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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Noch größer aber dürste die Opposition sein, mit der die Negierung bei
der Neorganisiruug der hiesigen Universität zu kämpfen haben wird. In den
Regierungsblättern wird'mit ziemlicher Gewißheit darauf vorbereitet, daß diese
Hochschule in ihrem ganzen Wesen eine deutsche werden wird; doch sollen für
die magyarische Philologie und die vaterländische Geschichte eigene, magyarische
Lehrkanzeln errichtet werde", Ich kaun Sie versichern, daß diese Maßregel den
heftigsten und gerechteste" Widerstand hervorrufen wird. Ich gehöre nicht
zu denen, welche mit der alten Suprematie des magyarischen Idioms die alten
Mißbräuche und Uebergriffe herbeiwünschen, und diese Partei ist überhaupt durch
die letzten Ereignisse sehr gelichtet worden; aber ich kann den Wunsch von
51/2 Millionen der gebildetsten Einwohner des Landes, die Entwickelung ihrer
schönen Sprache durch die einzige Hochschule in ihrem Vaterlande, unangefochten
zu sehen nicht anders, als billigen. Die IV2 Million Deutschen, welche den
Magyaren in Ungarn in Hinsicht der Cultur einzig und allein ebenbürtig sind,
finden in deu Hochschulen zu Wien, Prag, Olmütz, Gratz, Jnspruck u. s. w. Ge¬
legenheit genug, ihren Söhnen eine deutsche Erziehung geben zu lassen; die
Slaven haben schon in Prag bedeutenden Boden gewonnen, und wenn es der
Regierung mit der Gleichberechtigung ernst ist, so möge sie die Akademie zu
Agram in eine rein slavische Universität umwandeln, die mit Kunstschätzen und
Büchern reichlich versehene Akademie wird wenig Schwierigkeiten darbieten, und
die Slaven haben nicht an Schwierigkeiten gedacht, als sie dein größten Ver¬
sprecher unserer Zeit in den Krieg gegen das tapferste Volk dieser Erde folgten.
Auch deu Walachen könne zur Erweiterung deö alten Araber Seminars Rechnung
getragen werden; aber was soll der Magyar macheu, wenn die einzige Hoch¬
schule, wo er bis jetzt sich eiuen Grad von Bildung aneignen konnte, ihm
für immer verschlossen wird. Der Magyar steht vereinzelt da mit seiner Sprache
in Europa, und muß "schon eine höhere Bildungsstufe erreicht haben, wenn er
eine auswärtige Schule besuchen will. Die Pesthcr Universität germanisiren hieße
also den Magyaren die Thore der Wissenschaft verschließen, dies wünschen aber
selbst unsere deutschen Brüder nicht, und die Slaven, welche nichts dabei ge¬
winnen, noch weniger.

Wäre unsere Regierung nicht blind für gewisse Winke der Zeit, so könnte
sie in dem Schicksale des hiesigen deutschen Theaters das Prognostikon für ihre
GermanisirnugSpläne lesen.

Dieser letzte Vorposten der deutsche" Muse im Osten hat während der letzten
Jahre sehr mannigfaltige Veränderungen erlitten, und der Sieg des deutscheu
Kaiserhauses in Ungarn droht ihm vollends den Todesstoß zu geben. Noch vor der
Revolution hatte das hiesige städtische Theater, welches einst zu den größten und vor¬
züglichsten Deutschlands gehörte, sehr viel von seinem frühern Glänze verloren. Forst,
der damalige Director des Instituts, ein von Niemandem geachteter und von


Noch größer aber dürste die Opposition sein, mit der die Negierung bei
der Neorganisiruug der hiesigen Universität zu kämpfen haben wird. In den
Regierungsblättern wird'mit ziemlicher Gewißheit darauf vorbereitet, daß diese
Hochschule in ihrem ganzen Wesen eine deutsche werden wird; doch sollen für
die magyarische Philologie und die vaterländische Geschichte eigene, magyarische
Lehrkanzeln errichtet werde», Ich kaun Sie versichern, daß diese Maßregel den
heftigsten und gerechteste« Widerstand hervorrufen wird. Ich gehöre nicht
zu denen, welche mit der alten Suprematie des magyarischen Idioms die alten
Mißbräuche und Uebergriffe herbeiwünschen, und diese Partei ist überhaupt durch
die letzten Ereignisse sehr gelichtet worden; aber ich kann den Wunsch von
51/2 Millionen der gebildetsten Einwohner des Landes, die Entwickelung ihrer
schönen Sprache durch die einzige Hochschule in ihrem Vaterlande, unangefochten
zu sehen nicht anders, als billigen. Die IV2 Million Deutschen, welche den
Magyaren in Ungarn in Hinsicht der Cultur einzig und allein ebenbürtig sind,
finden in deu Hochschulen zu Wien, Prag, Olmütz, Gratz, Jnspruck u. s. w. Ge¬
legenheit genug, ihren Söhnen eine deutsche Erziehung geben zu lassen; die
Slaven haben schon in Prag bedeutenden Boden gewonnen, und wenn es der
Regierung mit der Gleichberechtigung ernst ist, so möge sie die Akademie zu
Agram in eine rein slavische Universität umwandeln, die mit Kunstschätzen und
Büchern reichlich versehene Akademie wird wenig Schwierigkeiten darbieten, und
die Slaven haben nicht an Schwierigkeiten gedacht, als sie dein größten Ver¬
sprecher unserer Zeit in den Krieg gegen das tapferste Volk dieser Erde folgten.
Auch deu Walachen könne zur Erweiterung deö alten Araber Seminars Rechnung
getragen werden; aber was soll der Magyar macheu, wenn die einzige Hoch¬
schule, wo er bis jetzt sich eiuen Grad von Bildung aneignen konnte, ihm
für immer verschlossen wird. Der Magyar steht vereinzelt da mit seiner Sprache
in Europa, und muß »schon eine höhere Bildungsstufe erreicht haben, wenn er
eine auswärtige Schule besuchen will. Die Pesthcr Universität germanisiren hieße
also den Magyaren die Thore der Wissenschaft verschließen, dies wünschen aber
selbst unsere deutschen Brüder nicht, und die Slaven, welche nichts dabei ge¬
winnen, noch weniger.

Wäre unsere Regierung nicht blind für gewisse Winke der Zeit, so könnte
sie in dem Schicksale des hiesigen deutschen Theaters das Prognostikon für ihre
GermanisirnugSpläne lesen.

Dieser letzte Vorposten der deutsche» Muse im Osten hat während der letzten
Jahre sehr mannigfaltige Veränderungen erlitten, und der Sieg des deutscheu
Kaiserhauses in Ungarn droht ihm vollends den Todesstoß zu geben. Noch vor der
Revolution hatte das hiesige städtische Theater, welches einst zu den größten und vor¬
züglichsten Deutschlands gehörte, sehr viel von seinem frühern Glänze verloren. Forst,
der damalige Director des Instituts, ein von Niemandem geachteter und von


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[0516] Noch größer aber dürste die Opposition sein, mit der die Negierung bei der Neorganisiruug der hiesigen Universität zu kämpfen haben wird. In den Regierungsblättern wird'mit ziemlicher Gewißheit darauf vorbereitet, daß diese Hochschule in ihrem ganzen Wesen eine deutsche werden wird; doch sollen für die magyarische Philologie und die vaterländische Geschichte eigene, magyarische Lehrkanzeln errichtet werde», Ich kaun Sie versichern, daß diese Maßregel den heftigsten und gerechteste« Widerstand hervorrufen wird. Ich gehöre nicht zu denen, welche mit der alten Suprematie des magyarischen Idioms die alten Mißbräuche und Uebergriffe herbeiwünschen, und diese Partei ist überhaupt durch die letzten Ereignisse sehr gelichtet worden; aber ich kann den Wunsch von 51/2 Millionen der gebildetsten Einwohner des Landes, die Entwickelung ihrer schönen Sprache durch die einzige Hochschule in ihrem Vaterlande, unangefochten zu sehen nicht anders, als billigen. Die IV2 Million Deutschen, welche den Magyaren in Ungarn in Hinsicht der Cultur einzig und allein ebenbürtig sind, finden in deu Hochschulen zu Wien, Prag, Olmütz, Gratz, Jnspruck u. s. w. Ge¬ legenheit genug, ihren Söhnen eine deutsche Erziehung geben zu lassen; die Slaven haben schon in Prag bedeutenden Boden gewonnen, und wenn es der Regierung mit der Gleichberechtigung ernst ist, so möge sie die Akademie zu Agram in eine rein slavische Universität umwandeln, die mit Kunstschätzen und Büchern reichlich versehene Akademie wird wenig Schwierigkeiten darbieten, und die Slaven haben nicht an Schwierigkeiten gedacht, als sie dein größten Ver¬ sprecher unserer Zeit in den Krieg gegen das tapferste Volk dieser Erde folgten. Auch deu Walachen könne zur Erweiterung deö alten Araber Seminars Rechnung getragen werden; aber was soll der Magyar macheu, wenn die einzige Hoch¬ schule, wo er bis jetzt sich eiuen Grad von Bildung aneignen konnte, ihm für immer verschlossen wird. Der Magyar steht vereinzelt da mit seiner Sprache in Europa, und muß »schon eine höhere Bildungsstufe erreicht haben, wenn er eine auswärtige Schule besuchen will. Die Pesthcr Universität germanisiren hieße also den Magyaren die Thore der Wissenschaft verschließen, dies wünschen aber selbst unsere deutschen Brüder nicht, und die Slaven, welche nichts dabei ge¬ winnen, noch weniger. Wäre unsere Regierung nicht blind für gewisse Winke der Zeit, so könnte sie in dem Schicksale des hiesigen deutschen Theaters das Prognostikon für ihre GermanisirnugSpläne lesen. Dieser letzte Vorposten der deutsche» Muse im Osten hat während der letzten Jahre sehr mannigfaltige Veränderungen erlitten, und der Sieg des deutscheu Kaiserhauses in Ungarn droht ihm vollends den Todesstoß zu geben. Noch vor der Revolution hatte das hiesige städtische Theater, welches einst zu den größten und vor¬ züglichsten Deutschlands gehörte, sehr viel von seinem frühern Glänze verloren. Forst, der damalige Director des Instituts, ein von Niemandem geachteter und von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/516>, abgerufen am 01.10.2024.