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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Kirchenbußen und Verlveigernng der Absolution beherrscht werden, und gegen
freche Ketzer und Aufklärer wird man das schwere Geschütz spielen lassen, Ex-
communication und Kirchenbann, und wir waren da auf dem besten Wege ins
Mittelalter zurück. Bald wird man wieder Ablast verkaufen, Schauspielern ein
ehrliches Begräbnis; verweigern, Heren werden wieder auferstehen, Besessene
exsorcirt werden, die armen Heiligen wieder Wunder thun müssen, und am Ende
wird vielleicht noch die Erde stille zu stehen und die Souue sich um dieselbe zu
drehen gezwungen werden, wie zu den Zeiten Gallilei'S.

Ente Furcht. Das Mittelalter ist vorbei und kommt nimmermehr wieder.
Fragt uur die Romantiker, sie werden Euch eine lange und klägliche Geschichte
erzählen von diesem Verlornen Paradiese, wie wir keine schönen gothischen Dome
mehr baue" und keine Madonnen aus Goldgrund malen können, seitdem Bruder
Martin aus Eisleben die Indiscretion begangen, die Bibel in profane Hände
zu geben, und der Mainzer Schwarzkünstler metallene Lettern gegossen. Eins
aber hängt nothwendig mit dem andern zusammen. 81 .j^um^e .^rv-rit,
öl<Mohs<z porrvmt,, sagt das Sprichwort. Die Menschheit ist nun gerade wie ein
Individuum. Im Mittelalter war sie jung, feurig und kräftig, poetisch und enthu¬
siastisch gestimmt, darum konnte sie die schönen Kunstwerke schaffen; aber auch
unbesonnen, leichtgläubig und unerfahren, und darum konnten die klugen Herren
von der Kirche mit ihr machen, was sie wollten. Jetzt sind wir älter, kälter
und prosaischer, aber anch ernster, praktischer, gesetzter und klüger geworden. Es
ist wahr, wir malen, bauen und schnitzen nicht mehr so gut, wie unsre Vorfahren,
aber dafür haben wir Erfahrungen gemacht und find bessere Rechner und Oeko-
nomen wie sie.

Denken Sie nnr z. B., wenn heutzutage so ein Pater von Amiens käme,
und in den "Münchner historisch-politischen Blättern" einen Kreuzzug nach Palä¬
stina predigte. Jetzt, wo wir Eisenbahnen und Dampfschiffe haben, wäre die
Sache fast ein Kinderspiel, und Admiral Parker, oder Sir Charles Napier, könn¬
ten jedenfalls schneller vor Se. Jean d'Acre erscheinen, als ehemals Richard Löwen¬
herz, aber dennoch, wie viel heilige Freischärler würden sich wohl jetzt in ganz
Europa zu einem solchen Zuge finden? Herr von Nadowitz? Kann nicht ab¬
kommen, er ist mit der Union beschäftigt. Herr von Montalembert? Muß die
Wahlreform unterstützen. Und nnn vollends die andern Weltkinder, die gehen,
wenn sie Abenteuer aufsuchen wollen, lieber nach Ealifornien.

Das aber weiß die Kirche recht gut, sie fühlt es, ihre alte Herrlichkeit ist
vorbei und kehrt nicht wieder. Es wird sich nicht sobald ein Kaiser finden, der
dem Papste den Steigbügel hält.

Die Kirche, denke ich, wird sich jetzt zufrieden geben, wenn es ihr nur ge¬
lingt, ein Bischen Frömmigkeit und Gottesfurcht im Volke zu erhalten. Will sie
aber das Unmögliche versuchen, so fürchten wir uns auch nicht. Unsre Waffen


Kirchenbußen und Verlveigernng der Absolution beherrscht werden, und gegen
freche Ketzer und Aufklärer wird man das schwere Geschütz spielen lassen, Ex-
communication und Kirchenbann, und wir waren da auf dem besten Wege ins
Mittelalter zurück. Bald wird man wieder Ablast verkaufen, Schauspielern ein
ehrliches Begräbnis; verweigern, Heren werden wieder auferstehen, Besessene
exsorcirt werden, die armen Heiligen wieder Wunder thun müssen, und am Ende
wird vielleicht noch die Erde stille zu stehen und die Souue sich um dieselbe zu
drehen gezwungen werden, wie zu den Zeiten Gallilei'S.

Ente Furcht. Das Mittelalter ist vorbei und kommt nimmermehr wieder.
Fragt uur die Romantiker, sie werden Euch eine lange und klägliche Geschichte
erzählen von diesem Verlornen Paradiese, wie wir keine schönen gothischen Dome
mehr baue» und keine Madonnen aus Goldgrund malen können, seitdem Bruder
Martin aus Eisleben die Indiscretion begangen, die Bibel in profane Hände
zu geben, und der Mainzer Schwarzkünstler metallene Lettern gegossen. Eins
aber hängt nothwendig mit dem andern zusammen. 81 .j^um^e .^rv-rit,
öl<Mohs<z porrvmt,, sagt das Sprichwort. Die Menschheit ist nun gerade wie ein
Individuum. Im Mittelalter war sie jung, feurig und kräftig, poetisch und enthu¬
siastisch gestimmt, darum konnte sie die schönen Kunstwerke schaffen; aber auch
unbesonnen, leichtgläubig und unerfahren, und darum konnten die klugen Herren
von der Kirche mit ihr machen, was sie wollten. Jetzt sind wir älter, kälter
und prosaischer, aber anch ernster, praktischer, gesetzter und klüger geworden. Es
ist wahr, wir malen, bauen und schnitzen nicht mehr so gut, wie unsre Vorfahren,
aber dafür haben wir Erfahrungen gemacht und find bessere Rechner und Oeko-
nomen wie sie.

Denken Sie nnr z. B., wenn heutzutage so ein Pater von Amiens käme,
und in den „Münchner historisch-politischen Blättern" einen Kreuzzug nach Palä¬
stina predigte. Jetzt, wo wir Eisenbahnen und Dampfschiffe haben, wäre die
Sache fast ein Kinderspiel, und Admiral Parker, oder Sir Charles Napier, könn¬
ten jedenfalls schneller vor Se. Jean d'Acre erscheinen, als ehemals Richard Löwen¬
herz, aber dennoch, wie viel heilige Freischärler würden sich wohl jetzt in ganz
Europa zu einem solchen Zuge finden? Herr von Nadowitz? Kann nicht ab¬
kommen, er ist mit der Union beschäftigt. Herr von Montalembert? Muß die
Wahlreform unterstützen. Und nnn vollends die andern Weltkinder, die gehen,
wenn sie Abenteuer aufsuchen wollen, lieber nach Ealifornien.

Das aber weiß die Kirche recht gut, sie fühlt es, ihre alte Herrlichkeit ist
vorbei und kehrt nicht wieder. Es wird sich nicht sobald ein Kaiser finden, der
dem Papste den Steigbügel hält.

Die Kirche, denke ich, wird sich jetzt zufrieden geben, wenn es ihr nur ge¬
lingt, ein Bischen Frömmigkeit und Gottesfurcht im Volke zu erhalten. Will sie
aber das Unmögliche versuchen, so fürchten wir uns auch nicht. Unsre Waffen


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[0469] Kirchenbußen und Verlveigernng der Absolution beherrscht werden, und gegen freche Ketzer und Aufklärer wird man das schwere Geschütz spielen lassen, Ex- communication und Kirchenbann, und wir waren da auf dem besten Wege ins Mittelalter zurück. Bald wird man wieder Ablast verkaufen, Schauspielern ein ehrliches Begräbnis; verweigern, Heren werden wieder auferstehen, Besessene exsorcirt werden, die armen Heiligen wieder Wunder thun müssen, und am Ende wird vielleicht noch die Erde stille zu stehen und die Souue sich um dieselbe zu drehen gezwungen werden, wie zu den Zeiten Gallilei'S. Ente Furcht. Das Mittelalter ist vorbei und kommt nimmermehr wieder. Fragt uur die Romantiker, sie werden Euch eine lange und klägliche Geschichte erzählen von diesem Verlornen Paradiese, wie wir keine schönen gothischen Dome mehr baue» und keine Madonnen aus Goldgrund malen können, seitdem Bruder Martin aus Eisleben die Indiscretion begangen, die Bibel in profane Hände zu geben, und der Mainzer Schwarzkünstler metallene Lettern gegossen. Eins aber hängt nothwendig mit dem andern zusammen. 81 .j^um^e .^rv-rit, öl<Mohs<z porrvmt,, sagt das Sprichwort. Die Menschheit ist nun gerade wie ein Individuum. Im Mittelalter war sie jung, feurig und kräftig, poetisch und enthu¬ siastisch gestimmt, darum konnte sie die schönen Kunstwerke schaffen; aber auch unbesonnen, leichtgläubig und unerfahren, und darum konnten die klugen Herren von der Kirche mit ihr machen, was sie wollten. Jetzt sind wir älter, kälter und prosaischer, aber anch ernster, praktischer, gesetzter und klüger geworden. Es ist wahr, wir malen, bauen und schnitzen nicht mehr so gut, wie unsre Vorfahren, aber dafür haben wir Erfahrungen gemacht und find bessere Rechner und Oeko- nomen wie sie. Denken Sie nnr z. B., wenn heutzutage so ein Pater von Amiens käme, und in den „Münchner historisch-politischen Blättern" einen Kreuzzug nach Palä¬ stina predigte. Jetzt, wo wir Eisenbahnen und Dampfschiffe haben, wäre die Sache fast ein Kinderspiel, und Admiral Parker, oder Sir Charles Napier, könn¬ ten jedenfalls schneller vor Se. Jean d'Acre erscheinen, als ehemals Richard Löwen¬ herz, aber dennoch, wie viel heilige Freischärler würden sich wohl jetzt in ganz Europa zu einem solchen Zuge finden? Herr von Nadowitz? Kann nicht ab¬ kommen, er ist mit der Union beschäftigt. Herr von Montalembert? Muß die Wahlreform unterstützen. Und nnn vollends die andern Weltkinder, die gehen, wenn sie Abenteuer aufsuchen wollen, lieber nach Ealifornien. Das aber weiß die Kirche recht gut, sie fühlt es, ihre alte Herrlichkeit ist vorbei und kehrt nicht wieder. Es wird sich nicht sobald ein Kaiser finden, der dem Papste den Steigbügel hält. Die Kirche, denke ich, wird sich jetzt zufrieden geben, wenn es ihr nur ge¬ lingt, ein Bischen Frömmigkeit und Gottesfurcht im Volke zu erhalten. Will sie aber das Unmögliche versuchen, so fürchten wir uns auch nicht. Unsre Waffen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/469>, abgerufen am 22.07.2024.