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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Bürgern zu schaffen. Das ist keine vage Behauptung, es läßt sich beweisen und
praktisch durchfuhren.

An diesem Ort soll am wenigsten verkannt werden, daß durch das neue Ab-
lösnngsgesch anch sür einen Theil der polnischen Oberschlesier die Möglichkeit einer
bessern Zukunft gegeben ist; aber die Wirkungen dieses Gesetzes werden erst in
den nächsten Generationen zu Tage kommen, ja durch die Ablösung werden ge¬
rade in der nächsten Zeit eine große Menge von Stellen zum Verkauf und in
die Hände der größern Grundbesitzer gebracht werden, und für die folgenden
Jahre und das jetzige Geschlecht wird die Anzahl der Bettler und besitzlosen
Tagediebe wahrscheinlich vermehrt werden. Dein Staat liegt deßhalb nicht weniger
die ernste Pflicht ob, durch dilatorische Maßregeln nach großem Plan die auf¬
lebende Generation zur Zucht, Sitte und zu productiver Kraft empor zu heben.
Das kann nur geschehen durch eine Erzielung, welche ti^ Freiheit der Eltern
über ihre Kinder auf zweckmäßige Weife beschränkt, es kann nur geschehn durch
eine Schule, welche das Leben der Kinder vom Morgen bis zum Abend über¬
wacht und dieselben systematisch zu nützlichen Deutschen ausbildet. Das ganze
polnische Wesen in Oberschlesien hat keine Lebensfähigkeit mehr, es ist kein Zu¬
sammenhang zwischen ihm und den polnischen Stämmen, anch nicht der ge¬
ringste, es ist nicht möglich, die Oberschlesier durch ihre Sprache zu Men¬
schen zu machen, denn ihre Sprache ist selbst zu arm an Wörtern und Begriffen.
Ein energisches Einschreiten des Staats aber wird geboten dnrch jede Pflicht der
Menschlichkeit, durch die Rücksicht auf die Gesundheit und Sittlichkeit der ganzen
Provinz. Von den Dorfschulen nud ihren Lehrern, wie sie jetzt sind, ist nichts
zu hoffe". Von der katholischen Geistlichkeit ist ebensowenig zu hoffen. Von
den landräthlichcn Aemtern, welche ohnedieß mit Schreibereien und Bureange¬
schästen überhäuft sind, von der Privatwohlthätigkeit der Gutsbesitzer, welche
entweder kalte Egoisten oder durch den störrigen Trotz der Dorfbewohner erbittert
sind, ist nichts zu hoffen. Gerade der preußische Staat hat aber die Fähigkeit,
ein für solche Fälle höchst praktisches Erziehungssystem einzurichten durch Be¬
nutzung seiner militärischen Kräfte. Wenn jährlich eine Anzahl von Unteroffizie¬
ren und solchen, welche ans Kapitulation gedient haben, nüchterne, verständige
Männer ausgewählt und ein Jahr lang in den Elementen eines einfachen Volks¬
schulwesens, so wie in den nöthigen technischen Fertigkeiten unterrichtet werden, so
müssen diese Männer für unsere Oberschlesier weit bessere Lehrer werden, als
die unglücklichen Seminaristen, denen es fast durchweg an der Haltung fehlt,
welche einer verwahrlosten Dorfgemeinde gegenüber nothwendig ist. Was sie zu
lehren haben, ist: deutsch Sprechen, Lesen, Schreiben, Rechnen, die ersten An¬
fänge der Geographie nud Naturgeschichte, deu Gebrauch vou allerlei Handwerk-
zeug, und ein Turner, welches daraus berechnet ist, dem Knaben den Militärdienst
zu erleichtern. Die Schüler müssen marschiren, und sich in geschlossenen Gliedern


Bürgern zu schaffen. Das ist keine vage Behauptung, es läßt sich beweisen und
praktisch durchfuhren.

An diesem Ort soll am wenigsten verkannt werden, daß durch das neue Ab-
lösnngsgesch anch sür einen Theil der polnischen Oberschlesier die Möglichkeit einer
bessern Zukunft gegeben ist; aber die Wirkungen dieses Gesetzes werden erst in
den nächsten Generationen zu Tage kommen, ja durch die Ablösung werden ge¬
rade in der nächsten Zeit eine große Menge von Stellen zum Verkauf und in
die Hände der größern Grundbesitzer gebracht werden, und für die folgenden
Jahre und das jetzige Geschlecht wird die Anzahl der Bettler und besitzlosen
Tagediebe wahrscheinlich vermehrt werden. Dein Staat liegt deßhalb nicht weniger
die ernste Pflicht ob, durch dilatorische Maßregeln nach großem Plan die auf¬
lebende Generation zur Zucht, Sitte und zu productiver Kraft empor zu heben.
Das kann nur geschehen durch eine Erzielung, welche ti^ Freiheit der Eltern
über ihre Kinder auf zweckmäßige Weife beschränkt, es kann nur geschehn durch
eine Schule, welche das Leben der Kinder vom Morgen bis zum Abend über¬
wacht und dieselben systematisch zu nützlichen Deutschen ausbildet. Das ganze
polnische Wesen in Oberschlesien hat keine Lebensfähigkeit mehr, es ist kein Zu¬
sammenhang zwischen ihm und den polnischen Stämmen, anch nicht der ge¬
ringste, es ist nicht möglich, die Oberschlesier durch ihre Sprache zu Men¬
schen zu machen, denn ihre Sprache ist selbst zu arm an Wörtern und Begriffen.
Ein energisches Einschreiten des Staats aber wird geboten dnrch jede Pflicht der
Menschlichkeit, durch die Rücksicht auf die Gesundheit und Sittlichkeit der ganzen
Provinz. Von den Dorfschulen nud ihren Lehrern, wie sie jetzt sind, ist nichts
zu hoffe». Von der katholischen Geistlichkeit ist ebensowenig zu hoffen. Von
den landräthlichcn Aemtern, welche ohnedieß mit Schreibereien und Bureange¬
schästen überhäuft sind, von der Privatwohlthätigkeit der Gutsbesitzer, welche
entweder kalte Egoisten oder durch den störrigen Trotz der Dorfbewohner erbittert
sind, ist nichts zu hoffen. Gerade der preußische Staat hat aber die Fähigkeit,
ein für solche Fälle höchst praktisches Erziehungssystem einzurichten durch Be¬
nutzung seiner militärischen Kräfte. Wenn jährlich eine Anzahl von Unteroffizie¬
ren und solchen, welche ans Kapitulation gedient haben, nüchterne, verständige
Männer ausgewählt und ein Jahr lang in den Elementen eines einfachen Volks¬
schulwesens, so wie in den nöthigen technischen Fertigkeiten unterrichtet werden, so
müssen diese Männer für unsere Oberschlesier weit bessere Lehrer werden, als
die unglücklichen Seminaristen, denen es fast durchweg an der Haltung fehlt,
welche einer verwahrlosten Dorfgemeinde gegenüber nothwendig ist. Was sie zu
lehren haben, ist: deutsch Sprechen, Lesen, Schreiben, Rechnen, die ersten An¬
fänge der Geographie nud Naturgeschichte, deu Gebrauch vou allerlei Handwerk-
zeug, und ein Turner, welches daraus berechnet ist, dem Knaben den Militärdienst
zu erleichtern. Die Schüler müssen marschiren, und sich in geschlossenen Gliedern


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[0176] Bürgern zu schaffen. Das ist keine vage Behauptung, es läßt sich beweisen und praktisch durchfuhren. An diesem Ort soll am wenigsten verkannt werden, daß durch das neue Ab- lösnngsgesch anch sür einen Theil der polnischen Oberschlesier die Möglichkeit einer bessern Zukunft gegeben ist; aber die Wirkungen dieses Gesetzes werden erst in den nächsten Generationen zu Tage kommen, ja durch die Ablösung werden ge¬ rade in der nächsten Zeit eine große Menge von Stellen zum Verkauf und in die Hände der größern Grundbesitzer gebracht werden, und für die folgenden Jahre und das jetzige Geschlecht wird die Anzahl der Bettler und besitzlosen Tagediebe wahrscheinlich vermehrt werden. Dein Staat liegt deßhalb nicht weniger die ernste Pflicht ob, durch dilatorische Maßregeln nach großem Plan die auf¬ lebende Generation zur Zucht, Sitte und zu productiver Kraft empor zu heben. Das kann nur geschehen durch eine Erzielung, welche ti^ Freiheit der Eltern über ihre Kinder auf zweckmäßige Weife beschränkt, es kann nur geschehn durch eine Schule, welche das Leben der Kinder vom Morgen bis zum Abend über¬ wacht und dieselben systematisch zu nützlichen Deutschen ausbildet. Das ganze polnische Wesen in Oberschlesien hat keine Lebensfähigkeit mehr, es ist kein Zu¬ sammenhang zwischen ihm und den polnischen Stämmen, anch nicht der ge¬ ringste, es ist nicht möglich, die Oberschlesier durch ihre Sprache zu Men¬ schen zu machen, denn ihre Sprache ist selbst zu arm an Wörtern und Begriffen. Ein energisches Einschreiten des Staats aber wird geboten dnrch jede Pflicht der Menschlichkeit, durch die Rücksicht auf die Gesundheit und Sittlichkeit der ganzen Provinz. Von den Dorfschulen nud ihren Lehrern, wie sie jetzt sind, ist nichts zu hoffe». Von der katholischen Geistlichkeit ist ebensowenig zu hoffen. Von den landräthlichcn Aemtern, welche ohnedieß mit Schreibereien und Bureange¬ schästen überhäuft sind, von der Privatwohlthätigkeit der Gutsbesitzer, welche entweder kalte Egoisten oder durch den störrigen Trotz der Dorfbewohner erbittert sind, ist nichts zu hoffen. Gerade der preußische Staat hat aber die Fähigkeit, ein für solche Fälle höchst praktisches Erziehungssystem einzurichten durch Be¬ nutzung seiner militärischen Kräfte. Wenn jährlich eine Anzahl von Unteroffizie¬ ren und solchen, welche ans Kapitulation gedient haben, nüchterne, verständige Männer ausgewählt und ein Jahr lang in den Elementen eines einfachen Volks¬ schulwesens, so wie in den nöthigen technischen Fertigkeiten unterrichtet werden, so müssen diese Männer für unsere Oberschlesier weit bessere Lehrer werden, als die unglücklichen Seminaristen, denen es fast durchweg an der Haltung fehlt, welche einer verwahrlosten Dorfgemeinde gegenüber nothwendig ist. Was sie zu lehren haben, ist: deutsch Sprechen, Lesen, Schreiben, Rechnen, die ersten An¬ fänge der Geographie nud Naturgeschichte, deu Gebrauch vou allerlei Handwerk- zeug, und ein Turner, welches daraus berechnet ist, dem Knaben den Militärdienst zu erleichtern. Die Schüler müssen marschiren, und sich in geschlossenen Gliedern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/176>, abgerufen am 01.09.2024.