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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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weiß.Die Volksführer Roman und Kowür sind die einzigen historischen Namen,
welche sich im walachischen Volksmund erhalten haben und ein paar Rebellionen
gegen Oestreich, in denen sie einen wild kriegerischen Ruf erhielten, machen die
ganze bekannte Geschichte dieses isolirten Völkleins aus. Nationallieder - versteht
sich nun mehr in czechischer Sprache, haben sich viele und recht interessante erhalten,
welche sich bei aller Weichheit und klagenden Melancholie doch sehr wesentlich von
denen der übrigen slavisch sprechenden Nachbarn unterscheiden. Im Gesänge selbst
steht der Walache allen benachbarten Originalslaven ziemlich weit nach.

Ihre Lebensweise ist eine bescheidene und sehr mäßige, ihr Tisch ein fru¬
galer, ihr Trunk meistens Milch und Brunnenwasser; Branntwein kennen und
brauchen sie seltener als die Slowaken. Kartoffeln, Roggenbrod, Käse und ge¬
kochtes Schöpsenfleisch dient zur gewöhnlichen Nahrung, ganz im Einklang mit
ihrer Hauptbeschäftigung, der Viehzucht, welche sie aus ihren Bergen in Mähren
am eifrigsten betreiben. Ihre Wohnungen gleichen den Sennerhütten und heißen
"Li.Ü!,",88l!". .

Eine ausführlichere beschreibende Würdigung verdienen die ein hohes Alter
verrathenden charakteristischen Gebräuche und Ceremonien bei Hochzeitsfesten, Kirch¬
tagen u. tgi., in deren ewigen sich altchristlicher Mythus mit dem heidnischen
gepaart hat und die den Walachen inwohnende starke Religiosität und Abergläu¬
bigkeit sich deutlich genug ausprägt. Während die umwohnenden Slaven am
Palmsonntag und Charfreitag ein eigenthümliches Puppenspiel treiben, das noch
der Nest eiuer alte" Mysterie scheint, die Verbrennung oder Ersäufung des "Erz¬
schelms Judas Ischarioth", begehen an diesem Tage die Walachen ein Fest, das
ganz an das Heidenthum, mahnt und einen Maßstab gibt für die uralte Zeit der
Ansiedelung der Walachen in Mähren, die wir für den ältesten der jetzt Mähren
noch bewohnenden Stämme halten. Ein Strohmann, mit rothen und blauen
Lappen behängt, wird von Mädchen ans einer Stange getragen, die männliche
Jugend folgt singend und mit Erdschollen nach dem Hampelmann werfend und
so geht der Zug ziemlich tuumltuarisch fort bis zum nächsten Bach oder Teich, in
welchen die Strohpuppe kopfüber gestürzt wird. Der Gesangstext ist uralt, ein
wichtiger Nest eines heidnisch-slavischen Opserliedes und beginnt:


"lip uelr Irolol"
milÄ Noi'-in" ! "

Moraua war die Todesgöttin der alten Slaven und diese ganze Ceremonie dient
als ein Beweis, daß die Walachen lange vor Mojmir und der Dynastie der
Swatoplute, schon in der Urzeit in Mährens Bergen gesessen sind und sehr früh
vou den eingewanderten heidnischen Slaven viel von deren religiösem Cultus über-



Bei den Ramann in den Dmiansiustenthnmern und in Sicvcnbiirgen gilt der
Rauie "Walach" als feindselig und spottend.

weiß.Die Volksführer Roman und Kowür sind die einzigen historischen Namen,
welche sich im walachischen Volksmund erhalten haben und ein paar Rebellionen
gegen Oestreich, in denen sie einen wild kriegerischen Ruf erhielten, machen die
ganze bekannte Geschichte dieses isolirten Völkleins aus. Nationallieder - versteht
sich nun mehr in czechischer Sprache, haben sich viele und recht interessante erhalten,
welche sich bei aller Weichheit und klagenden Melancholie doch sehr wesentlich von
denen der übrigen slavisch sprechenden Nachbarn unterscheiden. Im Gesänge selbst
steht der Walache allen benachbarten Originalslaven ziemlich weit nach.

Ihre Lebensweise ist eine bescheidene und sehr mäßige, ihr Tisch ein fru¬
galer, ihr Trunk meistens Milch und Brunnenwasser; Branntwein kennen und
brauchen sie seltener als die Slowaken. Kartoffeln, Roggenbrod, Käse und ge¬
kochtes Schöpsenfleisch dient zur gewöhnlichen Nahrung, ganz im Einklang mit
ihrer Hauptbeschäftigung, der Viehzucht, welche sie aus ihren Bergen in Mähren
am eifrigsten betreiben. Ihre Wohnungen gleichen den Sennerhütten und heißen
„Li.Ü!,»,88l!". .

Eine ausführlichere beschreibende Würdigung verdienen die ein hohes Alter
verrathenden charakteristischen Gebräuche und Ceremonien bei Hochzeitsfesten, Kirch¬
tagen u. tgi., in deren ewigen sich altchristlicher Mythus mit dem heidnischen
gepaart hat und die den Walachen inwohnende starke Religiosität und Abergläu¬
bigkeit sich deutlich genug ausprägt. Während die umwohnenden Slaven am
Palmsonntag und Charfreitag ein eigenthümliches Puppenspiel treiben, das noch
der Nest eiuer alte» Mysterie scheint, die Verbrennung oder Ersäufung des „Erz¬
schelms Judas Ischarioth", begehen an diesem Tage die Walachen ein Fest, das
ganz an das Heidenthum, mahnt und einen Maßstab gibt für die uralte Zeit der
Ansiedelung der Walachen in Mähren, die wir für den ältesten der jetzt Mähren
noch bewohnenden Stämme halten. Ein Strohmann, mit rothen und blauen
Lappen behängt, wird von Mädchen ans einer Stange getragen, die männliche
Jugend folgt singend und mit Erdschollen nach dem Hampelmann werfend und
so geht der Zug ziemlich tuumltuarisch fort bis zum nächsten Bach oder Teich, in
welchen die Strohpuppe kopfüber gestürzt wird. Der Gesangstext ist uralt, ein
wichtiger Nest eines heidnisch-slavischen Opserliedes und beginnt:


„lip uelr Irolol»
milÄ Noi'-in» ! "

Moraua war die Todesgöttin der alten Slaven und diese ganze Ceremonie dient
als ein Beweis, daß die Walachen lange vor Mojmir und der Dynastie der
Swatoplute, schon in der Urzeit in Mährens Bergen gesessen sind und sehr früh
vou den eingewanderten heidnischen Slaven viel von deren religiösem Cultus über-



Bei den Ramann in den Dmiansiustenthnmern und in Sicvcnbiirgen gilt der
Rauie „Walach" als feindselig und spottend.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/506>, abgerufen am 22.07.2024.