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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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15Me) Militär- und Civilbeamten sind nicht im Stande, eine Bevölkerung von
920,<M> Seelen in Ordnung zu halten.

Während in deu öffentlichen Angelegenheiten das allgemeine Stiuuurecht
gewährt ist, bleibt das Volt von allem Einfluß ans die Gemeinden ausgeschlossen.
Unter der türkischem Herrschaft gab es große Muuieipalsreiheiten, die vorzugsweise
dazu beigetragen, haben, die nationale lluabhäugiglcit zu erhalten; unter der bairi-
schen Regierung sind diese vernichtet. Die Wahl der gntbesoldelen Ortöobrigkeiten
ist ausschließlich den ilteichen überlassen; auch das uicht einmal, sie haben nur drei
Candidaten der Regierung zu präsentiren, die jedesmal deu abhängigsten auswählt.
Die Kammerdeputirten erhalte" monatlich Drachmen, und da seht die Kam¬
mern ziemlich permanent geworden sind, gehört der Platz eines Abgeordneten zu
den besten S'ellen im Siaat. Die Urwähler iverdeil bei der vollständigen Um¬
bildung des Volles dnrch eine systematische Bestechung zu, Gunsten der localen
Oligarchie ausgebeutet, und zivar wird zu dieser Bestechung von Seite" der
Beamten das volle Einkommen der Provinz verwandt, welches z. B. in Attica,
das vier Deputirte stellt, beiläufig 4WMt) Drachmen beträgt. Die Beamten
werden, für ihre guten Dienste dupes neue Stellen oder auch dadurch belohnt, daß
man ihnen den Nest der öffentlichen Einkünfte überläßt. Die öffentlichen Unter¬
nehmungen bleiben liegen, ja wenn eine Provinz durch eigene Thätigkeit etwas
dafür zu thun anfängt, mischen sich die Regierungsbeamten hinein und stecken
die eingegangenen Beiträge in den eignen Beutel. Reicht übrigeus die Be¬
stechung nicht aus, so wendet man anch gradezu Gewalt und Betrug an.

Der Senat ist vollständig servil , wie es in jedem Zweilamnlersystem der Fall
sein wird, , dem nicht eine wirkliche Aristokratie zu Grunde liegt. Die Stelle
eines Senators erfordert nur eine gewisse Dicnstperivde, und wird häusig Menschen
gegeben, die weder lese" uoch schreibell können. Der Senat ist ein gefügiges
Werkzeug in deu Händen jeder Regierung,

Dies ist die völlig ungesunde Lage des griechischen Staates, die England
nun ausbeutet, lediglich, um sein Müthchen an Rußland zu kühlen. Weil die
schlechte griechische Regierung sich rücksichtslos gegen England beträgt -- obgleich
beiläufig in der leizten Frage, ob nämlich die Insel Eervi und Sapienza zur
jonischen Republik oder zum Königreich Griechenland gehören, England ent¬
schieden im Unrecht ist -- weil Hr. Thonvenel mit seinem Einfluß Hrn. Wyse,
den Nachfolger E. Lyons, überwältigt hat, bemächtigt sich Lord Palmerston der
griechischen Schiffe und zerstört die Neste des griechischen Handels. Das ist die
britische- Staatsweisheit im l''ni'<:iL'n-<>Mao.




15Me) Militär- und Civilbeamten sind nicht im Stande, eine Bevölkerung von
920,<M> Seelen in Ordnung zu halten.

Während in deu öffentlichen Angelegenheiten das allgemeine Stiuuurecht
gewährt ist, bleibt das Volt von allem Einfluß ans die Gemeinden ausgeschlossen.
Unter der türkischem Herrschaft gab es große Muuieipalsreiheiten, die vorzugsweise
dazu beigetragen, haben, die nationale lluabhäugiglcit zu erhalten; unter der bairi-
schen Regierung sind diese vernichtet. Die Wahl der gntbesoldelen Ortöobrigkeiten
ist ausschließlich den ilteichen überlassen; auch das uicht einmal, sie haben nur drei
Candidaten der Regierung zu präsentiren, die jedesmal deu abhängigsten auswählt.
Die Kammerdeputirten erhalte» monatlich Drachmen, und da seht die Kam¬
mern ziemlich permanent geworden sind, gehört der Platz eines Abgeordneten zu
den besten S'ellen im Siaat. Die Urwähler iverdeil bei der vollständigen Um¬
bildung des Volles dnrch eine systematische Bestechung zu, Gunsten der localen
Oligarchie ausgebeutet, und zivar wird zu dieser Bestechung von Seite» der
Beamten das volle Einkommen der Provinz verwandt, welches z. B. in Attica,
das vier Deputirte stellt, beiläufig 4WMt) Drachmen beträgt. Die Beamten
werden, für ihre guten Dienste dupes neue Stellen oder auch dadurch belohnt, daß
man ihnen den Nest der öffentlichen Einkünfte überläßt. Die öffentlichen Unter¬
nehmungen bleiben liegen, ja wenn eine Provinz durch eigene Thätigkeit etwas
dafür zu thun anfängt, mischen sich die Regierungsbeamten hinein und stecken
die eingegangenen Beiträge in den eignen Beutel. Reicht übrigeus die Be¬
stechung nicht aus, so wendet man anch gradezu Gewalt und Betrug an.

Der Senat ist vollständig servil , wie es in jedem Zweilamnlersystem der Fall
sein wird, , dem nicht eine wirkliche Aristokratie zu Grunde liegt. Die Stelle
eines Senators erfordert nur eine gewisse Dicnstperivde, und wird häusig Menschen
gegeben, die weder lese» uoch schreibell können. Der Senat ist ein gefügiges
Werkzeug in deu Händen jeder Regierung,

Dies ist die völlig ungesunde Lage des griechischen Staates, die England
nun ausbeutet, lediglich, um sein Müthchen an Rußland zu kühlen. Weil die
schlechte griechische Regierung sich rücksichtslos gegen England beträgt — obgleich
beiläufig in der leizten Frage, ob nämlich die Insel Eervi und Sapienza zur
jonischen Republik oder zum Königreich Griechenland gehören, England ent¬
schieden im Unrecht ist — weil Hr. Thonvenel mit seinem Einfluß Hrn. Wyse,
den Nachfolger E. Lyons, überwältigt hat, bemächtigt sich Lord Palmerston der
griechischen Schiffe und zerstört die Neste des griechischen Handels. Das ist die
britische- Staatsweisheit im l''ni'<:iL'n-<>Mao.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/392>, abgerufen am 01.07.2024.