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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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sind gewiß die richtigen: Zuerst Herabsetzung des Zolls für Lebensmittel und für
Colonialwaaren. (Die Colonialwaaren aber sollen erst dann in dem Zolltarif er¬
niedrigt werden, wenn die Unterhandlungen mit den Nvrdseestaaten über ihren
Anschluß an den Zollverein zu einem günstigen Resultate geführt habe". Man
will die Herabsetzung der Zölle auf Colonialwaaren dem Küstenvcrein als Con-
cession machen, und diese Concession als Basis für die Unterhandlungen benutzen.)
Ferner Herabsetzung oder Aufhebung des Zolls für das Material der Fabrikation,
endlich ein angemessener, zeitweiser Schutzzoll sür die Industriezweige, welche
erziehungsfähig sind. Zugleich Aufhebung oder Erniedrigung der Durchfuhrszölle.
Wenn die Vorschläge weder in einer, noch in der andern Richtung so weit reichen,
als man es von manchen Seiten gewünscht hat, so soll man darin kein Unglück
sehen. Wo es gilt, eben so wohl Baiern, Würtemberg und Baden dem Zoll¬
verein zu erhalten, als die Küstenländer demselben zu gewinnen, da ist ein sorg¬
fältiges Vermeiden aller extremen Richtungen gerade die beste Politik. Eben, '
weil die Vorlagen von allen extremen Parteien angegriffen werden, sind sie gut,
und mau muß sich eben sowenig von dem Berliner Agriculturcongreß irre machen
lassen, welcher nur die landwirthschaftlichen Gewerbe geschützt wissen will, als von
den Ostseeblättern und den Hamburger Marktberichten des Herrn Baron Merck,
in denen er vom Standpunkte eines Freihändlers gegen die Resultate der Kon¬
ferenz polemisirt. Unsere Freihändler in den Hafenstädten glauben, sie können
nichts Besseres thun, als Weizen und Wolle ausführen und uns mit englischen
Fabrikaten überschwemmen. Unsere Industriellen aber werden den Landwirthen ihren
Weizen besser bezahlen, als England, das nur bei Mißerudten größere Quanti¬
täten nimmt, und wie lange wird England bei den enormen Zufuhren von
Australien und vom Cap noch deutsche Wolle kaufen? Die Schutzzoll""! sind
natürlich auch unzufrieden und nennen die vorgeschlagenen Zolle halbe Maßregeln.
Auch gegen die Nückzölle wird von fielen Seiten gekämpft und doch sind sie
nöthig, um das Exportgeschäft zu erhalten, wenn unfern Fabrikanten, den Webern
nämlich, ihr Material, das Halbfabrikat Garn, durch den erhöhten Eingangszoll
verthenert wird. Man wendet gegen die Nückzölle ein, daß sie eine Industrie
ins Leben rufen, die auf das Ausland angewiesen und deshalb tausend Wechsel¬
fällen unterworfen ist, welche den Absatz stocken machen und die Bevölkerung ins
Elend werfen können. Wenn aber Industrien, wie unsere Wollen-, Baumwollen-
und Leiuenwebereien so weit vorgeschritten sind, daß sie den vollen Bedarf des
Inlandes decken, dann haben sie eine gesunde Basis und das Recht ihren Absatz
im Auslande zu suchen. Was ist endlich das Ausland? Das sind alle fünf
Welttheile; geht es nicht hier, so geht es dort. Und die Möglichkeit eines Krieges
mit einer Seemacht soll nicht unsere Industrie zu einem Feigling machen, sondern
durch einen starken Verkehr unserer Industrie mit dem Ausland unsere Marine
zu männlicher Kraft bringen.


sind gewiß die richtigen: Zuerst Herabsetzung des Zolls für Lebensmittel und für
Colonialwaaren. (Die Colonialwaaren aber sollen erst dann in dem Zolltarif er¬
niedrigt werden, wenn die Unterhandlungen mit den Nvrdseestaaten über ihren
Anschluß an den Zollverein zu einem günstigen Resultate geführt habe». Man
will die Herabsetzung der Zölle auf Colonialwaaren dem Küstenvcrein als Con-
cession machen, und diese Concession als Basis für die Unterhandlungen benutzen.)
Ferner Herabsetzung oder Aufhebung des Zolls für das Material der Fabrikation,
endlich ein angemessener, zeitweiser Schutzzoll sür die Industriezweige, welche
erziehungsfähig sind. Zugleich Aufhebung oder Erniedrigung der Durchfuhrszölle.
Wenn die Vorschläge weder in einer, noch in der andern Richtung so weit reichen,
als man es von manchen Seiten gewünscht hat, so soll man darin kein Unglück
sehen. Wo es gilt, eben so wohl Baiern, Würtemberg und Baden dem Zoll¬
verein zu erhalten, als die Küstenländer demselben zu gewinnen, da ist ein sorg¬
fältiges Vermeiden aller extremen Richtungen gerade die beste Politik. Eben, '
weil die Vorlagen von allen extremen Parteien angegriffen werden, sind sie gut,
und mau muß sich eben sowenig von dem Berliner Agriculturcongreß irre machen
lassen, welcher nur die landwirthschaftlichen Gewerbe geschützt wissen will, als von
den Ostseeblättern und den Hamburger Marktberichten des Herrn Baron Merck,
in denen er vom Standpunkte eines Freihändlers gegen die Resultate der Kon¬
ferenz polemisirt. Unsere Freihändler in den Hafenstädten glauben, sie können
nichts Besseres thun, als Weizen und Wolle ausführen und uns mit englischen
Fabrikaten überschwemmen. Unsere Industriellen aber werden den Landwirthen ihren
Weizen besser bezahlen, als England, das nur bei Mißerudten größere Quanti¬
täten nimmt, und wie lange wird England bei den enormen Zufuhren von
Australien und vom Cap noch deutsche Wolle kaufen? Die Schutzzoll»«! sind
natürlich auch unzufrieden und nennen die vorgeschlagenen Zolle halbe Maßregeln.
Auch gegen die Nückzölle wird von fielen Seiten gekämpft und doch sind sie
nöthig, um das Exportgeschäft zu erhalten, wenn unfern Fabrikanten, den Webern
nämlich, ihr Material, das Halbfabrikat Garn, durch den erhöhten Eingangszoll
verthenert wird. Man wendet gegen die Nückzölle ein, daß sie eine Industrie
ins Leben rufen, die auf das Ausland angewiesen und deshalb tausend Wechsel¬
fällen unterworfen ist, welche den Absatz stocken machen und die Bevölkerung ins
Elend werfen können. Wenn aber Industrien, wie unsere Wollen-, Baumwollen-
und Leiuenwebereien so weit vorgeschritten sind, daß sie den vollen Bedarf des
Inlandes decken, dann haben sie eine gesunde Basis und das Recht ihren Absatz
im Auslande zu suchen. Was ist endlich das Ausland? Das sind alle fünf
Welttheile; geht es nicht hier, so geht es dort. Und die Möglichkeit eines Krieges
mit einer Seemacht soll nicht unsere Industrie zu einem Feigling machen, sondern
durch einen starken Verkehr unserer Industrie mit dem Ausland unsere Marine
zu männlicher Kraft bringen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/12>, abgerufen am 01.09.2024.