Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

2) Was für Land- und Seemacht war nothwendig, um die Küsten zu decken und
Ordnung im Lande zu erhalte", und wie konnte diese Macht disciplinirt werden?

3) Welche Maßregeln waren erforderlich, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung
aus "übliche Unternehimmge" zu lenken? -5) Welches waren die finanziellen Hilfs¬
quellen des Landes?

Ueber leine dieser Fragen hatten sich die Schutzmachte ius Klare gesetzt, als
sie die Garantie für den neuen Staat übernahmen.

Die Griechen in allen Parteien halten noch immer eine systematische Central-
verwaltimg für das Umversalmittel zur Abhilfe aller Noth. Die Local-Cinrichtn"ge",
auf die sich süßen ließe, lassen sie gleichgültig fallen.

Durch die Versass""g von ist die alleinige Macht in die Hände der
großen Grundeigenthümer gegeben, die ihre Ländereien nicht selbst bebauen, die
schon unter den Türken ihre Thätigkeit auf die Cinnahme ihrer Pacht beschränkten,
und deren moralischer Charakter durch die Gewöhnung an ttuthätigkeit vollständig
corrumpirt ist. Diese Classe erkaufte Kolctti vollständig durch eine unzählige
Menge vou Stellen, die er ihnen znwieß. Durch dieselbe Verfassung wurden die
aus den türkischen Provinzen Eingewanderten, die an Bildung ihren Landsleuten
bedeutend nachstanden, die aber als Stellenjäger den Neid derselbe" erregt hatten,
vou allen politischen Rechten ausgeschlossen.

Indem die Vermögenden, vou ihren Landsitzen entfernt, in den Städten leben,
wird dein Lande das Mark entzogen. Der Landbau ist schlecht bestellt, weil deu
Bauern jede Cultur sehlt. Der Bauer zieht aus seiner Arbeit nichts, als den
nothdürftigen Lebensunterhalt und seine Pacht. Er denkt an leine Verbesserungen
und selbst wenn er daran dächte, würde er eher Widerstand als Unterstützung bei
der herrschende" Classe finden. Diese hält Hofbälle, glänzende Vorlesungen, De¬
batten u. tgi. für wichtiger, als die Gründung eines Zustandes, in welchem das
Capital vortheilhaft zur Vermehrung der Bodenprvduetion angewendet wird: ein
Zustand, wie er schou unter den Byzantiner" war, Barbarei auf dem Lande, Niedrig¬
keit mit a"scheine"der Cultur in de" Städte".

Z"r Zeit des Kriegs bildete" die Kaufleute und Schiffseigenthümer die Ari¬
stokratie der Naiion, diese Classe ist jetzt von alle", Einfluß ausgeschlossen. Die
ansehnlichsten Kaufleute haben das Laud verlassen und sich in Odessa, Trieft,
Marseille, London und Manchester angesiedelt, und der Fortschritt des türkischen
Handels ist verhältnißmäßig größer gewesen als der des griechischen.

Unter diesen Umständen konnten dem eigentliche" Volk die abstract kon¬
stitutionellen Formen ebenso gleichgültig sein, als die Gravitation des Mondes.
Was ihnen fehlte, war die Crsetzuug der bisherigen Willkührherrschaft durch eine
systematische Verwaltung, Sicherheit des Eigenthums, Liquidation der Staats¬
schuld, Verbesserung der CouunnnieationS-Mittel, Wege, Fährten, Brücken u. s. w.
Von alle dem ist nichts geschehen. Keine einzige Straße ist eingerichtet, und


2) Was für Land- und Seemacht war nothwendig, um die Küsten zu decken und
Ordnung im Lande zu erhalte», und wie konnte diese Macht disciplinirt werden?

3) Welche Maßregeln waren erforderlich, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung
aus »übliche Unternehimmge» zu lenken? -5) Welches waren die finanziellen Hilfs¬
quellen des Landes?

Ueber leine dieser Fragen hatten sich die Schutzmachte ius Klare gesetzt, als
sie die Garantie für den neuen Staat übernahmen.

Die Griechen in allen Parteien halten noch immer eine systematische Central-
verwaltimg für das Umversalmittel zur Abhilfe aller Noth. Die Local-Cinrichtn»ge»,
auf die sich süßen ließe, lassen sie gleichgültig fallen.

Durch die Versass»»g von ist die alleinige Macht in die Hände der
großen Grundeigenthümer gegeben, die ihre Ländereien nicht selbst bebauen, die
schon unter den Türken ihre Thätigkeit auf die Cinnahme ihrer Pacht beschränkten,
und deren moralischer Charakter durch die Gewöhnung an ttuthätigkeit vollständig
corrumpirt ist. Diese Classe erkaufte Kolctti vollständig durch eine unzählige
Menge vou Stellen, die er ihnen znwieß. Durch dieselbe Verfassung wurden die
aus den türkischen Provinzen Eingewanderten, die an Bildung ihren Landsleuten
bedeutend nachstanden, die aber als Stellenjäger den Neid derselbe» erregt hatten,
vou allen politischen Rechten ausgeschlossen.

Indem die Vermögenden, vou ihren Landsitzen entfernt, in den Städten leben,
wird dein Lande das Mark entzogen. Der Landbau ist schlecht bestellt, weil deu
Bauern jede Cultur sehlt. Der Bauer zieht aus seiner Arbeit nichts, als den
nothdürftigen Lebensunterhalt und seine Pacht. Er denkt an leine Verbesserungen
und selbst wenn er daran dächte, würde er eher Widerstand als Unterstützung bei
der herrschende» Classe finden. Diese hält Hofbälle, glänzende Vorlesungen, De¬
batten u. tgi. für wichtiger, als die Gründung eines Zustandes, in welchem das
Capital vortheilhaft zur Vermehrung der Bodenprvduetion angewendet wird: ein
Zustand, wie er schou unter den Byzantiner» war, Barbarei auf dem Lande, Niedrig¬
keit mit a»scheine»der Cultur in de» Städte».

Z»r Zeit des Kriegs bildete» die Kaufleute und Schiffseigenthümer die Ari¬
stokratie der Naiion, diese Classe ist jetzt von alle», Einfluß ausgeschlossen. Die
ansehnlichsten Kaufleute haben das Laud verlassen und sich in Odessa, Trieft,
Marseille, London und Manchester angesiedelt, und der Fortschritt des türkischen
Handels ist verhältnißmäßig größer gewesen als der des griechischen.

Unter diesen Umständen konnten dem eigentliche» Volk die abstract kon¬
stitutionellen Formen ebenso gleichgültig sein, als die Gravitation des Mondes.
Was ihnen fehlte, war die Crsetzuug der bisherigen Willkührherrschaft durch eine
systematische Verwaltung, Sicherheit des Eigenthums, Liquidation der Staats¬
schuld, Verbesserung der CouunnnieationS-Mittel, Wege, Fährten, Brücken u. s. w.
Von alle dem ist nichts geschehen. Keine einzige Straße ist eingerichtet, und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185728"/>
          <p xml:id="ID_1491" prev="#ID_1490"> 2) Was für Land- und Seemacht war nothwendig, um die Küsten zu decken und<lb/>
Ordnung im Lande zu erhalte», und wie konnte diese Macht disciplinirt werden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1492"> 3) Welche Maßregeln waren erforderlich, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung<lb/>
aus »übliche Unternehimmge» zu lenken? -5) Welches waren die finanziellen Hilfs¬<lb/>
quellen des Landes?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1493"> Ueber leine dieser Fragen hatten sich die Schutzmachte ius Klare gesetzt, als<lb/>
sie die Garantie für den neuen Staat übernahmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1494"> Die Griechen in allen Parteien halten noch immer eine systematische Central-<lb/>
verwaltimg für das Umversalmittel zur Abhilfe aller Noth. Die Local-Cinrichtn»ge»,<lb/>
auf die sich süßen ließe, lassen sie gleichgültig fallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1495"> Durch die Versass»»g von ist die alleinige Macht in die Hände der<lb/>
großen Grundeigenthümer gegeben, die ihre Ländereien nicht selbst bebauen, die<lb/>
schon unter den Türken ihre Thätigkeit auf die Cinnahme ihrer Pacht beschränkten,<lb/>
und deren moralischer Charakter durch die Gewöhnung an ttuthätigkeit vollständig<lb/>
corrumpirt ist. Diese Classe erkaufte Kolctti vollständig durch eine unzählige<lb/>
Menge vou Stellen, die er ihnen znwieß. Durch dieselbe Verfassung wurden die<lb/>
aus den türkischen Provinzen Eingewanderten, die an Bildung ihren Landsleuten<lb/>
bedeutend nachstanden, die aber als Stellenjäger den Neid derselbe» erregt hatten,<lb/>
vou allen politischen Rechten ausgeschlossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1496"> Indem die Vermögenden, vou ihren Landsitzen entfernt, in den Städten leben,<lb/>
wird dein Lande das Mark entzogen. Der Landbau ist schlecht bestellt, weil deu<lb/>
Bauern jede Cultur sehlt. Der Bauer zieht aus seiner Arbeit nichts, als den<lb/>
nothdürftigen Lebensunterhalt und seine Pacht. Er denkt an leine Verbesserungen<lb/>
und selbst wenn er daran dächte, würde er eher Widerstand als Unterstützung bei<lb/>
der herrschende» Classe finden. Diese hält Hofbälle, glänzende Vorlesungen, De¬<lb/>
batten u. tgi. für wichtiger, als die Gründung eines Zustandes, in welchem das<lb/>
Capital vortheilhaft zur Vermehrung der Bodenprvduetion angewendet wird: ein<lb/>
Zustand, wie er schou unter den Byzantiner» war, Barbarei auf dem Lande, Niedrig¬<lb/>
keit mit a»scheine»der Cultur in de» Städte».</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1497"> Z»r Zeit des Kriegs bildete» die Kaufleute und Schiffseigenthümer die Ari¬<lb/>
stokratie der Naiion, diese Classe ist jetzt von alle», Einfluß ausgeschlossen. Die<lb/>
ansehnlichsten Kaufleute haben das Laud verlassen und sich in Odessa, Trieft,<lb/>
Marseille, London und Manchester angesiedelt, und der Fortschritt des türkischen<lb/>
Handels ist verhältnißmäßig größer gewesen als der des griechischen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1498" next="#ID_1499"> Unter diesen Umständen konnten dem eigentliche» Volk die abstract kon¬<lb/>
stitutionellen Formen ebenso gleichgültig sein, als die Gravitation des Mondes.<lb/>
Was ihnen fehlte, war die Crsetzuug der bisherigen Willkührherrschaft durch eine<lb/>
systematische Verwaltung, Sicherheit des Eigenthums, Liquidation der Staats¬<lb/>
schuld, Verbesserung der CouunnnieationS-Mittel, Wege, Fährten, Brücken u. s. w.<lb/>
Von alle dem ist nichts geschehen.  Keine einzige Straße ist eingerichtet, und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0391] 2) Was für Land- und Seemacht war nothwendig, um die Küsten zu decken und Ordnung im Lande zu erhalte», und wie konnte diese Macht disciplinirt werden? 3) Welche Maßregeln waren erforderlich, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung aus »übliche Unternehimmge» zu lenken? -5) Welches waren die finanziellen Hilfs¬ quellen des Landes? Ueber leine dieser Fragen hatten sich die Schutzmachte ius Klare gesetzt, als sie die Garantie für den neuen Staat übernahmen. Die Griechen in allen Parteien halten noch immer eine systematische Central- verwaltimg für das Umversalmittel zur Abhilfe aller Noth. Die Local-Cinrichtn»ge», auf die sich süßen ließe, lassen sie gleichgültig fallen. Durch die Versass»»g von ist die alleinige Macht in die Hände der großen Grundeigenthümer gegeben, die ihre Ländereien nicht selbst bebauen, die schon unter den Türken ihre Thätigkeit auf die Cinnahme ihrer Pacht beschränkten, und deren moralischer Charakter durch die Gewöhnung an ttuthätigkeit vollständig corrumpirt ist. Diese Classe erkaufte Kolctti vollständig durch eine unzählige Menge vou Stellen, die er ihnen znwieß. Durch dieselbe Verfassung wurden die aus den türkischen Provinzen Eingewanderten, die an Bildung ihren Landsleuten bedeutend nachstanden, die aber als Stellenjäger den Neid derselbe» erregt hatten, vou allen politischen Rechten ausgeschlossen. Indem die Vermögenden, vou ihren Landsitzen entfernt, in den Städten leben, wird dein Lande das Mark entzogen. Der Landbau ist schlecht bestellt, weil deu Bauern jede Cultur sehlt. Der Bauer zieht aus seiner Arbeit nichts, als den nothdürftigen Lebensunterhalt und seine Pacht. Er denkt an leine Verbesserungen und selbst wenn er daran dächte, würde er eher Widerstand als Unterstützung bei der herrschende» Classe finden. Diese hält Hofbälle, glänzende Vorlesungen, De¬ batten u. tgi. für wichtiger, als die Gründung eines Zustandes, in welchem das Capital vortheilhaft zur Vermehrung der Bodenprvduetion angewendet wird: ein Zustand, wie er schou unter den Byzantiner» war, Barbarei auf dem Lande, Niedrig¬ keit mit a»scheine»der Cultur in de» Städte». Z»r Zeit des Kriegs bildete» die Kaufleute und Schiffseigenthümer die Ari¬ stokratie der Naiion, diese Classe ist jetzt von alle», Einfluß ausgeschlossen. Die ansehnlichsten Kaufleute haben das Laud verlassen und sich in Odessa, Trieft, Marseille, London und Manchester angesiedelt, und der Fortschritt des türkischen Handels ist verhältnißmäßig größer gewesen als der des griechischen. Unter diesen Umständen konnten dem eigentliche» Volk die abstract kon¬ stitutionellen Formen ebenso gleichgültig sein, als die Gravitation des Mondes. Was ihnen fehlte, war die Crsetzuug der bisherigen Willkührherrschaft durch eine systematische Verwaltung, Sicherheit des Eigenthums, Liquidation der Staats¬ schuld, Verbesserung der CouunnnieationS-Mittel, Wege, Fährten, Brücken u. s. w. Von alle dem ist nichts geschehen. Keine einzige Straße ist eingerichtet, und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/391
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/391>, abgerufen am 03.07.2024.