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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Dafür steht dies Gefolge unter der Jurisdiction des Häuptlings, und den
Feigen oder Verräther wird er im Rathe der Genossen verurtheilen und von ihnen
todten lassen. Sehr selten aber wird das nöthig sein, denn eben so heilig, wie
das Band der Wahlbrüderschaft, welches die einzelnen Helden, ja auch Männer
und Frauen mit einander verbindet, ist das Band, welches die Momken an ihren
Häuptling fesselt. Alle Helden des letzten Freiheitskrieges der Serben, Kam
Georg, Jacob Nenadowicz, vor Allem die Haidnken-Häuptlinge, z. B. Welicko
sind von einer Schaar Momken begleitet. Es war Stolz nud Freude der Häupt¬
linge, wenn ihre Momkenschaft zahlreich war, und auf guten Rossen, in schöner
Tracht mit blanken Waffen daherzog, so ost die Herren selbst in die Schlacht oder
zur Berathung ritten; in den Tagen des Friedens dagegen bauten die fremden
Momken ihre Hütten auf den Grund des Häuptlings, ernteten mit ihm das Feld,
fischten mit seinen Netzen, rotteten ihm den Wald ans und zog mit ihm auf die
Viehmärkte. Als ein streitsüchtiger und übermüthiger Troß bewachen sie eifersüchtig
die Macht und den Einfluß ihres Häuptlings, halten scrupulös auf die Ehrenbe¬
zeugungen, welche man ihm schuldig ist, und hadern und schlagen sich mit den
Momken seines Gegners. Die neuere Gesetzgebung des Fürstenthums Serbien
ist natürlich feindlich gegen das Institut der Momken aufgetreten, dem ohnedies
die Zeit des Friedens und reguläres Militär nicht günstig ist, aber eS wird noch
lange dauern, bevor alle Spuren desselben ans dein Leben des Stammes ver¬
schwinden. Auch die Türken haben diesen Brauch von den Serben angenommen,
wie so manchen andern, und im Freiheitskriege am Anfang dieses Jahrhunderts
hatte der Moslem so gut seine Bnndeösöhue, wie der Christ.

Wer denkt hier nicht an das Gefolge der deutscheu Häuptlinge, an das Ge¬
sinde (Kagiruli, von 8mal, der Pfad) dessen aufopfernde Treue Tacitus mit großer
Wärme schildert; und wieder an das Gefolge der celtischen Adeligen, das nach den
Nachrichten, welche Cäsar gibt, eine sehr große Nehnlichkeit mit den serbischen
Momken gehabt haben muß. Die Römer selbst hatten offenbar in den ersten
Jahrhunderten der Stadt einen ähnlichen Brauch, dessen Erinnerung sich noch in
dem Verhältniß der Clienten zu den Häuptlingen der patricischen Geschlechter in
den alten Curien erhalten hat und dessen Spuren sich nicht "ur in den ältesten
Sagen aus der Zeit der Könige erkennen lassen, sondern wahrscheinlich als el"
altes Institut nachgewiesen werden können, welches den meisten altitalienischen
Stämmen eigen war. Es lohnte sich der Mühe, durch eine philologische Unter-
suchung diesem Verhältniß bei Altitaliencrn, Celten und Germanen nachzugehen
und seine Aehnlichkeit und die characteristische Verschiedenheit von dein südslavischen
Brauch darzustellen.




Dafür steht dies Gefolge unter der Jurisdiction des Häuptlings, und den
Feigen oder Verräther wird er im Rathe der Genossen verurtheilen und von ihnen
todten lassen. Sehr selten aber wird das nöthig sein, denn eben so heilig, wie
das Band der Wahlbrüderschaft, welches die einzelnen Helden, ja auch Männer
und Frauen mit einander verbindet, ist das Band, welches die Momken an ihren
Häuptling fesselt. Alle Helden des letzten Freiheitskrieges der Serben, Kam
Georg, Jacob Nenadowicz, vor Allem die Haidnken-Häuptlinge, z. B. Welicko
sind von einer Schaar Momken begleitet. Es war Stolz nud Freude der Häupt¬
linge, wenn ihre Momkenschaft zahlreich war, und auf guten Rossen, in schöner
Tracht mit blanken Waffen daherzog, so ost die Herren selbst in die Schlacht oder
zur Berathung ritten; in den Tagen des Friedens dagegen bauten die fremden
Momken ihre Hütten auf den Grund des Häuptlings, ernteten mit ihm das Feld,
fischten mit seinen Netzen, rotteten ihm den Wald ans und zog mit ihm auf die
Viehmärkte. Als ein streitsüchtiger und übermüthiger Troß bewachen sie eifersüchtig
die Macht und den Einfluß ihres Häuptlings, halten scrupulös auf die Ehrenbe¬
zeugungen, welche man ihm schuldig ist, und hadern und schlagen sich mit den
Momken seines Gegners. Die neuere Gesetzgebung des Fürstenthums Serbien
ist natürlich feindlich gegen das Institut der Momken aufgetreten, dem ohnedies
die Zeit des Friedens und reguläres Militär nicht günstig ist, aber eS wird noch
lange dauern, bevor alle Spuren desselben ans dein Leben des Stammes ver¬
schwinden. Auch die Türken haben diesen Brauch von den Serben angenommen,
wie so manchen andern, und im Freiheitskriege am Anfang dieses Jahrhunderts
hatte der Moslem so gut seine Bnndeösöhue, wie der Christ.

Wer denkt hier nicht an das Gefolge der deutscheu Häuptlinge, an das Ge¬
sinde (Kagiruli, von 8mal, der Pfad) dessen aufopfernde Treue Tacitus mit großer
Wärme schildert; und wieder an das Gefolge der celtischen Adeligen, das nach den
Nachrichten, welche Cäsar gibt, eine sehr große Nehnlichkeit mit den serbischen
Momken gehabt haben muß. Die Römer selbst hatten offenbar in den ersten
Jahrhunderten der Stadt einen ähnlichen Brauch, dessen Erinnerung sich noch in
dem Verhältniß der Clienten zu den Häuptlingen der patricischen Geschlechter in
den alten Curien erhalten hat und dessen Spuren sich nicht »ur in den ältesten
Sagen aus der Zeit der Könige erkennen lassen, sondern wahrscheinlich als el»
altes Institut nachgewiesen werden können, welches den meisten altitalienischen
Stämmen eigen war. Es lohnte sich der Mühe, durch eine philologische Unter-
suchung diesem Verhältniß bei Altitaliencrn, Celten und Germanen nachzugehen
und seine Aehnlichkeit und die characteristische Verschiedenheit von dein südslavischen
Brauch darzustellen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/43>, abgerufen am 28.09.2024.