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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Das Folgende ist allbekannt, und wäre überflüssig hier näher darauf einzu¬
gehen. Der Landtag in Pesch trat zusammen, auch die Landescongregation in
Agram versammelte sich; aber diese trat sogleich auf revolutionären Boden, wollte
durchaus von keinen Unterhandlungen mit den Ungarn wissen, ernannte eine pro¬
visorische Regierung, und erklärte die drei Königreiche Kroatien, Slavonien und
Dalmatien, die Militärgrenze dieser Länder und das Littorale für ein selbstständiges,
dem Kaiser von Oestreich unmittelbar unterstehendes, und nur in Betreff des
Finanz- und Kriegswesens dem östreichischen Neichsministerinm untergeordnetes Land.
Mit einem Worte, sie nahmen das für sich in Anspruch, was die Ungarn sich dnrch
Märzgesetze errungen hatten, mit Ausnahme des Finanz- und Kriegsministeriumö.

Ich will hier nicht fragen, ob es recht war, ein achthundertjähriges Band mit
einem Lande, dessen Leiden und Freuden man getheilt, an dessen Geschichte man
so treu und eifrig mitgearbeitet hatte, zu lösen, einzig und allein um den Herrn
zu wechseln; ferner, ob es politisch gehandelt war, sich von einem jugendlichen,
aufblühenden Staate zu trennen, um sich an die schwierige Situation der östrei-
chischen Monarchie fester zu ketten? Denn diese Fragen gehören der Geschichte
an. Nur Eines ist unbegreiflich: Wie nämlich die arvalischen Volksmänner, die
es ehrlich mit ihrem Vaterlande meinten, sich einbilden konnten, daß Oestreich dem
kleinen Kroatien das gewähren werde, was dem großen Ungarn mit der letzten
Kraftanstrengung entrissen werden mußte?

Jedenfalls hat die Ccntralisatiouscharte vom 4. März die Gemüther der
arvalischen Patrioten wie ein Donnerschlag getroffen. Seit dieser Zeit sind fünf¬
zehn Monate des fieberhaften Hoffens vorübergegangen, jetzt endlich ist der Ban
am 24. Juni d. I. in Agram eingetroffen, um seinem Volke die Stelle anzuzei¬
gen, welche es in dem neuen Oestreich einzunehmen hat.

Das Schreiben des Kaisers an seine treuen Kroaten soll als Abschied für den
Landtag von 1848 gelten, der schon seit mehreren Monaten nicht mehr beisammen ist.
Dieser Landtag wird jetzt in Gnaden aufgelöst, es soll ein anderer zusammen¬
treten. Das Wahlgesetz zu diesem Landtag aber wird das östreichische
Ministerium erst octroyiren. ES ist jedem Ungarn und Croaten bekannt,
daß die croatisch-slavonische Landescongregation (und so wird der jetzt zu be¬
rufende Landtag auch in dem kaiserlichen Patent genannt) von der ungarischen
Regierung ganz unbehelligt blieb, wenn sie sich in den Schranken der Reichsge¬
setze bewegte, und daß es nach den Märzgesetzen den Kroaten nicht nur frei
stand, sich ein Wahlgesetz für diese Landescongregation, sondern auch für den
ungarischen Reichstag zu schaffen.

Kroatien bleibt in Hinsicht seines Gebietes was es früher war, nämlich dasPro-
vinziale von Kroatien und Slavonien, mit Hinzugäbe der von Ungarn genommenen
Murinsel, die aber keinesweges die schöne, höchst fruchtbare Gespannschaft Syrmien
aufwiegt, welche von Slavonien abgerissen und zur Woivodina geschlagen wurde.


Das Folgende ist allbekannt, und wäre überflüssig hier näher darauf einzu¬
gehen. Der Landtag in Pesch trat zusammen, auch die Landescongregation in
Agram versammelte sich; aber diese trat sogleich auf revolutionären Boden, wollte
durchaus von keinen Unterhandlungen mit den Ungarn wissen, ernannte eine pro¬
visorische Regierung, und erklärte die drei Königreiche Kroatien, Slavonien und
Dalmatien, die Militärgrenze dieser Länder und das Littorale für ein selbstständiges,
dem Kaiser von Oestreich unmittelbar unterstehendes, und nur in Betreff des
Finanz- und Kriegswesens dem östreichischen Neichsministerinm untergeordnetes Land.
Mit einem Worte, sie nahmen das für sich in Anspruch, was die Ungarn sich dnrch
Märzgesetze errungen hatten, mit Ausnahme des Finanz- und Kriegsministeriumö.

Ich will hier nicht fragen, ob es recht war, ein achthundertjähriges Band mit
einem Lande, dessen Leiden und Freuden man getheilt, an dessen Geschichte man
so treu und eifrig mitgearbeitet hatte, zu lösen, einzig und allein um den Herrn
zu wechseln; ferner, ob es politisch gehandelt war, sich von einem jugendlichen,
aufblühenden Staate zu trennen, um sich an die schwierige Situation der östrei-
chischen Monarchie fester zu ketten? Denn diese Fragen gehören der Geschichte
an. Nur Eines ist unbegreiflich: Wie nämlich die arvalischen Volksmänner, die
es ehrlich mit ihrem Vaterlande meinten, sich einbilden konnten, daß Oestreich dem
kleinen Kroatien das gewähren werde, was dem großen Ungarn mit der letzten
Kraftanstrengung entrissen werden mußte?

Jedenfalls hat die Ccntralisatiouscharte vom 4. März die Gemüther der
arvalischen Patrioten wie ein Donnerschlag getroffen. Seit dieser Zeit sind fünf¬
zehn Monate des fieberhaften Hoffens vorübergegangen, jetzt endlich ist der Ban
am 24. Juni d. I. in Agram eingetroffen, um seinem Volke die Stelle anzuzei¬
gen, welche es in dem neuen Oestreich einzunehmen hat.

Das Schreiben des Kaisers an seine treuen Kroaten soll als Abschied für den
Landtag von 1848 gelten, der schon seit mehreren Monaten nicht mehr beisammen ist.
Dieser Landtag wird jetzt in Gnaden aufgelöst, es soll ein anderer zusammen¬
treten. Das Wahlgesetz zu diesem Landtag aber wird das östreichische
Ministerium erst octroyiren. ES ist jedem Ungarn und Croaten bekannt,
daß die croatisch-slavonische Landescongregation (und so wird der jetzt zu be¬
rufende Landtag auch in dem kaiserlichen Patent genannt) von der ungarischen
Regierung ganz unbehelligt blieb, wenn sie sich in den Schranken der Reichsge¬
setze bewegte, und daß es nach den Märzgesetzen den Kroaten nicht nur frei
stand, sich ein Wahlgesetz für diese Landescongregation, sondern auch für den
ungarischen Reichstag zu schaffen.

Kroatien bleibt in Hinsicht seines Gebietes was es früher war, nämlich dasPro-
vinziale von Kroatien und Slavonien, mit Hinzugäbe der von Ungarn genommenen
Murinsel, die aber keinesweges die schöne, höchst fruchtbare Gespannschaft Syrmien
aufwiegt, welche von Slavonien abgerissen und zur Woivodina geschlagen wurde.


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[0116] Das Folgende ist allbekannt, und wäre überflüssig hier näher darauf einzu¬ gehen. Der Landtag in Pesch trat zusammen, auch die Landescongregation in Agram versammelte sich; aber diese trat sogleich auf revolutionären Boden, wollte durchaus von keinen Unterhandlungen mit den Ungarn wissen, ernannte eine pro¬ visorische Regierung, und erklärte die drei Königreiche Kroatien, Slavonien und Dalmatien, die Militärgrenze dieser Länder und das Littorale für ein selbstständiges, dem Kaiser von Oestreich unmittelbar unterstehendes, und nur in Betreff des Finanz- und Kriegswesens dem östreichischen Neichsministerinm untergeordnetes Land. Mit einem Worte, sie nahmen das für sich in Anspruch, was die Ungarn sich dnrch Märzgesetze errungen hatten, mit Ausnahme des Finanz- und Kriegsministeriumö. Ich will hier nicht fragen, ob es recht war, ein achthundertjähriges Band mit einem Lande, dessen Leiden und Freuden man getheilt, an dessen Geschichte man so treu und eifrig mitgearbeitet hatte, zu lösen, einzig und allein um den Herrn zu wechseln; ferner, ob es politisch gehandelt war, sich von einem jugendlichen, aufblühenden Staate zu trennen, um sich an die schwierige Situation der östrei- chischen Monarchie fester zu ketten? Denn diese Fragen gehören der Geschichte an. Nur Eines ist unbegreiflich: Wie nämlich die arvalischen Volksmänner, die es ehrlich mit ihrem Vaterlande meinten, sich einbilden konnten, daß Oestreich dem kleinen Kroatien das gewähren werde, was dem großen Ungarn mit der letzten Kraftanstrengung entrissen werden mußte? Jedenfalls hat die Ccntralisatiouscharte vom 4. März die Gemüther der arvalischen Patrioten wie ein Donnerschlag getroffen. Seit dieser Zeit sind fünf¬ zehn Monate des fieberhaften Hoffens vorübergegangen, jetzt endlich ist der Ban am 24. Juni d. I. in Agram eingetroffen, um seinem Volke die Stelle anzuzei¬ gen, welche es in dem neuen Oestreich einzunehmen hat. Das Schreiben des Kaisers an seine treuen Kroaten soll als Abschied für den Landtag von 1848 gelten, der schon seit mehreren Monaten nicht mehr beisammen ist. Dieser Landtag wird jetzt in Gnaden aufgelöst, es soll ein anderer zusammen¬ treten. Das Wahlgesetz zu diesem Landtag aber wird das östreichische Ministerium erst octroyiren. ES ist jedem Ungarn und Croaten bekannt, daß die croatisch-slavonische Landescongregation (und so wird der jetzt zu be¬ rufende Landtag auch in dem kaiserlichen Patent genannt) von der ungarischen Regierung ganz unbehelligt blieb, wenn sie sich in den Schranken der Reichsge¬ setze bewegte, und daß es nach den Märzgesetzen den Kroaten nicht nur frei stand, sich ein Wahlgesetz für diese Landescongregation, sondern auch für den ungarischen Reichstag zu schaffen. Kroatien bleibt in Hinsicht seines Gebietes was es früher war, nämlich dasPro- vinziale von Kroatien und Slavonien, mit Hinzugäbe der von Ungarn genommenen Murinsel, die aber keinesweges die schöne, höchst fruchtbare Gespannschaft Syrmien aufwiegt, welche von Slavonien abgerissen und zur Woivodina geschlagen wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/116>, abgerufen am 27.07.2024.