Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter die ältesten und in 100 Reichstagen vorgebrachten Beschwerden zählte man
in Ungarn das Bestehen der Militärgrenze und das Getrenntsein des immer zur
ungarischen Krone gehörenden Dalmatien von dein Mutterlande. Es wird schwer¬
lich Jemand daran zweifeln, daß es den Ungarn, wenn sie Zeit gehabt hätten
ihre restaurirte Constitution zu befestigen, gelungen wäre, ihre Wünsche in Betreff
dieser zwei Landestheile zu realisiren, und dann wäre Dalmatien und die halbe
Militärgrenze an Slavonien nud Kroatien, von welchen sie genommen wurden,
zuriickgefalleu. --

Der Ban steht in Civilangelegenheitcn uuter dem Neichsministerium des
Innern, als Commandant der Banalgrenzregimenter unter dem Reichsministerium
des Krieges. Im alten Ungarn war der Ban die dritte Person im Reiche; in
dem Ungarn nach dem März konnte Kroatien nicht weniger als Sitz und Stimme
im Neichsministerium, wenn anch ohne Portefeuille, für seinen Ban verlangen;
an das, was Ungarn als Unterhaudlungsbedingniß gegeben hatte, wird sich
jetzt der Ban sell'se nicht gern erinnern lassen.

"Die politische Administration gehört zu oberst in den Bereich des Ministe¬
nums des Innern. Die Banalregiernng (nämlich der Ban mit seinem Banal¬
rath), die ComitatS- und Bezirksbehörden haben die Anordnungen und Aufträge
der vorgesetzten Stellen genau und schnell zu vollziehen," so lautet der VI. und
VIII. Punkt des Patents. Was diese Banalregierung und die Municipien auf
solche Weise heißen sollen, ist schwer zu enträthseln, was der Bau und die Muni¬
cipien in Ungarn und Kroatien vor dem März waren, werden selbst die leiden¬
schaftlichen Jllyrier nicht vergessen haben.

"Alle Aemter werden vom Neichsministerium besetzt." In Ungarn wurde
nur der Ban und die Obergespane der Comitate vom König ernannt, die
übrigen Beamten wurden von den Municipien gewählt.

In Hinsicht ihrer Nationalität dürfen sich die Kroaten in ihrer innern Ver¬
waltung der arvalischen Sprache bedienen, das heißt, ihre Beamten sollen gute Ueber-
setzer sein und die deutschen Verordnungen des Neichsministeriums übersetzen und cur--
rentiren; mit deu höhern Behörden und den übrigen Kronländern müssen sie
deutsch correspondiren. Ich habe schon oben die Reciprocität erwähnt, welche im
nngar. Reichstag von 1847/8, noch vor dem März ausgesprochen wurde. Es
ist serner aller Welt bekannt, daß der Märzminister des Innern, Szemere, den
Kroaten seine Erlasse in croatischer Sprache zuschickte, und doch war es die Natio¬
nalität, um die man das Schwerdt gegen den Bruder gezogen.

Ueber die Urbarial- und Servitntsverhältnisse behält sich der Monarch vor,
"die Erledigung in besondern Verordnungen zu erlassen." Die ungarischen März¬
gesetze haben die Urbariallcistungen, ja selbst den Zehent aufgehoben. In Pesch
ging man noch weiter. Der Staat übernahm die Entschädigung an die früheren
Grundherren, und die Regalien, als Fleischschrotungs-, Schankrecht u. s. w., our-


Unter die ältesten und in 100 Reichstagen vorgebrachten Beschwerden zählte man
in Ungarn das Bestehen der Militärgrenze und das Getrenntsein des immer zur
ungarischen Krone gehörenden Dalmatien von dein Mutterlande. Es wird schwer¬
lich Jemand daran zweifeln, daß es den Ungarn, wenn sie Zeit gehabt hätten
ihre restaurirte Constitution zu befestigen, gelungen wäre, ihre Wünsche in Betreff
dieser zwei Landestheile zu realisiren, und dann wäre Dalmatien und die halbe
Militärgrenze an Slavonien nud Kroatien, von welchen sie genommen wurden,
zuriickgefalleu. —

Der Ban steht in Civilangelegenheitcn uuter dem Neichsministerium des
Innern, als Commandant der Banalgrenzregimenter unter dem Reichsministerium
des Krieges. Im alten Ungarn war der Ban die dritte Person im Reiche; in
dem Ungarn nach dem März konnte Kroatien nicht weniger als Sitz und Stimme
im Neichsministerium, wenn anch ohne Portefeuille, für seinen Ban verlangen;
an das, was Ungarn als Unterhaudlungsbedingniß gegeben hatte, wird sich
jetzt der Ban sell'se nicht gern erinnern lassen.

„Die politische Administration gehört zu oberst in den Bereich des Ministe¬
nums des Innern. Die Banalregiernng (nämlich der Ban mit seinem Banal¬
rath), die ComitatS- und Bezirksbehörden haben die Anordnungen und Aufträge
der vorgesetzten Stellen genau und schnell zu vollziehen," so lautet der VI. und
VIII. Punkt des Patents. Was diese Banalregierung und die Municipien auf
solche Weise heißen sollen, ist schwer zu enträthseln, was der Bau und die Muni¬
cipien in Ungarn und Kroatien vor dem März waren, werden selbst die leiden¬
schaftlichen Jllyrier nicht vergessen haben.

„Alle Aemter werden vom Neichsministerium besetzt." In Ungarn wurde
nur der Ban und die Obergespane der Comitate vom König ernannt, die
übrigen Beamten wurden von den Municipien gewählt.

In Hinsicht ihrer Nationalität dürfen sich die Kroaten in ihrer innern Ver¬
waltung der arvalischen Sprache bedienen, das heißt, ihre Beamten sollen gute Ueber-
setzer sein und die deutschen Verordnungen des Neichsministeriums übersetzen und cur--
rentiren; mit deu höhern Behörden und den übrigen Kronländern müssen sie
deutsch correspondiren. Ich habe schon oben die Reciprocität erwähnt, welche im
nngar. Reichstag von 1847/8, noch vor dem März ausgesprochen wurde. Es
ist serner aller Welt bekannt, daß der Märzminister des Innern, Szemere, den
Kroaten seine Erlasse in croatischer Sprache zuschickte, und doch war es die Natio¬
nalität, um die man das Schwerdt gegen den Bruder gezogen.

Ueber die Urbarial- und Servitntsverhältnisse behält sich der Monarch vor,
„die Erledigung in besondern Verordnungen zu erlassen." Die ungarischen März¬
gesetze haben die Urbariallcistungen, ja selbst den Zehent aufgehoben. In Pesch
ging man noch weiter. Der Staat übernahm die Entschädigung an die früheren
Grundherren, und die Regalien, als Fleischschrotungs-, Schankrecht u. s. w., our-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85700"/>
            <p xml:id="ID_414" prev="#ID_413"> Unter die ältesten und in 100 Reichstagen vorgebrachten Beschwerden zählte man<lb/>
in Ungarn das Bestehen der Militärgrenze und das Getrenntsein des immer zur<lb/>
ungarischen Krone gehörenden Dalmatien von dein Mutterlande. Es wird schwer¬<lb/>
lich Jemand daran zweifeln, daß es den Ungarn, wenn sie Zeit gehabt hätten<lb/>
ihre restaurirte Constitution zu befestigen, gelungen wäre, ihre Wünsche in Betreff<lb/>
dieser zwei Landestheile zu realisiren, und dann wäre Dalmatien und die halbe<lb/>
Militärgrenze an Slavonien nud Kroatien, von welchen sie genommen wurden,<lb/>
zuriickgefalleu. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_415"> Der Ban steht in Civilangelegenheitcn uuter dem Neichsministerium des<lb/>
Innern, als Commandant der Banalgrenzregimenter unter dem Reichsministerium<lb/>
des Krieges. Im alten Ungarn war der Ban die dritte Person im Reiche; in<lb/>
dem Ungarn nach dem März konnte Kroatien nicht weniger als Sitz und Stimme<lb/>
im Neichsministerium, wenn anch ohne Portefeuille, für seinen Ban verlangen;<lb/>
an das, was Ungarn als Unterhaudlungsbedingniß gegeben hatte, wird sich<lb/>
jetzt der Ban sell'se nicht gern erinnern lassen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_416"> &#x201E;Die politische Administration gehört zu oberst in den Bereich des Ministe¬<lb/>
nums des Innern. Die Banalregiernng (nämlich der Ban mit seinem Banal¬<lb/>
rath), die ComitatS- und Bezirksbehörden haben die Anordnungen und Aufträge<lb/>
der vorgesetzten Stellen genau und schnell zu vollziehen," so lautet der VI. und<lb/>
VIII. Punkt des Patents. Was diese Banalregierung und die Municipien auf<lb/>
solche Weise heißen sollen, ist schwer zu enträthseln, was der Bau und die Muni¬<lb/>
cipien in Ungarn und Kroatien vor dem März waren, werden selbst die leiden¬<lb/>
schaftlichen Jllyrier nicht vergessen haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_417"> &#x201E;Alle Aemter werden vom Neichsministerium besetzt." In Ungarn wurde<lb/>
nur der Ban und die Obergespane der Comitate vom König ernannt, die<lb/>
übrigen Beamten wurden von den Municipien gewählt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_418"> In Hinsicht ihrer Nationalität dürfen sich die Kroaten in ihrer innern Ver¬<lb/>
waltung der arvalischen Sprache bedienen, das heißt, ihre Beamten sollen gute Ueber-<lb/>
setzer sein und die deutschen Verordnungen des Neichsministeriums übersetzen und cur--<lb/>
rentiren; mit deu höhern Behörden und den übrigen Kronländern müssen sie<lb/>
deutsch correspondiren. Ich habe schon oben die Reciprocität erwähnt, welche im<lb/>
nngar. Reichstag von 1847/8, noch vor dem März ausgesprochen wurde. Es<lb/>
ist serner aller Welt bekannt, daß der Märzminister des Innern, Szemere, den<lb/>
Kroaten seine Erlasse in croatischer Sprache zuschickte, und doch war es die Natio¬<lb/>
nalität, um die man das Schwerdt gegen den Bruder gezogen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_419" next="#ID_420"> Ueber die Urbarial- und Servitntsverhältnisse behält sich der Monarch vor,<lb/>
&#x201E;die Erledigung in besondern Verordnungen zu erlassen." Die ungarischen März¬<lb/>
gesetze haben die Urbariallcistungen, ja selbst den Zehent aufgehoben. In Pesch<lb/>
ging man noch weiter. Der Staat übernahm die Entschädigung an die früheren<lb/>
Grundherren, und die Regalien, als Fleischschrotungs-, Schankrecht u. s. w., our-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] Unter die ältesten und in 100 Reichstagen vorgebrachten Beschwerden zählte man in Ungarn das Bestehen der Militärgrenze und das Getrenntsein des immer zur ungarischen Krone gehörenden Dalmatien von dein Mutterlande. Es wird schwer¬ lich Jemand daran zweifeln, daß es den Ungarn, wenn sie Zeit gehabt hätten ihre restaurirte Constitution zu befestigen, gelungen wäre, ihre Wünsche in Betreff dieser zwei Landestheile zu realisiren, und dann wäre Dalmatien und die halbe Militärgrenze an Slavonien nud Kroatien, von welchen sie genommen wurden, zuriickgefalleu. — Der Ban steht in Civilangelegenheitcn uuter dem Neichsministerium des Innern, als Commandant der Banalgrenzregimenter unter dem Reichsministerium des Krieges. Im alten Ungarn war der Ban die dritte Person im Reiche; in dem Ungarn nach dem März konnte Kroatien nicht weniger als Sitz und Stimme im Neichsministerium, wenn anch ohne Portefeuille, für seinen Ban verlangen; an das, was Ungarn als Unterhaudlungsbedingniß gegeben hatte, wird sich jetzt der Ban sell'se nicht gern erinnern lassen. „Die politische Administration gehört zu oberst in den Bereich des Ministe¬ nums des Innern. Die Banalregiernng (nämlich der Ban mit seinem Banal¬ rath), die ComitatS- und Bezirksbehörden haben die Anordnungen und Aufträge der vorgesetzten Stellen genau und schnell zu vollziehen," so lautet der VI. und VIII. Punkt des Patents. Was diese Banalregierung und die Municipien auf solche Weise heißen sollen, ist schwer zu enträthseln, was der Bau und die Muni¬ cipien in Ungarn und Kroatien vor dem März waren, werden selbst die leiden¬ schaftlichen Jllyrier nicht vergessen haben. „Alle Aemter werden vom Neichsministerium besetzt." In Ungarn wurde nur der Ban und die Obergespane der Comitate vom König ernannt, die übrigen Beamten wurden von den Municipien gewählt. In Hinsicht ihrer Nationalität dürfen sich die Kroaten in ihrer innern Ver¬ waltung der arvalischen Sprache bedienen, das heißt, ihre Beamten sollen gute Ueber- setzer sein und die deutschen Verordnungen des Neichsministeriums übersetzen und cur-- rentiren; mit deu höhern Behörden und den übrigen Kronländern müssen sie deutsch correspondiren. Ich habe schon oben die Reciprocität erwähnt, welche im nngar. Reichstag von 1847/8, noch vor dem März ausgesprochen wurde. Es ist serner aller Welt bekannt, daß der Märzminister des Innern, Szemere, den Kroaten seine Erlasse in croatischer Sprache zuschickte, und doch war es die Natio¬ nalität, um die man das Schwerdt gegen den Bruder gezogen. Ueber die Urbarial- und Servitntsverhältnisse behält sich der Monarch vor, „die Erledigung in besondern Verordnungen zu erlassen." Die ungarischen März¬ gesetze haben die Urbariallcistungen, ja selbst den Zehent aufgehoben. In Pesch ging man noch weiter. Der Staat übernahm die Entschädigung an die früheren Grundherren, und die Regalien, als Fleischschrotungs-, Schankrecht u. s. w., our-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/117>, abgerufen am 01.09.2024.