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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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erlaubt sei. Unglücklicher Einfall! Das Auge des Dragoners flammte, sein
Säbel blitzte. Ich erkannte die Gefahr und glitt, während jener brummte,
schweigend den Nasen hinab. Warum mußte ich so schnell und gewaltsam erin¬
nert werden, daß ich nicht mehr in England war!

Von der kargen Gabe, welche Ostende dem Beschauer bietet, würde der
Wall ein Theil sein, weim nicht das Gras dem König gehörte. So bleibt nichts
BeschaucuSwerthcö als der Steindamm außerhalb der Stadt, aufgeführt zum
Schutze gegen das Meer, wohl eine halbe Stunde lang, und Sammelplatz der
badenden und fashivnabeln Welt. Ich traf sie ziemlich zahlreich, Engländer und
Franzosen, Belgier und Deutsche die Mehrzahl, das schöne Geschlecht in seiner
Toilette sorgfältig, nicht so das nicht immer starke. Der Damm ist, wenn nicht
die einzige, doch die mit Recht besuchteste Promenade, glatt und mit holländischem
Backstein gepflastert, trocken zu jeder, staubig zu keiner Zeit. Bis an seinen
Fuß spült die Fluth ihre Wellen und die Ebbe öffnet ein breites Sandfeld.
Längs dem Damme stehen die Badekarren. Anschläge, französich und flämisch,
gebieten strenge Sonderung der Geschlechter und geziemende Badckleidung, ein
Beweis, daß von Beiden das Gegentheil vorgekommen. Doch siud auch in
Belgien dergleichen Gebote elastischer Natur. Unter hunderterlei oder gar keinem
Vorwande wird der Grenzpfahl der Sonderung überschritten, eine für unbewaffnete
.Augen unerreichbare Ferne zur Gehörsweite nahe gerückt und das Badegewand den
Wellen zum Spielzeug gegönnt. So hörte ich klagen und sah die Klage belächeln.

Selbst der heftige Wind, wie er am Tage meines Dortseins wüthete, minderte
nur, hinderte nicht das Lustwandeln und küßte manche bleiche Wange roth. Die
Ermüdeten aber oder Schüchternen und Bejahrten zogen sich in den Phare zurück,
den auf dem Damme stehenden Leuchtthurm, von dessen vier Ecken die belgischen
und englischen Farben wehen und in dessen unteren Räumen ein Restaurant mit
hohen Preisen waltet. Neben' der körperlichen Labung tischt der Cercle geistige
aus, d. h. politische Blätter, Zeitungen und erlaubte Broschüren. Wer leichte
Bücher zu lesen, nicht zu kaufen wünscht, findet sie in zwei oder drei Leihan-
ftalten, getanzt wird im Saal des Rathhauses, wo ein lebensgroßes Bild der Kaiserin
Maria Theresia steht, eine Erinnerung an den Aachener Frieden, musicirt in einem
kleinen Garten mit dem großen Namen: ^alcun clss princes. Vom Theater schweige
ich, weil ich die französische Truppe, die dort spielte, lieber nicht gesehen hätte.

Fort rollte der Dampfwagen nach Antwerpen zu, von dem großartigen Bahn¬
hofe durch ein herrlich bebautes Laud, auf einer Bahn, die weder rechts, noch links
-"durch Einschnitte oder Mauern den Blick beschränkt. Es war eine Fahrt zwischen
Hainen und Gärten, die Wälder, Buchen und Fichten, die Obst-, Gras- und
Gemüsegärten alle reich gesegnet. Wohl jede zwanzig Minuten hielten wir an,
und was mich schon früher überrascht hatte, fiel mir wieder aus, die Menge
Menschen, die ein oft kleinen Orten abgehen und zukomme,?. In ganz Belgien,


erlaubt sei. Unglücklicher Einfall! Das Auge des Dragoners flammte, sein
Säbel blitzte. Ich erkannte die Gefahr und glitt, während jener brummte,
schweigend den Nasen hinab. Warum mußte ich so schnell und gewaltsam erin¬
nert werden, daß ich nicht mehr in England war!

Von der kargen Gabe, welche Ostende dem Beschauer bietet, würde der
Wall ein Theil sein, weim nicht das Gras dem König gehörte. So bleibt nichts
BeschaucuSwerthcö als der Steindamm außerhalb der Stadt, aufgeführt zum
Schutze gegen das Meer, wohl eine halbe Stunde lang, und Sammelplatz der
badenden und fashivnabeln Welt. Ich traf sie ziemlich zahlreich, Engländer und
Franzosen, Belgier und Deutsche die Mehrzahl, das schöne Geschlecht in seiner
Toilette sorgfältig, nicht so das nicht immer starke. Der Damm ist, wenn nicht
die einzige, doch die mit Recht besuchteste Promenade, glatt und mit holländischem
Backstein gepflastert, trocken zu jeder, staubig zu keiner Zeit. Bis an seinen
Fuß spült die Fluth ihre Wellen und die Ebbe öffnet ein breites Sandfeld.
Längs dem Damme stehen die Badekarren. Anschläge, französich und flämisch,
gebieten strenge Sonderung der Geschlechter und geziemende Badckleidung, ein
Beweis, daß von Beiden das Gegentheil vorgekommen. Doch siud auch in
Belgien dergleichen Gebote elastischer Natur. Unter hunderterlei oder gar keinem
Vorwande wird der Grenzpfahl der Sonderung überschritten, eine für unbewaffnete
.Augen unerreichbare Ferne zur Gehörsweite nahe gerückt und das Badegewand den
Wellen zum Spielzeug gegönnt. So hörte ich klagen und sah die Klage belächeln.

Selbst der heftige Wind, wie er am Tage meines Dortseins wüthete, minderte
nur, hinderte nicht das Lustwandeln und küßte manche bleiche Wange roth. Die
Ermüdeten aber oder Schüchternen und Bejahrten zogen sich in den Phare zurück,
den auf dem Damme stehenden Leuchtthurm, von dessen vier Ecken die belgischen
und englischen Farben wehen und in dessen unteren Räumen ein Restaurant mit
hohen Preisen waltet. Neben' der körperlichen Labung tischt der Cercle geistige
aus, d. h. politische Blätter, Zeitungen und erlaubte Broschüren. Wer leichte
Bücher zu lesen, nicht zu kaufen wünscht, findet sie in zwei oder drei Leihan-
ftalten, getanzt wird im Saal des Rathhauses, wo ein lebensgroßes Bild der Kaiserin
Maria Theresia steht, eine Erinnerung an den Aachener Frieden, musicirt in einem
kleinen Garten mit dem großen Namen: ^alcun clss princes. Vom Theater schweige
ich, weil ich die französische Truppe, die dort spielte, lieber nicht gesehen hätte.

Fort rollte der Dampfwagen nach Antwerpen zu, von dem großartigen Bahn¬
hofe durch ein herrlich bebautes Laud, auf einer Bahn, die weder rechts, noch links
-«durch Einschnitte oder Mauern den Blick beschränkt. Es war eine Fahrt zwischen
Hainen und Gärten, die Wälder, Buchen und Fichten, die Obst-, Gras- und
Gemüsegärten alle reich gesegnet. Wohl jede zwanzig Minuten hielten wir an,
und was mich schon früher überrascht hatte, fiel mir wieder aus, die Menge
Menschen, die ein oft kleinen Orten abgehen und zukomme,?. In ganz Belgien,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/101>, abgerufen am 27.07.2024.