Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.und nicht einen Voller zur Vertheidigung im Fall des Mißlingens, und Neustadt besitzt auch seine Patrizier, an ihrer Spitze steht ein Herr L., der Wie natürlich, hegen die Patrizier sehr heiße conservative Sympathien im und nicht einen Voller zur Vertheidigung im Fall des Mißlingens, und Neustadt besitzt auch seine Patrizier, an ihrer Spitze steht ein Herr L., der Wie natürlich, hegen die Patrizier sehr heiße conservative Sympathien im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185775"/> <p xml:id="ID_1672" prev="#ID_1671"> und nicht einen Voller zur Vertheidigung im Fall des Mißlingens, und<lb/> diese Rücksicht zwang die Behörde, die beiden Wagehälse von ihrem Vorhaben<lb/> abzubringen, was nicht geringe Mühe kostete. Bekannt ist, daß die holsteinischen<lb/> und schleswigschen Thcerjacken auf englischen und amerikanischen Schiffen sehr ge¬<lb/> schätzt sind, uur gelten sie dort für „dänische Matrosen." Was für tüchtiges<lb/> Material läßt Deutschland an allen Ecken unbenutzt liegen, bis das Ausland<lb/> daraus Waffen gegen Deutschland schmiedet!</p><lb/> <p xml:id="ID_1673"> Neustadt besitzt auch seine Patrizier, an ihrer Spitze steht ein Herr L., der<lb/> durch praktische Intelligenz aus Nichts ein paar Millionen schuf und sechs gute<lb/> Schooner, meist selbstgebaute, in See hat. Schade, daß Mr. DiSraely oder<lb/> einer seiner protectionistischcn Apostel diesen klugen Holsteiner nicht über die eng¬<lb/> lische Navigativnsacte kann reden hören. Das gerühmte Bollwerk des englischen<lb/> Handels hatte tausend Schlupflöcher für Jeden, der es zu umgeben verstand, und<lb/> es wurde anch regelmäßig mit der größten Sicherheit umgangen. Also nicht einmal<lb/> das Interesse der englischen Rheder schützte es; die Einzigen, die über die Modi-<lb/> ficirnng der Navigationsacte mit Recht klagen können, sind die holsteinischen Korn-<lb/> Händler, denen dadurch eine, den englischen Consumenten vorteilhafte Concurrenz<lb/> erwachsen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1674" next="#ID_1675"> Wie natürlich, hegen die Patrizier sehr heiße conservative Sympathien im<lb/> Herzen, das heißt deutsch-conservative Sympathien, und es wird ihnen schwer, die<lb/> Hoffnungen auf die Union und deren Schirmherrschaft über die Herzogthümer<lb/> aufzugeben, während das große Publicum ein entschiedenes Mißtrauen gegen das<lb/> preußische Cabinet an den Tag legt. Nur in der Stimmung gegen Dänemak<lb/> herrscht Oben und Unten vollkommene Harmonie, und diese Feindschaft ist doppelt<lb/> zähe, weil sie mehr uoch in der Sorge sür die materielle» Interessen des Landes,<lb/> als im Nationalgefühl wurzelt. Die dänische Aussaugungöpolitik griff zu den<lb/> kleinlichstell Mitteln, lind sie ging so weit, daß sie bald die Herzogtümer gezwun¬<lb/> gen hätte, deutsche Schulbücher in Kopenhagen zu kaufen; eine Pharmacopöe we¬<lb/> nigstens, den verpfuschten Abklatsch einer veralteten Berliner Pharmacopöe, die<lb/> in Kopenhagen herauskam, versuchte man wirklich den Schleswig-Holsteinern zu<lb/> octroyiren, grade wie Altona seine Colonialwaaren, statt ans dem anstoßenden<lb/> Hamburg, aus Kopenhagen, welches viele davon selbst von Hamburg kaufte, hätte<lb/> beziehen müssen, wen» der Schmuggel dort zu hindern gewesen wäre. Um jedoch<lb/> der Wahrheit die Ehre zu geben, muß ich das Geständniß eines intelligenten<lb/> und unparteiischen Holsteiners anführen: daß nämlich der Servilismus und die<lb/> Corruption der holsteinischen Bureaukratie großentheils Schuld trug an den dä¬<lb/> nischen Bedrückungen. Die hiesigen Beamten waren nicht, wie man auswärts<lb/> verbreitet hat, in der Mehrzahl Dänen, wohl aber durchaus dänisch gesinnt. Sie<lb/> schweifwedelten vor Allem, was von Kopenhagen kam, lind der Einzige, der gegen<lb/> Friedrich VI. im Interesse der Herzogtümer ein offenes Wort wagte, war</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0438]
und nicht einen Voller zur Vertheidigung im Fall des Mißlingens, und
diese Rücksicht zwang die Behörde, die beiden Wagehälse von ihrem Vorhaben
abzubringen, was nicht geringe Mühe kostete. Bekannt ist, daß die holsteinischen
und schleswigschen Thcerjacken auf englischen und amerikanischen Schiffen sehr ge¬
schätzt sind, uur gelten sie dort für „dänische Matrosen." Was für tüchtiges
Material läßt Deutschland an allen Ecken unbenutzt liegen, bis das Ausland
daraus Waffen gegen Deutschland schmiedet!
Neustadt besitzt auch seine Patrizier, an ihrer Spitze steht ein Herr L., der
durch praktische Intelligenz aus Nichts ein paar Millionen schuf und sechs gute
Schooner, meist selbstgebaute, in See hat. Schade, daß Mr. DiSraely oder
einer seiner protectionistischcn Apostel diesen klugen Holsteiner nicht über die eng¬
lische Navigativnsacte kann reden hören. Das gerühmte Bollwerk des englischen
Handels hatte tausend Schlupflöcher für Jeden, der es zu umgeben verstand, und
es wurde anch regelmäßig mit der größten Sicherheit umgangen. Also nicht einmal
das Interesse der englischen Rheder schützte es; die Einzigen, die über die Modi-
ficirnng der Navigationsacte mit Recht klagen können, sind die holsteinischen Korn-
Händler, denen dadurch eine, den englischen Consumenten vorteilhafte Concurrenz
erwachsen ist.
Wie natürlich, hegen die Patrizier sehr heiße conservative Sympathien im
Herzen, das heißt deutsch-conservative Sympathien, und es wird ihnen schwer, die
Hoffnungen auf die Union und deren Schirmherrschaft über die Herzogthümer
aufzugeben, während das große Publicum ein entschiedenes Mißtrauen gegen das
preußische Cabinet an den Tag legt. Nur in der Stimmung gegen Dänemak
herrscht Oben und Unten vollkommene Harmonie, und diese Feindschaft ist doppelt
zähe, weil sie mehr uoch in der Sorge sür die materielle» Interessen des Landes,
als im Nationalgefühl wurzelt. Die dänische Aussaugungöpolitik griff zu den
kleinlichstell Mitteln, lind sie ging so weit, daß sie bald die Herzogtümer gezwun¬
gen hätte, deutsche Schulbücher in Kopenhagen zu kaufen; eine Pharmacopöe we¬
nigstens, den verpfuschten Abklatsch einer veralteten Berliner Pharmacopöe, die
in Kopenhagen herauskam, versuchte man wirklich den Schleswig-Holsteinern zu
octroyiren, grade wie Altona seine Colonialwaaren, statt ans dem anstoßenden
Hamburg, aus Kopenhagen, welches viele davon selbst von Hamburg kaufte, hätte
beziehen müssen, wen» der Schmuggel dort zu hindern gewesen wäre. Um jedoch
der Wahrheit die Ehre zu geben, muß ich das Geständniß eines intelligenten
und unparteiischen Holsteiners anführen: daß nämlich der Servilismus und die
Corruption der holsteinischen Bureaukratie großentheils Schuld trug an den dä¬
nischen Bedrückungen. Die hiesigen Beamten waren nicht, wie man auswärts
verbreitet hat, in der Mehrzahl Dänen, wohl aber durchaus dänisch gesinnt. Sie
schweifwedelten vor Allem, was von Kopenhagen kam, lind der Einzige, der gegen
Friedrich VI. im Interesse der Herzogtümer ein offenes Wort wagte, war
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