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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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bezahlen, und der verfluchte Wirth, dem ich zwar 5V Gulden Münze schulde, der
aber schon zweimal so viel von mir gewonnen hat, will nichts mehr hergeben."
So darbt denn der an Geist und Körper ruinirte Jüngling bis wieder die Geld¬
sendung, welche immer eine bedeutende ist, anlangt, und nun beginnt das frühere
Leben von Neuem, bis das Ende des Semesters und die Prüfung herankommt.
Der rät/ 6(.^iK ist aber selten wegen des Examens in Verlegenheit, denn da werden
Krankeuzcuguisse angeschafft, wird subdueirt und amendirt, und die magyarischen
Professoren verfahren mit dem rülx äoük viel gelinder, als mancher rut^ äoülv
mit seinem magyarischen Kriegsgefangenen; denn die Hanptrevcnnen dieser Lehr¬
anstalten bilden immer die Schulgelder, welche von den Schülern gezahlt werden,
und zu große Strenge würde die 50--60 gut zahlenden Gamioö ans eine andere
Schule locken und die Anstalt um einige hundert Gulden jährlichen Einkommens
berauben.

Die Naiizen bildeten zwar auf der Sehnte unter einander eine abgeschlossene,
durch ihre Conversation in ihrer Nationalsprache fast unzugängliche Genossen¬
schaft, dennoch aber zeigte der rätn üvük gegen die magyarischen Einwohner der
Stadt oder gegen seine magyarischen Collegen durchaus l'eine feindselige Ge¬
sinnung, und es dürfte in dem letzten Naeentriege mancher von ihnen seinem frü¬
hern gutmüthigen Wuth oder gar dem Vater seines einstigen Liebchens, dem er
so oft ewige Treue geschworen, den Dolch in die Brust gebohrt haben. Am
wenigsten aber zeigte sich in diesen Schulen vor dein März irgend eine Spur
von Nationalitätshaß. Die bessern unter den Naitzenstndenten, die sich überhaupt
mit Studiren befaßten, waren sehr bemüht, sich die ungarische Sprache eigen
zu macheu, obwohl es ihnen erlaubt war, bei den Prüfungen deutsch oder lateinisch
zu antworten, und ich hörte von mehreren ihrer Vater die Aeußerung: "Ich
weiß es wohl, daß mein Sohn hier gar nichts lernt, aber wenn er nur dnrch
den Umgang mit den Einwohnern die schöne magyarische Sprache erlernt, so
gebe ich das viele Geld mit Freuden her." Uebrigens waren die jungen Rachen
meist schöne robuste Gestalten, und wenn ihr sehr reizbares Gemüth nicht aufge¬
regt wurde, wahrhaft gute Jungen; die fleißigem unter ihnen, die sich aber zu
den Bummlern wie 2 : 10 verhielten, zeigten in Auffassung und Urtheil schöne
Fähigkeiten.

Die Universität zu Pesth ist jetzt ein eorM^ uiordosum, der überall nur
wurde Stellen zeigt; übrigens erfordert diese Anstalt, ihrer höhern Bedeutung
nach, eine genaue, ganz eigene Behandlung, und die will ich für eine bessere Zeit
und größere Muße aufbewahren.




bezahlen, und der verfluchte Wirth, dem ich zwar 5V Gulden Münze schulde, der
aber schon zweimal so viel von mir gewonnen hat, will nichts mehr hergeben."
So darbt denn der an Geist und Körper ruinirte Jüngling bis wieder die Geld¬
sendung, welche immer eine bedeutende ist, anlangt, und nun beginnt das frühere
Leben von Neuem, bis das Ende des Semesters und die Prüfung herankommt.
Der rät/ 6(.^iK ist aber selten wegen des Examens in Verlegenheit, denn da werden
Krankeuzcuguisse angeschafft, wird subdueirt und amendirt, und die magyarischen
Professoren verfahren mit dem rülx äoük viel gelinder, als mancher rut^ äoülv
mit seinem magyarischen Kriegsgefangenen; denn die Hanptrevcnnen dieser Lehr¬
anstalten bilden immer die Schulgelder, welche von den Schülern gezahlt werden,
und zu große Strenge würde die 50—60 gut zahlenden Gamioö ans eine andere
Schule locken und die Anstalt um einige hundert Gulden jährlichen Einkommens
berauben.

Die Naiizen bildeten zwar auf der Sehnte unter einander eine abgeschlossene,
durch ihre Conversation in ihrer Nationalsprache fast unzugängliche Genossen¬
schaft, dennoch aber zeigte der rätn üvük gegen die magyarischen Einwohner der
Stadt oder gegen seine magyarischen Collegen durchaus l'eine feindselige Ge¬
sinnung, und es dürfte in dem letzten Naeentriege mancher von ihnen seinem frü¬
hern gutmüthigen Wuth oder gar dem Vater seines einstigen Liebchens, dem er
so oft ewige Treue geschworen, den Dolch in die Brust gebohrt haben. Am
wenigsten aber zeigte sich in diesen Schulen vor dein März irgend eine Spur
von Nationalitätshaß. Die bessern unter den Naitzenstndenten, die sich überhaupt
mit Studiren befaßten, waren sehr bemüht, sich die ungarische Sprache eigen
zu macheu, obwohl es ihnen erlaubt war, bei den Prüfungen deutsch oder lateinisch
zu antworten, und ich hörte von mehreren ihrer Vater die Aeußerung: „Ich
weiß es wohl, daß mein Sohn hier gar nichts lernt, aber wenn er nur dnrch
den Umgang mit den Einwohnern die schöne magyarische Sprache erlernt, so
gebe ich das viele Geld mit Freuden her." Uebrigens waren die jungen Rachen
meist schöne robuste Gestalten, und wenn ihr sehr reizbares Gemüth nicht aufge¬
regt wurde, wahrhaft gute Jungen; die fleißigem unter ihnen, die sich aber zu
den Bummlern wie 2 : 10 verhielten, zeigten in Auffassung und Urtheil schöne
Fähigkeiten.

Die Universität zu Pesth ist jetzt ein eorM^ uiordosum, der überall nur
wurde Stellen zeigt; übrigens erfordert diese Anstalt, ihrer höhern Bedeutung
nach, eine genaue, ganz eigene Behandlung, und die will ich für eine bessere Zeit
und größere Muße aufbewahren.




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[0434] bezahlen, und der verfluchte Wirth, dem ich zwar 5V Gulden Münze schulde, der aber schon zweimal so viel von mir gewonnen hat, will nichts mehr hergeben." So darbt denn der an Geist und Körper ruinirte Jüngling bis wieder die Geld¬ sendung, welche immer eine bedeutende ist, anlangt, und nun beginnt das frühere Leben von Neuem, bis das Ende des Semesters und die Prüfung herankommt. Der rät/ 6(.^iK ist aber selten wegen des Examens in Verlegenheit, denn da werden Krankeuzcuguisse angeschafft, wird subdueirt und amendirt, und die magyarischen Professoren verfahren mit dem rülx äoük viel gelinder, als mancher rut^ äoülv mit seinem magyarischen Kriegsgefangenen; denn die Hanptrevcnnen dieser Lehr¬ anstalten bilden immer die Schulgelder, welche von den Schülern gezahlt werden, und zu große Strenge würde die 50—60 gut zahlenden Gamioö ans eine andere Schule locken und die Anstalt um einige hundert Gulden jährlichen Einkommens berauben. Die Naiizen bildeten zwar auf der Sehnte unter einander eine abgeschlossene, durch ihre Conversation in ihrer Nationalsprache fast unzugängliche Genossen¬ schaft, dennoch aber zeigte der rätn üvük gegen die magyarischen Einwohner der Stadt oder gegen seine magyarischen Collegen durchaus l'eine feindselige Ge¬ sinnung, und es dürfte in dem letzten Naeentriege mancher von ihnen seinem frü¬ hern gutmüthigen Wuth oder gar dem Vater seines einstigen Liebchens, dem er so oft ewige Treue geschworen, den Dolch in die Brust gebohrt haben. Am wenigsten aber zeigte sich in diesen Schulen vor dein März irgend eine Spur von Nationalitätshaß. Die bessern unter den Naitzenstndenten, die sich überhaupt mit Studiren befaßten, waren sehr bemüht, sich die ungarische Sprache eigen zu macheu, obwohl es ihnen erlaubt war, bei den Prüfungen deutsch oder lateinisch zu antworten, und ich hörte von mehreren ihrer Vater die Aeußerung: „Ich weiß es wohl, daß mein Sohn hier gar nichts lernt, aber wenn er nur dnrch den Umgang mit den Einwohnern die schöne magyarische Sprache erlernt, so gebe ich das viele Geld mit Freuden her." Uebrigens waren die jungen Rachen meist schöne robuste Gestalten, und wenn ihr sehr reizbares Gemüth nicht aufge¬ regt wurde, wahrhaft gute Jungen; die fleißigem unter ihnen, die sich aber zu den Bummlern wie 2 : 10 verhielten, zeigten in Auffassung und Urtheil schöne Fähigkeiten. Die Universität zu Pesth ist jetzt ein eorM^ uiordosum, der überall nur wurde Stellen zeigt; übrigens erfordert diese Anstalt, ihrer höhern Bedeutung nach, eine genaue, ganz eigene Behandlung, und die will ich für eine bessere Zeit und größere Muße aufbewahren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/434>, abgerufen am 01.07.2024.