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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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oder Jahrgänge" bestanden. Die Namen der Classen waren den an deutschen Gym¬
nasien gerade entgegengesetzt. Cs sing nämlich bei der untersten mit i>cultu an,
"ud ging so bis zur höchste", die xvxla genannt wurde.

In den deutscheu Crbläudern mußte der angehende Gymnasiast mit Zeug¬
nissen über drei zurückgelegte Normalelassen versehen sein. Diese Normalschulen
waren zwar nieist sehr traurig bestellt, aber sie gaben doch dem hoher steigenden
Musensohn die Fertigkeit im Lesen und Schreiben, einige trockene Regeln aus
einer vor 50 Jahre" sauetiouirteu Schulsprachlehre, und die vier Necheuspeeies als
Zehrpfennig auf die große Reise mit; auch war festgesetzt, daß leine Knabe" "meer
10 und keiner über 14 Jahren i" einem Gymnasium aufgenommen werden darf,
welche Maßregel zwar uicht immer die Befähigung der Zuhörer mit den vorzu¬
tragenden Gegenständen, aber um so mehr das Selbstbewußtsein der Schüler mit
der Disciplin der Schule, oder besser gesagt, die i>e>8>.(wu>e^ der erster" mit der "c.,i-

und vn>N> der letztern in ein passendes Verhältniß setzen sollte. Ganz an-
ders war es in Ungarn. Hier war der Gyuluasialiuiterricht durchaus uicht an
Jahren gebunden, und Normalschulen waren nur in einigen wohlhabenden Städten
anzutreffen; der Primaner wurde also gleichsam aus den Händen der nackte" Na¬
tur übernommen, u"d mit einiger Kenntniß im Lateinbttchstabiren, worüber er vor
dem Rector des Gymnasiums Prüfung ablegen mußte, i" das Reich der Cicerone
und Horaze eingeführt; und da von Realschulen und ander" zur Ausbildung der
gewerluckreibeuden Classe" die"enden Anstalten leine Sy"r war, so schickte jeder
Vater, der sei" Kind nicht mit dem nackten Lesen und Schreiben aus der Ele¬
mentarschule in die Weit stoßen wollte, dasselbe ins Gymnasium, und so kam es,
daß der Besuch dieser Anstalten in Ungarn ein verhältnißmäßig bedeutender war,
während die für den Bürger so nöthigen Sachwissenschaften nur den Rei¬
chern durch Privatunterricht zugänglich waren, und mau faud auf deu Bauten dieser
Schulen das schmächtige siebenjährige Mnitersöhnchen neben deu zwanzigjährigen
Jungen, deu einstigen Handlungsdiener neben dem VicegespauuSembryo, deu de-
siguirteu Soldaten neben dem Bischof in ,^>o. n. f. w.

Hier angelangt, wurde dem Primaner ein dickes Buch von 400 Octavseiten
unter deu Arm gesteckt, das de" Titel führte: >w!mu Lr-uumirtwav M>i-
n<"". verfaßt r^u!" (ti;!j>>in>i^ mit einem an der Front paradirenden Privi¬
legium, das mit ^un-l!.' 'Q.<we;"i^" anfing und mit dem Datum "Vir-
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feiner u"zertre""liebe" Lebensgefährtin gemacht. -- Dieses zweite Ich des unga¬
rische" Primaner enthielt die Etymologie der lateinische" Sprache in lateinischer
Sprache, und nur den Declinations - und Conjugationstabelle" war el"e deutsche,
magyarische und slavische Uebersetzung beigefügt. Wir sehe" also, daß das Princip
der Gleichberechtigung durchaus keine ganz originelle Crfinduug Station's ist, und
der Primaner in deu Zeiten Maria Theresia's hat sich durch das unschuldige exu,-


oder Jahrgänge» bestanden. Die Namen der Classen waren den an deutschen Gym¬
nasien gerade entgegengesetzt. Cs sing nämlich bei der untersten mit i>cultu an,
»ud ging so bis zur höchste», die xvxla genannt wurde.

In den deutscheu Crbläudern mußte der angehende Gymnasiast mit Zeug¬
nissen über drei zurückgelegte Normalelassen versehen sein. Diese Normalschulen
waren zwar nieist sehr traurig bestellt, aber sie gaben doch dem hoher steigenden
Musensohn die Fertigkeit im Lesen und Schreiben, einige trockene Regeln aus
einer vor 50 Jahre» sauetiouirteu Schulsprachlehre, und die vier Necheuspeeies als
Zehrpfennig auf die große Reise mit; auch war festgesetzt, daß leine Knabe» »meer
10 und keiner über 14 Jahren i» einem Gymnasium aufgenommen werden darf,
welche Maßregel zwar uicht immer die Befähigung der Zuhörer mit den vorzu¬
tragenden Gegenständen, aber um so mehr das Selbstbewußtsein der Schüler mit
der Disciplin der Schule, oder besser gesagt, die i>e>8>.(wu>e^ der erster» mit der »c.,i-

und vn>N> der letztern in ein passendes Verhältniß setzen sollte. Ganz an-
ders war es in Ungarn. Hier war der Gyuluasialiuiterricht durchaus uicht an
Jahren gebunden, und Normalschulen waren nur in einigen wohlhabenden Städten
anzutreffen; der Primaner wurde also gleichsam aus den Händen der nackte» Na¬
tur übernommen, u»d mit einiger Kenntniß im Lateinbttchstabiren, worüber er vor
dem Rector des Gymnasiums Prüfung ablegen mußte, i» das Reich der Cicerone
und Horaze eingeführt; und da von Realschulen und ander» zur Ausbildung der
gewerluckreibeuden Classe» die»enden Anstalten leine Sy»r war, so schickte jeder
Vater, der sei» Kind nicht mit dem nackten Lesen und Schreiben aus der Ele¬
mentarschule in die Weit stoßen wollte, dasselbe ins Gymnasium, und so kam es,
daß der Besuch dieser Anstalten in Ungarn ein verhältnißmäßig bedeutender war,
während die für den Bürger so nöthigen Sachwissenschaften nur den Rei¬
chern durch Privatunterricht zugänglich waren, und mau faud auf deu Bauten dieser
Schulen das schmächtige siebenjährige Mnitersöhnchen neben deu zwanzigjährigen
Jungen, deu einstigen Handlungsdiener neben dem VicegespauuSembryo, deu de-
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Hier angelangt, wurde dem Primaner ein dickes Buch von 400 Octavseiten
unter deu Arm gesteckt, das de» Titel führte: >w!mu Lr-uumirtwav M>i-
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Sprache, und nur den Declinations - und Conjugationstabelle» war el»e deutsche,
magyarische und slavische Uebersetzung beigefügt. Wir sehe» also, daß das Princip
der Gleichberechtigung durchaus keine ganz originelle Crfinduug Station's ist, und
der Primaner in deu Zeiten Maria Theresia's hat sich durch das unschuldige exu,-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/351>, abgerufen am 22.07.2024.