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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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williguug der KöiKgiu, welche Gott erhalte" möge, und linker dem Schutz der
englischen Flagge vollbracht werden.

Der Glanzpunkte in seinein Leben sind drei, Einmal hörte er Canning's
gewaltige Stimme im Parlament, dann hatte er das Glück, der vielbeweiuten
Princeß Charlotte die Hand zu küssen, endlich hat er in früher Jugend der Krö¬
nung Georg's beigewohnt. An freundlichen Sommernachmittagen greift er daher
zum. Krückstock und wandert in die Umgegend von Pettyevat-Laue; dort im
Laden eines Tvbaeeouist, der seine Schnupftabaksdose füllt, setzt er sich auf die
Baut an der Thüre und plaudert mit dem Tabakshäudler, einem alten Bekannten,
von jenen großen Momenten seines Lebens. Bald sammeln sich die Kinder und
Bettler der Nachbarschaft um den Großvater, schmunzelnd theilt er eiuen Sixpence
nach dem andern aus, und ermahnt die aufwachsende Generation, fleißig für die
Königin zu beten, dann für den Lord Mayor und endlich für die glorreichen In¬
stitutionen von Altengland. In diesen NachinittagSplandereien besteht ein Haupt-
geuuß seiner alten Tage, den er in Brighton schmerzlich vermißt.

Seit ich nun die Schwelle des gastlichen Hauses in Negeuey Square über¬
schritte", nahm mich Großvater Do"die-?)o" i" Beschlag. Da ich leidliches Eng¬
lisch sprach, erklärte er mich nach der ersten Biertelstuude für einen fleckenlosen
Tugendspiegel nud überschüttete mich mit Zärtlichkeiten aller Art. Indessen, das
edelste Wohlwollen ist nicht frei von Eigennutz, "ut die Liebkosungen des Gro߬
vaters auch nicht: ich muß ihm Pettyeoat-Laue ersetzen und die Größe Alteuglauds
bewundern helfen. Seltsame Mischung von englischem und jüdischem Wesen in
dem guten Alten. Er hat sein Lebtage nicht nach großen Schätzen gejagt, nie
auf der Börse gespielt, nie daran gedacht, nur von fern in die Fußtapfen Roth-
schild'S zu treten, dennoch beginnt er seine Lobpsalmen ans Eiigland stets mit der
Aufzählung seiner Neichthünler; am ersten Tage unserer Bekanntschaft führte
er mich bei Seite und vertraute mir eiuen Gedanken, den er seit langer Zeit mit
sich heruiiltrng. Ob eS nicht möglich wäre, grübelte er, genau zusammeuzurech-
nen, was Großbritannien mit seiner Flotte, seine" Städte", Colonien und Eisen¬
bahnen in Pfund, Shilling und Pence an Werth betrage? Damit die Welt er¬
kenne, was England sei!

Als ich ihn später in London sah, ließ er mich nach jedem Ausflug, den wir
Jüngern machten, schleunigst vor seinen Sorgenstuhl citiren, und verhörte mich
über meine Eindrücke. -- "Haben Sie gesehen," rief er mit immer steigendem
Eifer, "haben Sie gesehen die Docks, haben Sie gesehen die Schiffen, haben
Sie gestanden auf London Bridge, -- was sagen Sie? Und die Hänser, wie sie
sind so schön gebildet (bunt: gebant)! Engelland, Gott, Gott, Engelland, was
muß das koste"!" ""d die Augen andächtig zum Himmel a"sschlage"d, hielt er
sich das Gesicht mit beiden Hände". "Und nachher," schrie er, mit einem küh¬
nen logischen Sprung in das Herz von Deutschland, "nachher komme sie in der


williguug der KöiKgiu, welche Gott erhalte» möge, und linker dem Schutz der
englischen Flagge vollbracht werden.

Der Glanzpunkte in seinein Leben sind drei, Einmal hörte er Canning's
gewaltige Stimme im Parlament, dann hatte er das Glück, der vielbeweiuten
Princeß Charlotte die Hand zu küssen, endlich hat er in früher Jugend der Krö¬
nung Georg's beigewohnt. An freundlichen Sommernachmittagen greift er daher
zum. Krückstock und wandert in die Umgegend von Pettyevat-Laue; dort im
Laden eines Tvbaeeouist, der seine Schnupftabaksdose füllt, setzt er sich auf die
Baut an der Thüre und plaudert mit dem Tabakshäudler, einem alten Bekannten,
von jenen großen Momenten seines Lebens. Bald sammeln sich die Kinder und
Bettler der Nachbarschaft um den Großvater, schmunzelnd theilt er eiuen Sixpence
nach dem andern aus, und ermahnt die aufwachsende Generation, fleißig für die
Königin zu beten, dann für den Lord Mayor und endlich für die glorreichen In¬
stitutionen von Altengland. In diesen NachinittagSplandereien besteht ein Haupt-
geuuß seiner alten Tage, den er in Brighton schmerzlich vermißt.

Seit ich nun die Schwelle des gastlichen Hauses in Negeuey Square über¬
schritte», nahm mich Großvater Do»die-?)o» i» Beschlag. Da ich leidliches Eng¬
lisch sprach, erklärte er mich nach der ersten Biertelstuude für einen fleckenlosen
Tugendspiegel nud überschüttete mich mit Zärtlichkeiten aller Art. Indessen, das
edelste Wohlwollen ist nicht frei von Eigennutz, »ut die Liebkosungen des Gro߬
vaters auch nicht: ich muß ihm Pettyeoat-Laue ersetzen und die Größe Alteuglauds
bewundern helfen. Seltsame Mischung von englischem und jüdischem Wesen in
dem guten Alten. Er hat sein Lebtage nicht nach großen Schätzen gejagt, nie
auf der Börse gespielt, nie daran gedacht, nur von fern in die Fußtapfen Roth-
schild'S zu treten, dennoch beginnt er seine Lobpsalmen ans Eiigland stets mit der
Aufzählung seiner Neichthünler; am ersten Tage unserer Bekanntschaft führte
er mich bei Seite und vertraute mir eiuen Gedanken, den er seit langer Zeit mit
sich heruiiltrng. Ob eS nicht möglich wäre, grübelte er, genau zusammeuzurech-
nen, was Großbritannien mit seiner Flotte, seine» Städte», Colonien und Eisen¬
bahnen in Pfund, Shilling und Pence an Werth betrage? Damit die Welt er¬
kenne, was England sei!

Als ich ihn später in London sah, ließ er mich nach jedem Ausflug, den wir
Jüngern machten, schleunigst vor seinen Sorgenstuhl citiren, und verhörte mich
über meine Eindrücke. — „Haben Sie gesehen," rief er mit immer steigendem
Eifer, „haben Sie gesehen die Docks, haben Sie gesehen die Schiffen, haben
Sie gestanden auf London Bridge, — was sagen Sie? Und die Hänser, wie sie
sind so schön gebildet (bunt: gebant)! Engelland, Gott, Gott, Engelland, was
muß das koste»!" »»d die Augen andächtig zum Himmel a»sschlage»d, hielt er
sich das Gesicht mit beiden Hände». „Und nachher," schrie er, mit einem küh¬
nen logischen Sprung in das Herz von Deutschland, „nachher komme sie in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/76>, abgerufen am 22.07.2024.