcrechtignng nothwcndig
dem Machtverhältniß der Staaten entsprechen. Ebendanach müßte Bayern wieder
weit mehr Stimmen haben als die andern Königreiche, diese als die kleinem
Staaten. Dagegen ist der Plan der Gruppen der ungeeignetste und gefährlichste.
Die Untersteckmig der kleinem Staaten unter einen Mittlern Staat ist sür sie noch
drückender als ihre Unterordnung unter den Einfluß der sämmtlichen großem Mächte
im Plenum, und führte außerdem dazu, Deutschland noch mehr zu zersplittern und
Alliirte sür Frankreich groß zu ziehen. -- Die Union aber würde auch bei solcher
Einfügung in den weiter" Bund noch völlig ihrem Zweck entsprechen, wenn mau
anders diesen in der einheitlichen Legislation sucht, und nicht in dem Glänze des
Parlaments und seiner Führer, der allerdings einen völlig auf sich stehenden und
weltbcherrschenden Bundesstaat voraussetzt. Sollte die Union oder wenigstens die
Unions-Verfassung in ihrem Innern sich auflösen, so geschieht es gewiß nicht hie-
durch. Diese Auflösung könnte nur durch fernem Rücktritt mittlerer Staaten er¬
folgen; denn es möchte wohl noch weiter als blos bis an die Grenze des Mög¬
lichen gehen, anch dann noch ein Unions-Parlament neben und über den preußischen
Kammern fortzuführen. Allein mögen solche Rücktritte ans einer Ueberzeugung von
den Gefahren der Unions-Verfassung hervorgehen, oder aus der Gesinnung, die da
mit Freude" in deu Untergang des Landes dnrch Frankfurter Grundrechte und
Frankfurter Wahlgesetze willigt und nur dynastische Unterordnung nicht erträgt,
jedenfalls sind sie nicht dnrch die Einschränkung der Attribntioncn der Union und
ihre Einfügung in den weitern Bund veranlaßt.

Es wäre das Ordnungsmäßige, daß die Auseinandersetzung des Verhältnisses
mit den übrigen deutschen Staaten, sei es auf diplomatischem, sei es auf schiedsrich¬
terlichen Wege, der Verkündigung der Unionöverfassnng voraus ginge. Ohne das
ist letztere auch ganz vergeblich; denn man könnte nie gegen ein renitentes Unions¬
mitglied Vollstreckung anwenden, da ihm sofort die übrigen deutschen, ja europäi¬
schen Mächte beistehen würden. Was hat man für Zwangsmittel gegen Hannover
und Sachsen, welche würde man gegen Hessen haben? und es wäre nicht anders
gegen die Staaten, die nach gemeinsamer Verkündigung der Verfassung aufträten
oder Gehorsam weigerten.

Vollends unerhört in der Geschichte wäre die Politik, einen Krieg zu sühren,
dazu unter den ungünstigsten innern und äußren Verhältnissen ihn zu sühren,
dessen Siegespreis, im günstigsten Lichte betrachtet, die Befugniß ist, den doktri¬
nären Versuch einer konstitutionellen Buudesstaatsverfassnng machen zu dürfen, in
einem trübem Lichte betrachtet, die Befugniß, ungehindert seine bisherige Macht
kleinern Fürsten und exterritorialen Volksvertretern und souveränen Reichsrichtern
zur Beute geben zu dürfen. Blos ans Rivalität und Ehrenpunkt gegen Oestreich ans
selbstvernichtendem Unternehmen beharren, wäre eine Art Japanesischcn Duell?." --


danach kann der alte Grundsatz der einstimmigen Beschlüsse nicht mehr bestehen,
und wenn Stimmenmehrheit gilt, so muß die Stimmenbcrechtignng nothwcndig
dem Machtverhältniß der Staaten entsprechen. Ebendanach müßte Bayern wieder
weit mehr Stimmen haben als die andern Königreiche, diese als die kleinem
Staaten. Dagegen ist der Plan der Gruppen der ungeeignetste und gefährlichste.
Die Untersteckmig der kleinem Staaten unter einen Mittlern Staat ist sür sie noch
drückender als ihre Unterordnung unter den Einfluß der sämmtlichen großem Mächte
im Plenum, und führte außerdem dazu, Deutschland noch mehr zu zersplittern und
Alliirte sür Frankreich groß zu ziehen. — Die Union aber würde auch bei solcher
Einfügung in den weiter» Bund noch völlig ihrem Zweck entsprechen, wenn mau
anders diesen in der einheitlichen Legislation sucht, und nicht in dem Glänze des
Parlaments und seiner Führer, der allerdings einen völlig auf sich stehenden und
weltbcherrschenden Bundesstaat voraussetzt. Sollte die Union oder wenigstens die
Unions-Verfassung in ihrem Innern sich auflösen, so geschieht es gewiß nicht hie-
durch. Diese Auflösung könnte nur durch fernem Rücktritt mittlerer Staaten er¬
folgen; denn es möchte wohl noch weiter als blos bis an die Grenze des Mög¬
lichen gehen, anch dann noch ein Unions-Parlament neben und über den preußischen
Kammern fortzuführen. Allein mögen solche Rücktritte ans einer Ueberzeugung von
den Gefahren der Unions-Verfassung hervorgehen, oder aus der Gesinnung, die da
mit Freude» in deu Untergang des Landes dnrch Frankfurter Grundrechte und
Frankfurter Wahlgesetze willigt und nur dynastische Unterordnung nicht erträgt,
jedenfalls sind sie nicht dnrch die Einschränkung der Attribntioncn der Union und
ihre Einfügung in den weitern Bund veranlaßt.

Es wäre das Ordnungsmäßige, daß die Auseinandersetzung des Verhältnisses
mit den übrigen deutschen Staaten, sei es auf diplomatischem, sei es auf schiedsrich¬
terlichen Wege, der Verkündigung der Unionöverfassnng voraus ginge. Ohne das
ist letztere auch ganz vergeblich; denn man könnte nie gegen ein renitentes Unions¬
mitglied Vollstreckung anwenden, da ihm sofort die übrigen deutschen, ja europäi¬
schen Mächte beistehen würden. Was hat man für Zwangsmittel gegen Hannover
und Sachsen, welche würde man gegen Hessen haben? und es wäre nicht anders
gegen die Staaten, die nach gemeinsamer Verkündigung der Verfassung aufträten
oder Gehorsam weigerten.

Vollends unerhört in der Geschichte wäre die Politik, einen Krieg zu sühren,
dazu unter den ungünstigsten innern und äußren Verhältnissen ihn zu sühren,
dessen Siegespreis, im günstigsten Lichte betrachtet, die Befugniß ist, den doktri¬
nären Versuch einer konstitutionellen Buudesstaatsverfassnng machen zu dürfen, in
einem trübem Lichte betrachtet, die Befugniß, ungehindert seine bisherige Macht
kleinern Fürsten und exterritorialen Volksvertretern und souveränen Reichsrichtern
zur Beute geben zu dürfen. Blos ans Rivalität und Ehrenpunkt gegen Oestreich ans
selbstvernichtendem Unternehmen beharren, wäre eine Art Japanesischcn Duell?." —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/182>, abgerufen am 27.07.2024.