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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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seinem Personal wegen seiner Knauserei und Gemeinheit gehaßter Patron, hat
dem ungarischen Nationaltheater die Concurrenz sehr erleichtert, und die Direction
stand am Vorabend eines Bankcrotts, als im Januar 1847 das Theater mit
fast allen AdhärentibnS nach einer Vorstellung der Oper Zampa in Flammen ge¬
riet!) und bis auf den Grund niederbrannte. Forst war jetzt nicht nur seine
Gläubiger los, sondern wußte noch eine Actiengesellschaft zusammenzubringen, die
für ihn und seine Gesellschaft ein Jnterimstheater auf dem neuen Markte erbaute.
Aber Forst konnte jetzt unter der Controlle der Actionäre nicht nach seinem
Willen schalten und war genöthigt auszutreten, das Institut wurde dann von
einem Schausvielerauöschnß unter Kalis's Regie geleitet.

Die Revolution war, wie alle Revolution, den Bretern, welche die Welt vorstellen,
nicht günstig, aber das Jnterimstheater zeigte sich durch und durch patriotisch, der
Enthusiasmus für die magyarische Sprache hatte mit "engeweckten Leidenschaften
abgenommen, und der Zusammenfluß der gebildeten Gesellschaft in Pesth durch
den Sitz der Regierung, durch die Nationalversammlung n. s. w,, blieb auch für
die Casse des deutschen Theaters nicht ohne Vortheil. Die schonen Bestrebungen
des Instituts fanden in Anbetracht seiner geringen Kräfte gerechte Anerkennung.
Mit dem Einzuge Windischgrätz's in Pesth glaubte man, würden sich die Ver¬
hältnisse der deutschen Thalia besser gestalten, allein von dem trat eben das Ge¬
gentheil ein. Die Stadt war von ihren gebildetsten und reichsten Einwohnern
verlassen; das östreichische Offiziercorps ist wohl im Staude, volle Häuser,
aber nicht volle Cassen zu machen"); übrigens hatten die Oestreicher nnr wenig
Zeit, Schauspielhäuser zu besuchen, da sie selbst die Helden einer großen Tra¬
gödie waren, und als Windischgrätz abzog, und sich die Ansichten für die deutschen
Histrionen besser gestalteten, schleuderte ihnen Henzi einige Bomben in ihre hölzerne
Bilde, und machte dem Spiel ein Ende. Nach dem Einzuge Haynau's wurde
zwar das Jnterimstheater wieder aufgebaut, aber jetzt concentrirte sich der von
allen Seiten in die Enge getriebene Patriotismus in den Hallen des reich dotir-
ter und vou Patrioten geleiteten Nationaltheaters, und die siegreiche deut¬
sche Thalia steht verlassen da, während ihre geknechtete magyarische Schwester
von Anbetern umschwärmt ist. Daß aber die Intendantur unseres National¬
theaters ihre Hilfsmittel gut anzuwenden weiß, beweist das Engagement der La¬
grange und die gestern zur Aufführung gebrachte Oper "der Prophet" von
Meyerbeer. Diese vielgetadelte Composition des französisch-deutschen Mnsikdichters
mußte auf unsere gedrückte politische Stimmung den besten Eindruck machen; denn
unsere Presse wird von Tambouren cvmmmldirt, und unlängst wurde eine Re¬
daction mit Suspension bedroht, weil sie es wagte zu sagen, daß die Götter-



ES ist ein altes Vorrecht der östreichische" Offiziere, in jedem Theater nur 4 Kreu¬
zer Münze für Entrv parterre zu zahlen. Herrscht bei Ihnen auch dieser Brauch?

seinem Personal wegen seiner Knauserei und Gemeinheit gehaßter Patron, hat
dem ungarischen Nationaltheater die Concurrenz sehr erleichtert, und die Direction
stand am Vorabend eines Bankcrotts, als im Januar 1847 das Theater mit
fast allen AdhärentibnS nach einer Vorstellung der Oper Zampa in Flammen ge¬
riet!) und bis auf den Grund niederbrannte. Forst war jetzt nicht nur seine
Gläubiger los, sondern wußte noch eine Actiengesellschaft zusammenzubringen, die
für ihn und seine Gesellschaft ein Jnterimstheater auf dem neuen Markte erbaute.
Aber Forst konnte jetzt unter der Controlle der Actionäre nicht nach seinem
Willen schalten und war genöthigt auszutreten, das Institut wurde dann von
einem Schausvielerauöschnß unter Kalis's Regie geleitet.

Die Revolution war, wie alle Revolution, den Bretern, welche die Welt vorstellen,
nicht günstig, aber das Jnterimstheater zeigte sich durch und durch patriotisch, der
Enthusiasmus für die magyarische Sprache hatte mit „engeweckten Leidenschaften
abgenommen, und der Zusammenfluß der gebildeten Gesellschaft in Pesth durch
den Sitz der Regierung, durch die Nationalversammlung n. s. w,, blieb auch für
die Casse des deutschen Theaters nicht ohne Vortheil. Die schonen Bestrebungen
des Instituts fanden in Anbetracht seiner geringen Kräfte gerechte Anerkennung.
Mit dem Einzuge Windischgrätz's in Pesth glaubte man, würden sich die Ver¬
hältnisse der deutschen Thalia besser gestalten, allein von dem trat eben das Ge¬
gentheil ein. Die Stadt war von ihren gebildetsten und reichsten Einwohnern
verlassen; das östreichische Offiziercorps ist wohl im Staude, volle Häuser,
aber nicht volle Cassen zu machen"); übrigens hatten die Oestreicher nnr wenig
Zeit, Schauspielhäuser zu besuchen, da sie selbst die Helden einer großen Tra¬
gödie waren, und als Windischgrätz abzog, und sich die Ansichten für die deutschen
Histrionen besser gestalteten, schleuderte ihnen Henzi einige Bomben in ihre hölzerne
Bilde, und machte dem Spiel ein Ende. Nach dem Einzuge Haynau's wurde
zwar das Jnterimstheater wieder aufgebaut, aber jetzt concentrirte sich der von
allen Seiten in die Enge getriebene Patriotismus in den Hallen des reich dotir-
ter und vou Patrioten geleiteten Nationaltheaters, und die siegreiche deut¬
sche Thalia steht verlassen da, während ihre geknechtete magyarische Schwester
von Anbetern umschwärmt ist. Daß aber die Intendantur unseres National¬
theaters ihre Hilfsmittel gut anzuwenden weiß, beweist das Engagement der La¬
grange und die gestern zur Aufführung gebrachte Oper „der Prophet" von
Meyerbeer. Diese vielgetadelte Composition des französisch-deutschen Mnsikdichters
mußte auf unsere gedrückte politische Stimmung den besten Eindruck machen; denn
unsere Presse wird von Tambouren cvmmmldirt, und unlängst wurde eine Re¬
daction mit Suspension bedroht, weil sie es wagte zu sagen, daß die Götter-



ES ist ein altes Vorrecht der östreichische» Offiziere, in jedem Theater nur 4 Kreu¬
zer Münze für Entrv parterre zu zahlen. Herrscht bei Ihnen auch dieser Brauch?
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[0517] seinem Personal wegen seiner Knauserei und Gemeinheit gehaßter Patron, hat dem ungarischen Nationaltheater die Concurrenz sehr erleichtert, und die Direction stand am Vorabend eines Bankcrotts, als im Januar 1847 das Theater mit fast allen AdhärentibnS nach einer Vorstellung der Oper Zampa in Flammen ge¬ riet!) und bis auf den Grund niederbrannte. Forst war jetzt nicht nur seine Gläubiger los, sondern wußte noch eine Actiengesellschaft zusammenzubringen, die für ihn und seine Gesellschaft ein Jnterimstheater auf dem neuen Markte erbaute. Aber Forst konnte jetzt unter der Controlle der Actionäre nicht nach seinem Willen schalten und war genöthigt auszutreten, das Institut wurde dann von einem Schausvielerauöschnß unter Kalis's Regie geleitet. Die Revolution war, wie alle Revolution, den Bretern, welche die Welt vorstellen, nicht günstig, aber das Jnterimstheater zeigte sich durch und durch patriotisch, der Enthusiasmus für die magyarische Sprache hatte mit „engeweckten Leidenschaften abgenommen, und der Zusammenfluß der gebildeten Gesellschaft in Pesth durch den Sitz der Regierung, durch die Nationalversammlung n. s. w,, blieb auch für die Casse des deutschen Theaters nicht ohne Vortheil. Die schonen Bestrebungen des Instituts fanden in Anbetracht seiner geringen Kräfte gerechte Anerkennung. Mit dem Einzuge Windischgrätz's in Pesth glaubte man, würden sich die Ver¬ hältnisse der deutschen Thalia besser gestalten, allein von dem trat eben das Ge¬ gentheil ein. Die Stadt war von ihren gebildetsten und reichsten Einwohnern verlassen; das östreichische Offiziercorps ist wohl im Staude, volle Häuser, aber nicht volle Cassen zu machen"); übrigens hatten die Oestreicher nnr wenig Zeit, Schauspielhäuser zu besuchen, da sie selbst die Helden einer großen Tra¬ gödie waren, und als Windischgrätz abzog, und sich die Ansichten für die deutschen Histrionen besser gestalteten, schleuderte ihnen Henzi einige Bomben in ihre hölzerne Bilde, und machte dem Spiel ein Ende. Nach dem Einzuge Haynau's wurde zwar das Jnterimstheater wieder aufgebaut, aber jetzt concentrirte sich der von allen Seiten in die Enge getriebene Patriotismus in den Hallen des reich dotir- ter und vou Patrioten geleiteten Nationaltheaters, und die siegreiche deut¬ sche Thalia steht verlassen da, während ihre geknechtete magyarische Schwester von Anbetern umschwärmt ist. Daß aber die Intendantur unseres National¬ theaters ihre Hilfsmittel gut anzuwenden weiß, beweist das Engagement der La¬ grange und die gestern zur Aufführung gebrachte Oper „der Prophet" von Meyerbeer. Diese vielgetadelte Composition des französisch-deutschen Mnsikdichters mußte auf unsere gedrückte politische Stimmung den besten Eindruck machen; denn unsere Presse wird von Tambouren cvmmmldirt, und unlängst wurde eine Re¬ daction mit Suspension bedroht, weil sie es wagte zu sagen, daß die Götter- ES ist ein altes Vorrecht der östreichische» Offiziere, in jedem Theater nur 4 Kreu¬ zer Münze für Entrv parterre zu zahlen. Herrscht bei Ihnen auch dieser Brauch?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/517>, abgerufen am 01.07.2024.