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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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klingen, slavisch lind deutsch, so unterscheiden sich diese auch hier in einer Masse
seltsamer Dialekte. Unter deu deutschen Bewohnern Mährens, welch' eine Ver¬
schiedenheit in Sitte, Kleidung und Mundart! Die sogenannten Tajaner
Deutschen werden sich nur schwer mit ihren Stammverwandten im Kuhländchen
verständigen können, welche letztere interessante Landschaft in dem verstorbenen
prager Professor H. Meinert einen gewandten ethnographischen Schilderer ge¬
funden hat. Weiter wohnen in Mähren, durch augenfällige charakteristische Kenn¬
zeichen präcis abgegrenzt: Ho raten an Böhmens Grenze, Hamaker im ge¬
segneten Herzen des Landes, Krobaten oder Podluzakeu, Slowaken und
Walachen; diese alle sprechen czechisch, freilich in diffcrirendcn Dialekten. Um
das völkerschaftliche Babel vollkommener zu machen, mußte auch uoch Maria The¬
resia's Gemahl Kaiser Franz >. i. I. 1703 Colouiste" ans Lotharingen nach
Mähren berufen, welche sich um Czeic nud Theresienfeld angesiedelt haben, wo
sich noch bis jetzt ein französisches Patois behauptet.

In unserer heutigen Skizze wollen wir uns mit den Walachen beschäftigen,
über welche bis jetzt anch noch nicht einmal ein kleines mageres Compendium
existirt. Die Walachen wohnen in Mähren ziemlich dicht bei Roman, Fraukstadt
und an den Quellen der Beezwa im Prcraner Kreise, dann in den östlichen Gebirgs¬
gegenden des Hradischer Kreises, um Iablnukau und Hrnschka und am Gebirgspaß
Wlar, wo sie bis nach Ungarn hineinragen, im Ganzen 214,428 Köpfe") stark.
Sie sind offenbar keltischen Ursprungs, doch ganz und gar slavisirt. Sie sprechet!
ein reineres Czechisch als die Hamaker nud die slavischen Bewohner des Brunner
Kreises, nicht so schleppend, breit und plump wie jene, noch so pracipitirend
und corrupt wie diese, ihr Czechisch klingt schlicht und volltönend, nur einige alt¬
slavische Formen und cyrillische Archaismen geben ihrer Redeweise etwas Fremd¬
artiges, was jedoch dem Verständniß der gewöhnlichen czechischen Schriftsprache
durchaus nicht hindernd entgegentritt. Daß die Walachen eben keine leiden¬
schaftlichen Bücherleser und Förderer der czechisch-slavischen Literatur sind, liegt
in ihrer Lebensweise und Bildung.

Das Gesicht des Walachen in Mähren ist gewöhnlich stark gebräunt und vou
ziemlich edlen Zügen, das tiefblaue Auge feurig und vou energischem Ausdruck,
nicht selten mit einer Beimischung von Schwermut!), das nicht stereotyp gefärbte
Haupthaar wird lang und wallend getragen, sorgfältig glatt gekämmt, anch wohl
gar mit Speck fettgläuzend gemacht. Die scharf gezeichnete, etwas breite Ober¬
lippe deckt auch bei dem Gemeinsten ein starker Schnurrbart, Kinn und Backen
werden rastrt. Die körperliche Beschaffenheit des Mannes ist stark und kräftig,
knochig und mehr sehnig als fleischig. Der Wuchs der walachischen Weiber ist
schlank und üppig; ihr Gang hat etwas eigenthümlich Elastisches, wahrend die



*) Nach Prof. Sandern'ö Zahlung.

klingen, slavisch lind deutsch, so unterscheiden sich diese auch hier in einer Masse
seltsamer Dialekte. Unter deu deutschen Bewohnern Mährens, welch' eine Ver¬
schiedenheit in Sitte, Kleidung und Mundart! Die sogenannten Tajaner
Deutschen werden sich nur schwer mit ihren Stammverwandten im Kuhländchen
verständigen können, welche letztere interessante Landschaft in dem verstorbenen
prager Professor H. Meinert einen gewandten ethnographischen Schilderer ge¬
funden hat. Weiter wohnen in Mähren, durch augenfällige charakteristische Kenn¬
zeichen präcis abgegrenzt: Ho raten an Böhmens Grenze, Hamaker im ge¬
segneten Herzen des Landes, Krobaten oder Podluzakeu, Slowaken und
Walachen; diese alle sprechen czechisch, freilich in diffcrirendcn Dialekten. Um
das völkerschaftliche Babel vollkommener zu machen, mußte auch uoch Maria The¬
resia's Gemahl Kaiser Franz >. i. I. 1703 Colouiste» ans Lotharingen nach
Mähren berufen, welche sich um Czeic nud Theresienfeld angesiedelt haben, wo
sich noch bis jetzt ein französisches Patois behauptet.

In unserer heutigen Skizze wollen wir uns mit den Walachen beschäftigen,
über welche bis jetzt anch noch nicht einmal ein kleines mageres Compendium
existirt. Die Walachen wohnen in Mähren ziemlich dicht bei Roman, Fraukstadt
und an den Quellen der Beezwa im Prcraner Kreise, dann in den östlichen Gebirgs¬
gegenden des Hradischer Kreises, um Iablnukau und Hrnschka und am Gebirgspaß
Wlar, wo sie bis nach Ungarn hineinragen, im Ganzen 214,428 Köpfe") stark.
Sie sind offenbar keltischen Ursprungs, doch ganz und gar slavisirt. Sie sprechet!
ein reineres Czechisch als die Hamaker nud die slavischen Bewohner des Brunner
Kreises, nicht so schleppend, breit und plump wie jene, noch so pracipitirend
und corrupt wie diese, ihr Czechisch klingt schlicht und volltönend, nur einige alt¬
slavische Formen und cyrillische Archaismen geben ihrer Redeweise etwas Fremd¬
artiges, was jedoch dem Verständniß der gewöhnlichen czechischen Schriftsprache
durchaus nicht hindernd entgegentritt. Daß die Walachen eben keine leiden¬
schaftlichen Bücherleser und Förderer der czechisch-slavischen Literatur sind, liegt
in ihrer Lebensweise und Bildung.

Das Gesicht des Walachen in Mähren ist gewöhnlich stark gebräunt und vou
ziemlich edlen Zügen, das tiefblaue Auge feurig und vou energischem Ausdruck,
nicht selten mit einer Beimischung von Schwermut!), das nicht stereotyp gefärbte
Haupthaar wird lang und wallend getragen, sorgfältig glatt gekämmt, anch wohl
gar mit Speck fettgläuzend gemacht. Die scharf gezeichnete, etwas breite Ober¬
lippe deckt auch bei dem Gemeinsten ein starker Schnurrbart, Kinn und Backen
werden rastrt. Die körperliche Beschaffenheit des Mannes ist stark und kräftig,
knochig und mehr sehnig als fleischig. Der Wuchs der walachischen Weiber ist
schlank und üppig; ihr Gang hat etwas eigenthümlich Elastisches, wahrend die



*) Nach Prof. Sandern'ö Zahlung.
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[0504] klingen, slavisch lind deutsch, so unterscheiden sich diese auch hier in einer Masse seltsamer Dialekte. Unter deu deutschen Bewohnern Mährens, welch' eine Ver¬ schiedenheit in Sitte, Kleidung und Mundart! Die sogenannten Tajaner Deutschen werden sich nur schwer mit ihren Stammverwandten im Kuhländchen verständigen können, welche letztere interessante Landschaft in dem verstorbenen prager Professor H. Meinert einen gewandten ethnographischen Schilderer ge¬ funden hat. Weiter wohnen in Mähren, durch augenfällige charakteristische Kenn¬ zeichen präcis abgegrenzt: Ho raten an Böhmens Grenze, Hamaker im ge¬ segneten Herzen des Landes, Krobaten oder Podluzakeu, Slowaken und Walachen; diese alle sprechen czechisch, freilich in diffcrirendcn Dialekten. Um das völkerschaftliche Babel vollkommener zu machen, mußte auch uoch Maria The¬ resia's Gemahl Kaiser Franz >. i. I. 1703 Colouiste» ans Lotharingen nach Mähren berufen, welche sich um Czeic nud Theresienfeld angesiedelt haben, wo sich noch bis jetzt ein französisches Patois behauptet. In unserer heutigen Skizze wollen wir uns mit den Walachen beschäftigen, über welche bis jetzt anch noch nicht einmal ein kleines mageres Compendium existirt. Die Walachen wohnen in Mähren ziemlich dicht bei Roman, Fraukstadt und an den Quellen der Beezwa im Prcraner Kreise, dann in den östlichen Gebirgs¬ gegenden des Hradischer Kreises, um Iablnukau und Hrnschka und am Gebirgspaß Wlar, wo sie bis nach Ungarn hineinragen, im Ganzen 214,428 Köpfe") stark. Sie sind offenbar keltischen Ursprungs, doch ganz und gar slavisirt. Sie sprechet! ein reineres Czechisch als die Hamaker nud die slavischen Bewohner des Brunner Kreises, nicht so schleppend, breit und plump wie jene, noch so pracipitirend und corrupt wie diese, ihr Czechisch klingt schlicht und volltönend, nur einige alt¬ slavische Formen und cyrillische Archaismen geben ihrer Redeweise etwas Fremd¬ artiges, was jedoch dem Verständniß der gewöhnlichen czechischen Schriftsprache durchaus nicht hindernd entgegentritt. Daß die Walachen eben keine leiden¬ schaftlichen Bücherleser und Förderer der czechisch-slavischen Literatur sind, liegt in ihrer Lebensweise und Bildung. Das Gesicht des Walachen in Mähren ist gewöhnlich stark gebräunt und vou ziemlich edlen Zügen, das tiefblaue Auge feurig und vou energischem Ausdruck, nicht selten mit einer Beimischung von Schwermut!), das nicht stereotyp gefärbte Haupthaar wird lang und wallend getragen, sorgfältig glatt gekämmt, anch wohl gar mit Speck fettgläuzend gemacht. Die scharf gezeichnete, etwas breite Ober¬ lippe deckt auch bei dem Gemeinsten ein starker Schnurrbart, Kinn und Backen werden rastrt. Die körperliche Beschaffenheit des Mannes ist stark und kräftig, knochig und mehr sehnig als fleischig. Der Wuchs der walachischen Weiber ist schlank und üppig; ihr Gang hat etwas eigenthümlich Elastisches, wahrend die *) Nach Prof. Sandern'ö Zahlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/504>, abgerufen am 01.07.2024.