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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Gott. Aber seine Seele ist nicht in deiner Gewalt. Alle Seelen sind
mein für ewig.

Unter diesen Umständen kann Lucifer nicht viel Vortheil von seiner Erlaub-
niß ziehen. Aber er ist ein entschiedener Fatalist: er weiß, daß er mit seinem
Versuche scheitern muß, aber auch, daß er ihn machen muß, weil es einmal so in
seiner Natur liegt.

Die nächste Scene bringt uns ans die Erde und führt uns bei Festus ein.
Wir erwarten nun eine Reihe voll Versuchungen, Kämpfen u. s. w. Aber nichts.
Lucifer hat zwar etwas wilde Grundsätze, die er z. B. in einem Monolog ent¬
wickelt: "Es ist Zeit, daß einmal etwas für den Armen gethan wird '). Die ein¬
zige Gleichheit auf Erden ist der Tod. Jetzt ist Reich und Arm gleichmäßig un¬
zufrieden, darum bin ich für's Gericht, das wird Beide zufriedenstellen. Nichts
kann gethan werden ohne Zerstörung (omnis Ac^MuwiMu ohl. moi^Uo). Tod ist
das allgemeine Salz der Staaten, Blut die Basis aller Dinge. Ich konnte dieses
Löwenalter zügeln, mir zu folgen; ich möchte die Welt macadamisireu. Die Straße
zur Hölle muß ausgebessert werden." it. s. w. Aber mancher Mensch hat eine Freude
daran, sich für schlechter auszugeben als er ist. Lucifer offenbart seinem Freunde
jede mögliche Art verborgener Wissenschaft, Metaphysik und Theologie; bringt ihn
in den Himmel, wo er erfährt, daß sein Name in das Buch des Lebens einge¬
schrieben ist, führt ihn durch alle Theile des Raums, in die Sterne, die Planeten ze.
(daher häufiger Scenenwechsel: Se. 1. Oberfläche. --- Se. 2. Centrum. --
Se. 3. Raum. -- Se. ^. Himmel. -- Se. ö. Hölle. -- Se. 6. Anderwärts. --
Se. 7. Im All, u. f. w.); leistet ihm also alle möglichen scientifischen Dienste.
Was die Moral betrifft, so ist an Festus nur eine gewisse Unbeständigkeit in der Liebe
zu tadeln. Zwar ist seine Leidenschaft zart, phantasiereich, romantisch und edel,
aber er überträgt sie mit unverzeihlicher Leichtigkeit voll einem Gegenstand ans den
andern. Er ist eine Art sentimentaler Don Juan: Angela, Clara, Helena, Elissa,
entzünden der Reihe nach seine verliebte Anbetung. Daran ist aber Lucifer un¬
schuldig; ja er hat sich vielmehr über Festus zu beklagen, denn dieser macht dem
Fürsten der Hölle seine eigene Geliebte abspenstig, Elissa. So ist es, Satan in
Amors Ketten. Und wie inbrimstig! Im Anfang ist er glücklich in seiner Liebe und
geberdet sich wie der junge Commis: " Für mich gibt es nnr einen Platz in der
Welt, wo dit bist; denn wo ich auch bin, sucht deine Liebe den Weg in mein Herz,
wie ein Vöglein in sein geheimes Nest." -- O Satan! Satan! wie tief bist dn ge¬
sunken ! -- Er verreist und vertraut die Geliebte seinem Freunde Festus an. Bei
seiner Rückkunft findet er sich verrathen, und sein Jammer ist so groß, daß wir ihm
unser'Mitleid nicht versagen können. "Höre mich! Dn weißt wohl, was ich einst dir



II, is une Alat somellMlg' sliouM Ki.! l'in' >>^', Dieser fünffüßige JtNttl'des,
der in seiner Art keineswegs allein steht, gibt ein Bild von der Nersification des Dichters.

Gott. Aber seine Seele ist nicht in deiner Gewalt. Alle Seelen sind
mein für ewig.

Unter diesen Umständen kann Lucifer nicht viel Vortheil von seiner Erlaub-
niß ziehen. Aber er ist ein entschiedener Fatalist: er weiß, daß er mit seinem
Versuche scheitern muß, aber auch, daß er ihn machen muß, weil es einmal so in
seiner Natur liegt.

Die nächste Scene bringt uns ans die Erde und führt uns bei Festus ein.
Wir erwarten nun eine Reihe voll Versuchungen, Kämpfen u. s. w. Aber nichts.
Lucifer hat zwar etwas wilde Grundsätze, die er z. B. in einem Monolog ent¬
wickelt: „Es ist Zeit, daß einmal etwas für den Armen gethan wird '). Die ein¬
zige Gleichheit auf Erden ist der Tod. Jetzt ist Reich und Arm gleichmäßig un¬
zufrieden, darum bin ich für's Gericht, das wird Beide zufriedenstellen. Nichts
kann gethan werden ohne Zerstörung (omnis Ac^MuwiMu ohl. moi^Uo). Tod ist
das allgemeine Salz der Staaten, Blut die Basis aller Dinge. Ich konnte dieses
Löwenalter zügeln, mir zu folgen; ich möchte die Welt macadamisireu. Die Straße
zur Hölle muß ausgebessert werden." it. s. w. Aber mancher Mensch hat eine Freude
daran, sich für schlechter auszugeben als er ist. Lucifer offenbart seinem Freunde
jede mögliche Art verborgener Wissenschaft, Metaphysik und Theologie; bringt ihn
in den Himmel, wo er erfährt, daß sein Name in das Buch des Lebens einge¬
schrieben ist, führt ihn durch alle Theile des Raums, in die Sterne, die Planeten ze.
(daher häufiger Scenenwechsel: Se. 1. Oberfläche. —- Se. 2. Centrum. —
Se. 3. Raum. — Se. ^. Himmel. — Se. ö. Hölle. — Se. 6. Anderwärts. —
Se. 7. Im All, u. f. w.); leistet ihm also alle möglichen scientifischen Dienste.
Was die Moral betrifft, so ist an Festus nur eine gewisse Unbeständigkeit in der Liebe
zu tadeln. Zwar ist seine Leidenschaft zart, phantasiereich, romantisch und edel,
aber er überträgt sie mit unverzeihlicher Leichtigkeit voll einem Gegenstand ans den
andern. Er ist eine Art sentimentaler Don Juan: Angela, Clara, Helena, Elissa,
entzünden der Reihe nach seine verliebte Anbetung. Daran ist aber Lucifer un¬
schuldig; ja er hat sich vielmehr über Festus zu beklagen, denn dieser macht dem
Fürsten der Hölle seine eigene Geliebte abspenstig, Elissa. So ist es, Satan in
Amors Ketten. Und wie inbrimstig! Im Anfang ist er glücklich in seiner Liebe und
geberdet sich wie der junge Commis: „ Für mich gibt es nnr einen Platz in der
Welt, wo dit bist; denn wo ich auch bin, sucht deine Liebe den Weg in mein Herz,
wie ein Vöglein in sein geheimes Nest." — O Satan! Satan! wie tief bist dn ge¬
sunken ! — Er verreist und vertraut die Geliebte seinem Freunde Festus an. Bei
seiner Rückkunft findet er sich verrathen, und sein Jammer ist so groß, daß wir ihm
unser'Mitleid nicht versagen können. „Höre mich! Dn weißt wohl, was ich einst dir



II, is une Alat somellMlg' sliouM Ki.! l'in' >>^', Dieser fünffüßige JtNttl'des,
der in seiner Art keineswegs allein steht, gibt ein Bild von der Nersification des Dichters.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/290>, abgerufen am 03.07.2024.