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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Wohlan, Hort mein Wort -- Feuer!" Hier wurde der Wagen zum äußersten Erstaunen
der Kaffern in die Luft gesprengt. "Wie, seht ihr den Wagen jetzt? Und ihr werdet
und sollt mit in die Luft gesprengt werden, wenn ihr es je wieder wagt, einen anzurüh¬
ren. Seid denn gut und traut eurem Vater, wie ihr mich zu nennen Pflegtet und was
ich wieder sein will. Aber ferner keine Falschheit und Verrätherei, kein Unheil und Räu¬
bereien! Alle Diebe will ich ausgeliefert haben, oder den Kraal aufessen, in welchem sein
Name steht. Der Pfad zum Guten oder Bösen ist vor euch: wählt ihr den erstem, so
wißt ihr, daß die Königin mir befiehlt, euch zu helfen; wählt ihr den letzter", so seht
ihr den Wagen; denn diesem gleich sollt ihr alsdann behandelt und alle eure Kraale
sollen in die Luft gesprengt werden."

Wie lebte Wahl der französischen Akademie gibt uns zu einigen nicht erfreuli¬
chen Betrachtungen Veranlassung. Es mußte dieselbe vertagt werden, weil unter den
ZZ anwesenden Mitgliedern der Akademie eine absolute Majorität nicht zu erzielen war.
1t" Stimmen vereinigte der verdienstvolle Gelehrte Nisard, über dessen Literaturge-
schichte wir vor einigen Wochen Bericht erstattet haben. Unter diesen Stimmen sind zu
nennen: Guizot, Dupin, Salvaudy, Villemain, Scribe und Herr von Lamartine.
12 Stimmen hatte Herr Thiers für seinen neuen Freund, Herrn von Montalembert,
gewonnen, es waren darunter Graf Molo, der Kanzler' Pasquier, Nmnnsat und
Se-Bcuve, der bekannte Kritiker aus der ^pone <l<Z8 cwux manclos. Es ist ein --
ich weist wirklich nicht, ob mehr lächerliches oder niederschlagendes Schauspiel, den Ge-
schichtsschreiber der Revolution, den Verehrer Mirabeau'S und Danton's, den echten
Schüler des ungläubigen Voltaire, ans Absehen vor der socialen Revolution, der bei ihm
zu einer vollständigen Monomanie geworden ist, sich zu den Füßen der alleinseligmachen¬
den Kirche winden zu sehn, in der er allein eine Zuflucht vor dem ihn von allen Sei¬
ten ängstigenden Gespenst erwartet. Dieser politische Charlatan, der nie eine wirkliche
Ueberzeugung, nie einen lebendigen Glauben, selbst nie eine starke Leidenschaft gehabt
hat, endigt sehr natürlich mit einer Apostasie, die nur durch den eigenthümlichen Cynis¬
mus, mit dem seine Natur sie ausgestattet, ein gewisses Interesse gewinnt. -- Aber
die Verwunderung, welche der Eifer für die Wahl des EhesS der Jesuitischen Partei von
Seiten der alten Liberale" erregen muß, wird noch überboten durch das Erstaune" über
den dritte" Caiididatcu. 5 Stimme" nämlich -- Victor Hugo, Alfred de Vigny,
Eousin!, Lebrun und Empia, haben für Alfred de Musset gestimmt, den schmutzig¬
sten und liederlichsten unter allen französischen Nomantikcrn, gegen dessen Cynismus unser
Heine ein leibhaftiger Tugendspiegel ist. -- Habe" diese 5 Stimmen anch nicht ausge¬
reicht, ihm die Pforten der sranzöstschc" Akademie zu offnen, so sollen sie doch hin-
reichen, ihm einen Platz in unsern "Studien" anzuweisen.




Verlag von F. L. Hevbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.

Wohlan, Hort mein Wort — Feuer!" Hier wurde der Wagen zum äußersten Erstaunen
der Kaffern in die Luft gesprengt. „Wie, seht ihr den Wagen jetzt? Und ihr werdet
und sollt mit in die Luft gesprengt werden, wenn ihr es je wieder wagt, einen anzurüh¬
ren. Seid denn gut und traut eurem Vater, wie ihr mich zu nennen Pflegtet und was
ich wieder sein will. Aber ferner keine Falschheit und Verrätherei, kein Unheil und Räu¬
bereien! Alle Diebe will ich ausgeliefert haben, oder den Kraal aufessen, in welchem sein
Name steht. Der Pfad zum Guten oder Bösen ist vor euch: wählt ihr den erstem, so
wißt ihr, daß die Königin mir befiehlt, euch zu helfen; wählt ihr den letzter», so seht
ihr den Wagen; denn diesem gleich sollt ihr alsdann behandelt und alle eure Kraale
sollen in die Luft gesprengt werden."

Wie lebte Wahl der französischen Akademie gibt uns zu einigen nicht erfreuli¬
chen Betrachtungen Veranlassung. Es mußte dieselbe vertagt werden, weil unter den
ZZ anwesenden Mitgliedern der Akademie eine absolute Majorität nicht zu erzielen war.
1t» Stimmen vereinigte der verdienstvolle Gelehrte Nisard, über dessen Literaturge-
schichte wir vor einigen Wochen Bericht erstattet haben. Unter diesen Stimmen sind zu
nennen: Guizot, Dupin, Salvaudy, Villemain, Scribe und Herr von Lamartine.
12 Stimmen hatte Herr Thiers für seinen neuen Freund, Herrn von Montalembert,
gewonnen, es waren darunter Graf Molo, der Kanzler' Pasquier, Nmnnsat und
Se-Bcuve, der bekannte Kritiker aus der ^pone <l<Z8 cwux manclos. Es ist ein —
ich weist wirklich nicht, ob mehr lächerliches oder niederschlagendes Schauspiel, den Ge-
schichtsschreiber der Revolution, den Verehrer Mirabeau'S und Danton's, den echten
Schüler des ungläubigen Voltaire, ans Absehen vor der socialen Revolution, der bei ihm
zu einer vollständigen Monomanie geworden ist, sich zu den Füßen der alleinseligmachen¬
den Kirche winden zu sehn, in der er allein eine Zuflucht vor dem ihn von allen Sei¬
ten ängstigenden Gespenst erwartet. Dieser politische Charlatan, der nie eine wirkliche
Ueberzeugung, nie einen lebendigen Glauben, selbst nie eine starke Leidenschaft gehabt
hat, endigt sehr natürlich mit einer Apostasie, die nur durch den eigenthümlichen Cynis¬
mus, mit dem seine Natur sie ausgestattet, ein gewisses Interesse gewinnt. — Aber
die Verwunderung, welche der Eifer für die Wahl des EhesS der Jesuitischen Partei von
Seiten der alten Liberale» erregen muß, wird noch überboten durch das Erstaune» über
den dritte» Caiididatcu. 5 Stimme» nämlich — Victor Hugo, Alfred de Vigny,
Eousin!, Lebrun und Empia, haben für Alfred de Musset gestimmt, den schmutzig¬
sten und liederlichsten unter allen französischen Nomantikcrn, gegen dessen Cynismus unser
Heine ein leibhaftiger Tugendspiegel ist. — Habe» diese 5 Stimmen anch nicht ausge¬
reicht, ihm die Pforten der sranzöstschc» Akademie zu offnen, so sollen sie doch hin-
reichen, ihm einen Platz in unsern „Studien" anzuweisen.




Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/88>, abgerufen am 22.07.2024.