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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Ministerpräsident Schwarzenberg, in N'le außer Oestreich von aller Welt
gehaßt, scheint dennoch für jetzt eine bittere Nothwendigkeit, wie Schwefelleber in
mancher Krankheit; Er allein, weil selbst Soldat, imponirt doch einigermaßen,
wenn auch nicht ausreichend den Prätorianern, er allein hat Sitz und Stimme
in jenem Rathe, welcher über dein Ministerium steht und dessen Mitglieder nicht durch¬
aus nach dem salischen Gesetze gewählt sind, er allein vermochte es bisher, dem ganz
nach dein Vormärz strebenden Hochadel Böhmens und Ungarns die Spitze zu bieten.

Fürst Felir Schwarzenberg beleidigt und verletzt, mit Ausnahme des hohen
Clerus, alle Parteien und saßt eben in dieser Weise das Princip der Gleichberechtigung
auf. Nach außen scheint ihm vorerst die Vereitelung des einigen Kleiudcutsch-
land, so wie die Restauration des allen Buudesunwesens annähernd gelingen
wollen. Freilich hat Fürst Schwarzenberg in seinen Machinationen einen gewich¬
tigen Alliirten gerade dort gefunden, wo man unter Voraussetzung wirtlich deut-
scher und überhaupt ehrlicher Politik, deu starrsten Gegner hätte vermuthen mögen.

Vorerst gibt es weder ein wirtlich einiges Kleindentschland, noch jenes uto¬
pische Großdeulschland, sondern es gibt gar nichts, nämlich den alten abgelebten
dentscl er Bund, und das eben wollte Fürst Felir erreichen, um sich ans der
Klemme zu helfen, die er sich durch die Märzoctrvyiruug bezüglich Deutschlands
selber bereitet. In Oestreich, welches im Jahre 1858 theilweise für schwarz-
roth-gold geschwärmt, von dieser Schwärmerei aber zurückgekommen ist, sind die
deutscheu Lande durch das bloß negative Bnndesverhältniß einigermaßen beruhigt,
da sie darin einigen Schutz gegen die irrsam gefürchtete Slamsiruug zu finden
glauben, die nicht deutschen Stamme Oestreichs dagegen sind aus denselben
Gründen, welche sie ein Kleindentschland wimscheuswerth erkennen ließen, vor der
Hand durch jenen Mittelweg beruhigt, weil ihnen die verhaßte Beschickung eines
Parlaments außer Oestreich uicht bevorsteht.

Wir wollen zwar dem Gerüchte von unbesonnen preußeufcindlicheu Reden des
östreichischen Präsidialgesaudteu, Hrn. Friedrich Thun, und von kürzlich provocirten Re¬
pressalien Preußens nicht zu viel Gewicht beilegen, bon!, würden solche Tha!Sachen theils
beweisen, daß die staatoiuännischen Debüts der Grafen Thun nach Innen wie nach
Außen Oestreich keine Rosen bringen, und diese Herren wohl bald wieder in das
stille Privatleben weisen werden.

Vom östreichisch-egoistischen Standpunkte betrachtet muß indeß jenes klägliche
Bundesinterim, obwohl in diplomatischer Inimoralität gutgeheißen werden, denn
während die deutsche Frage gleichsam offen bleibt, consolidiren sich vielleicht
Oestreichs Zustände, ein Reichstag wird vielleicht ans Nothgedrnngenheit berufen
und spricht dann ein unwiderstehlich entscheidendes Wort in der deutschen Frage,
zerreißt die diplomatischen Gewebe und macht diesem Deutschland die Einigung
möglich, welche heute Petersburg und Wien im brüderlichsten Einklange vereitelt
zu haben glauben. _


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Ministerpräsident Schwarzenberg, in N'le außer Oestreich von aller Welt
gehaßt, scheint dennoch für jetzt eine bittere Nothwendigkeit, wie Schwefelleber in
mancher Krankheit; Er allein, weil selbst Soldat, imponirt doch einigermaßen,
wenn auch nicht ausreichend den Prätorianern, er allein hat Sitz und Stimme
in jenem Rathe, welcher über dein Ministerium steht und dessen Mitglieder nicht durch¬
aus nach dem salischen Gesetze gewählt sind, er allein vermochte es bisher, dem ganz
nach dein Vormärz strebenden Hochadel Böhmens und Ungarns die Spitze zu bieten.

Fürst Felir Schwarzenberg beleidigt und verletzt, mit Ausnahme des hohen
Clerus, alle Parteien und saßt eben in dieser Weise das Princip der Gleichberechtigung
auf. Nach außen scheint ihm vorerst die Vereitelung des einigen Kleiudcutsch-
land, so wie die Restauration des allen Buudesunwesens annähernd gelingen
wollen. Freilich hat Fürst Schwarzenberg in seinen Machinationen einen gewich¬
tigen Alliirten gerade dort gefunden, wo man unter Voraussetzung wirtlich deut-
scher und überhaupt ehrlicher Politik, deu starrsten Gegner hätte vermuthen mögen.

Vorerst gibt es weder ein wirtlich einiges Kleindentschland, noch jenes uto¬
pische Großdeulschland, sondern es gibt gar nichts, nämlich den alten abgelebten
dentscl er Bund, und das eben wollte Fürst Felir erreichen, um sich ans der
Klemme zu helfen, die er sich durch die Märzoctrvyiruug bezüglich Deutschlands
selber bereitet. In Oestreich, welches im Jahre 1858 theilweise für schwarz-
roth-gold geschwärmt, von dieser Schwärmerei aber zurückgekommen ist, sind die
deutscheu Lande durch das bloß negative Bnndesverhältniß einigermaßen beruhigt,
da sie darin einigen Schutz gegen die irrsam gefürchtete Slamsiruug zu finden
glauben, die nicht deutschen Stamme Oestreichs dagegen sind aus denselben
Gründen, welche sie ein Kleindentschland wimscheuswerth erkennen ließen, vor der
Hand durch jenen Mittelweg beruhigt, weil ihnen die verhaßte Beschickung eines
Parlaments außer Oestreich uicht bevorsteht.

Wir wollen zwar dem Gerüchte von unbesonnen preußeufcindlicheu Reden des
östreichischen Präsidialgesaudteu, Hrn. Friedrich Thun, und von kürzlich provocirten Re¬
pressalien Preußens nicht zu viel Gewicht beilegen, bon!, würden solche Tha!Sachen theils
beweisen, daß die staatoiuännischen Debüts der Grafen Thun nach Innen wie nach
Außen Oestreich keine Rosen bringen, und diese Herren wohl bald wieder in das
stille Privatleben weisen werden.

Vom östreichisch-egoistischen Standpunkte betrachtet muß indeß jenes klägliche
Bundesinterim, obwohl in diplomatischer Inimoralität gutgeheißen werden, denn
während die deutsche Frage gleichsam offen bleibt, consolidiren sich vielleicht
Oestreichs Zustände, ein Reichstag wird vielleicht ans Nothgedrnngenheit berufen
und spricht dann ein unwiderstehlich entscheidendes Wort in der deutschen Frage,
zerreißt die diplomatischen Gewebe und macht diesem Deutschland die Einigung
möglich, welche heute Petersburg und Wien im brüderlichsten Einklange vereitelt
zu haben glauben. _


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[0403] Ministerpräsident Schwarzenberg, in N'le außer Oestreich von aller Welt gehaßt, scheint dennoch für jetzt eine bittere Nothwendigkeit, wie Schwefelleber in mancher Krankheit; Er allein, weil selbst Soldat, imponirt doch einigermaßen, wenn auch nicht ausreichend den Prätorianern, er allein hat Sitz und Stimme in jenem Rathe, welcher über dein Ministerium steht und dessen Mitglieder nicht durch¬ aus nach dem salischen Gesetze gewählt sind, er allein vermochte es bisher, dem ganz nach dein Vormärz strebenden Hochadel Böhmens und Ungarns die Spitze zu bieten. Fürst Felir Schwarzenberg beleidigt und verletzt, mit Ausnahme des hohen Clerus, alle Parteien und saßt eben in dieser Weise das Princip der Gleichberechtigung auf. Nach außen scheint ihm vorerst die Vereitelung des einigen Kleiudcutsch- land, so wie die Restauration des allen Buudesunwesens annähernd gelingen wollen. Freilich hat Fürst Schwarzenberg in seinen Machinationen einen gewich¬ tigen Alliirten gerade dort gefunden, wo man unter Voraussetzung wirtlich deut- scher und überhaupt ehrlicher Politik, deu starrsten Gegner hätte vermuthen mögen. Vorerst gibt es weder ein wirtlich einiges Kleindentschland, noch jenes uto¬ pische Großdeulschland, sondern es gibt gar nichts, nämlich den alten abgelebten dentscl er Bund, und das eben wollte Fürst Felir erreichen, um sich ans der Klemme zu helfen, die er sich durch die Märzoctrvyiruug bezüglich Deutschlands selber bereitet. In Oestreich, welches im Jahre 1858 theilweise für schwarz- roth-gold geschwärmt, von dieser Schwärmerei aber zurückgekommen ist, sind die deutscheu Lande durch das bloß negative Bnndesverhältniß einigermaßen beruhigt, da sie darin einigen Schutz gegen die irrsam gefürchtete Slamsiruug zu finden glauben, die nicht deutschen Stamme Oestreichs dagegen sind aus denselben Gründen, welche sie ein Kleindentschland wimscheuswerth erkennen ließen, vor der Hand durch jenen Mittelweg beruhigt, weil ihnen die verhaßte Beschickung eines Parlaments außer Oestreich uicht bevorsteht. Wir wollen zwar dem Gerüchte von unbesonnen preußeufcindlicheu Reden des östreichischen Präsidialgesaudteu, Hrn. Friedrich Thun, und von kürzlich provocirten Re¬ pressalien Preußens nicht zu viel Gewicht beilegen, bon!, würden solche Tha!Sachen theils beweisen, daß die staatoiuännischen Debüts der Grafen Thun nach Innen wie nach Außen Oestreich keine Rosen bringen, und diese Herren wohl bald wieder in das stille Privatleben weisen werden. Vom östreichisch-egoistischen Standpunkte betrachtet muß indeß jenes klägliche Bundesinterim, obwohl in diplomatischer Inimoralität gutgeheißen werden, denn während die deutsche Frage gleichsam offen bleibt, consolidiren sich vielleicht Oestreichs Zustände, ein Reichstag wird vielleicht ans Nothgedrnngenheit berufen und spricht dann ein unwiderstehlich entscheidendes Wort in der deutschen Frage, zerreißt die diplomatischen Gewebe und macht diesem Deutschland die Einigung möglich, welche heute Petersburg und Wien im brüderlichsten Einklange vereitelt zu haben glauben. _ 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/403>, abgerufen am 22.07.2024.