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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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"Vor einem Jahre lernte ich in Zalathua ein Mädchen kennen, das dort für
eins der schönsten weit und breit galt. Sie war die Tochter eines niedern Berg¬
beamten, eine Ungarin. Weil mein Bruder ebenfalls Steiger war, und ich selbst
etwas Vermögen besitze, so ward nur gestattet, Unica häufig zu sehen, und ihr
Vater hatte endlich nichts dagegen, daß ich sie binnen Jahresfrist Heimchen sollte.
Denn Unica liebte mich, das hatte sie mir eingestanden, obwohl ihr ein Ungar
vielleicht lieber gewesen wäre. Aber damals achtete man noch "licht so genau darauf,
ob einer unter den Bauern Walache war oder Ungar. Unsere Herren hielten eS
anders; ihnen waren wir, so lange man weiß, nur Packpferde, denen man auflud,
so viel auf ihren Rücken gehen mochte. Wir Beide galten also für ein Paar,
es fehlte nur der Segen des Priesters. Da kamen die neuen Dinge, über das
Land. Die Ungar" wollten sich mit dem großen Stammlande vereinen, und nur
nur Walachen sagten Nein. Anfangs war unsern Leuten gleichgültig, ob wir uuter
ungarischer Regierung ständen, oder deutscher, wenn wir nur frei würden. Denn
die Sage ging schnell durch das ganze Nomancnvvlk, daß der ungarische Landtag
alle Bauern gänzlich frei gemacht habe von den Roboten, und daß die Herren aus
der einberufene" siebenbürgischen Landesversammlung das Gleiche über die sieben-
bürgischen Bauer" aussprechen würden. Weil nun unter der deutschen Herrschaft
unsere Laste" groß waren und kein Walache ans einen grünen Zweig komme" konnte,
so hätten unsere Leute zur Abwechselung wohl anch einmal die ungarische Negierung
versucht. Da kamen aber von Hermannstadt viele Herren zu uns und sagten: Traut
deu Ungarn nicht! Der Kaiser will (5"es frei machen, aber nicht die ""garische"
Edelleute. Jetzt schmeicheln sie (such, weil sie künftig Eure Söhne zu Soldaten
gegen den Kaiser brauchen; gebt Acht, wenn sie eiiniial die Stärkeren stilt, dann
wird es mit der Robot noch ärger sein als jetzt. Darum sollt Ihr erklären, daß
Ihr die Union verwerfe und uuter dem Kaiser stehen wollt.

Ob sie die Wahrheit gesprochen, die sächsischen Herren, die uns vor alten
Zeiten eben so gedrückt haben, wie die Ungarn, so daß kein Walach unter den
Sachsen ein Amt bekleiden durste, weiß ich nicht. Aber unsere Bauern nahmen
sich diese Reden zu Herzen und protestirten gegen die Union; ja einmal, im Mai,
floß sogar Blut. Doch das wißt Ihr ja ebenso gut und besser als ich. -- Wir
wurden einig, dem Kaiser Soldaten zu geben, und die Uebrigen, junge und alte
Männer, sollten mit den, Landsturm gehen. Die reichen Sachsen gaben viel Geld
her, um Waffen zu iuache.ii, und als mau uns noch sagte, daß der Kaiser befohlen
habe, alle Ungarn in ganz Siebenbürgen gefangen z" "ebene" oder todtzuschlagen,
und daß ihr Gut dann unser sein sollte, da standen alle walachischen Geiueiudeu
auf. In Hermannstadt saßen die Herren von unserer Nation und die sachsijchen
und deutschen Männer lind bildeten eine Gesellschaft. Die beriethen über das,
mas geschehe" sollte, und wenn sie überein gekomme" wäre", schickte" sie Briefe
an unsere Pope" und Richter, die lasen uns die Briefe vor, und wir wählten


„Vor einem Jahre lernte ich in Zalathua ein Mädchen kennen, das dort für
eins der schönsten weit und breit galt. Sie war die Tochter eines niedern Berg¬
beamten, eine Ungarin. Weil mein Bruder ebenfalls Steiger war, und ich selbst
etwas Vermögen besitze, so ward nur gestattet, Unica häufig zu sehen, und ihr
Vater hatte endlich nichts dagegen, daß ich sie binnen Jahresfrist Heimchen sollte.
Denn Unica liebte mich, das hatte sie mir eingestanden, obwohl ihr ein Ungar
vielleicht lieber gewesen wäre. Aber damals achtete man noch »licht so genau darauf,
ob einer unter den Bauern Walache war oder Ungar. Unsere Herren hielten eS
anders; ihnen waren wir, so lange man weiß, nur Packpferde, denen man auflud,
so viel auf ihren Rücken gehen mochte. Wir Beide galten also für ein Paar,
es fehlte nur der Segen des Priesters. Da kamen die neuen Dinge, über das
Land. Die Ungar» wollten sich mit dem großen Stammlande vereinen, und nur
nur Walachen sagten Nein. Anfangs war unsern Leuten gleichgültig, ob wir uuter
ungarischer Regierung ständen, oder deutscher, wenn wir nur frei würden. Denn
die Sage ging schnell durch das ganze Nomancnvvlk, daß der ungarische Landtag
alle Bauern gänzlich frei gemacht habe von den Roboten, und daß die Herren aus
der einberufene» siebenbürgischen Landesversammlung das Gleiche über die sieben-
bürgischen Bauer» aussprechen würden. Weil nun unter der deutschen Herrschaft
unsere Laste» groß waren und kein Walache ans einen grünen Zweig komme» konnte,
so hätten unsere Leute zur Abwechselung wohl anch einmal die ungarische Negierung
versucht. Da kamen aber von Hermannstadt viele Herren zu uns und sagten: Traut
deu Ungarn nicht! Der Kaiser will (5»es frei machen, aber nicht die »»garische»
Edelleute. Jetzt schmeicheln sie (such, weil sie künftig Eure Söhne zu Soldaten
gegen den Kaiser brauchen; gebt Acht, wenn sie eiiniial die Stärkeren stilt, dann
wird es mit der Robot noch ärger sein als jetzt. Darum sollt Ihr erklären, daß
Ihr die Union verwerfe und uuter dem Kaiser stehen wollt.

Ob sie die Wahrheit gesprochen, die sächsischen Herren, die uns vor alten
Zeiten eben so gedrückt haben, wie die Ungarn, so daß kein Walach unter den
Sachsen ein Amt bekleiden durste, weiß ich nicht. Aber unsere Bauern nahmen
sich diese Reden zu Herzen und protestirten gegen die Union; ja einmal, im Mai,
floß sogar Blut. Doch das wißt Ihr ja ebenso gut und besser als ich. — Wir
wurden einig, dem Kaiser Soldaten zu geben, und die Uebrigen, junge und alte
Männer, sollten mit den, Landsturm gehen. Die reichen Sachsen gaben viel Geld
her, um Waffen zu iuache.ii, und als mau uns noch sagte, daß der Kaiser befohlen
habe, alle Ungarn in ganz Siebenbürgen gefangen z» »ebene» oder todtzuschlagen,
und daß ihr Gut dann unser sein sollte, da standen alle walachischen Geiueiudeu
auf. In Hermannstadt saßen die Herren von unserer Nation und die sachsijchen
und deutschen Männer lind bildeten eine Gesellschaft. Die beriethen über das,
mas geschehe» sollte, und wenn sie überein gekomme» wäre», schickte» sie Briefe
an unsere Pope» und Richter, die lasen uns die Briefe vor, und wir wählten


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[0314] „Vor einem Jahre lernte ich in Zalathua ein Mädchen kennen, das dort für eins der schönsten weit und breit galt. Sie war die Tochter eines niedern Berg¬ beamten, eine Ungarin. Weil mein Bruder ebenfalls Steiger war, und ich selbst etwas Vermögen besitze, so ward nur gestattet, Unica häufig zu sehen, und ihr Vater hatte endlich nichts dagegen, daß ich sie binnen Jahresfrist Heimchen sollte. Denn Unica liebte mich, das hatte sie mir eingestanden, obwohl ihr ein Ungar vielleicht lieber gewesen wäre. Aber damals achtete man noch »licht so genau darauf, ob einer unter den Bauern Walache war oder Ungar. Unsere Herren hielten eS anders; ihnen waren wir, so lange man weiß, nur Packpferde, denen man auflud, so viel auf ihren Rücken gehen mochte. Wir Beide galten also für ein Paar, es fehlte nur der Segen des Priesters. Da kamen die neuen Dinge, über das Land. Die Ungar» wollten sich mit dem großen Stammlande vereinen, und nur nur Walachen sagten Nein. Anfangs war unsern Leuten gleichgültig, ob wir uuter ungarischer Regierung ständen, oder deutscher, wenn wir nur frei würden. Denn die Sage ging schnell durch das ganze Nomancnvvlk, daß der ungarische Landtag alle Bauern gänzlich frei gemacht habe von den Roboten, und daß die Herren aus der einberufene» siebenbürgischen Landesversammlung das Gleiche über die sieben- bürgischen Bauer» aussprechen würden. Weil nun unter der deutschen Herrschaft unsere Laste» groß waren und kein Walache ans einen grünen Zweig komme» konnte, so hätten unsere Leute zur Abwechselung wohl anch einmal die ungarische Negierung versucht. Da kamen aber von Hermannstadt viele Herren zu uns und sagten: Traut deu Ungarn nicht! Der Kaiser will (5»es frei machen, aber nicht die »»garische» Edelleute. Jetzt schmeicheln sie (such, weil sie künftig Eure Söhne zu Soldaten gegen den Kaiser brauchen; gebt Acht, wenn sie eiiniial die Stärkeren stilt, dann wird es mit der Robot noch ärger sein als jetzt. Darum sollt Ihr erklären, daß Ihr die Union verwerfe und uuter dem Kaiser stehen wollt. Ob sie die Wahrheit gesprochen, die sächsischen Herren, die uns vor alten Zeiten eben so gedrückt haben, wie die Ungarn, so daß kein Walach unter den Sachsen ein Amt bekleiden durste, weiß ich nicht. Aber unsere Bauern nahmen sich diese Reden zu Herzen und protestirten gegen die Union; ja einmal, im Mai, floß sogar Blut. Doch das wißt Ihr ja ebenso gut und besser als ich. — Wir wurden einig, dem Kaiser Soldaten zu geben, und die Uebrigen, junge und alte Männer, sollten mit den, Landsturm gehen. Die reichen Sachsen gaben viel Geld her, um Waffen zu iuache.ii, und als mau uns noch sagte, daß der Kaiser befohlen habe, alle Ungarn in ganz Siebenbürgen gefangen z» »ebene» oder todtzuschlagen, und daß ihr Gut dann unser sein sollte, da standen alle walachischen Geiueiudeu auf. In Hermannstadt saßen die Herren von unserer Nation und die sachsijchen und deutschen Männer lind bildeten eine Gesellschaft. Die beriethen über das, mas geschehe» sollte, und wenn sie überein gekomme» wäre», schickte» sie Briefe an unsere Pope» und Richter, die lasen uns die Briefe vor, und wir wählten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/314>, abgerufen am 22.07.2024.