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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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schcnpflicht ist, Unglücklichen beizustehen, wusch ich Ihre Wunden und werde Sie
retten. Ueberlassen Sie sich ohne Furcht wir."

Als es Morgen ward, dauerte das Plündern und der Brand des Ortes fort.
Aber jetzt befanden sich die Räuber, die im Hause aus- und eingingen, in einem
solchen Zustande der Trunkenheit, daß der Plan des jungen Centurionen, Mica-
rcscu hieß er, zu gelingen versprach. Unter dem Vorwande, nicht mehr Raum
genug zu haben, ließ er bei dem Präfecten Prodan, dem Anführer der Walachen,
anfragen, ob er deu Gefangenen nicht weiter führen solle. Prodan, welcher selbst
nicht Maß gehalten hatte im Trinken, wie wir ihn denu später wieder zechend
antreffen werden, ließ dem MicareScu sagen, er solle mit dem ungarischen "Hunde"
macheu, was er wolle, ihm aber, ehe er ihn todt schlage, eine Maß guten Weins
geben, weil er doch ein tapferer Kerl sei.

MicareScu lud seineu Schützling uach dem Verbände seiner keineswegs schweren
Wunden, es waren Streisstiche von Lanze", auf eiuen Wagen, der mit geraubten
Bettzeuge beladen war, und schlug mit ihm die Richtung von Csombord ein.
Außer MicareScu saßen uoch drei gänzlich betrunkene Walachen auf dem Wagen,
die unaufhörlich schluckten und von ihren Heldenthaten erzählten, der eine rühmte
sich seiner Brutalitäten mit nichtständiger Rohheit. Plötzlich erhielt er von Mica--
rescn eiuen entsetzlichen Faustschlag. "Weißt Du nicht, rief er ihm in seiner
Sprache zu, daß hier ein Ungar liegt, der es verstehen und weiter erzählen
konnte? Was werden die Leute sagen in der Welt draußen, wenn sie solche
Gräuel hören?"

Es war Mittagszeit, als der Wagen vor einem bessern walachischen Hanse
in Csvmbort hielt. Die gänzlich betrunkenen Begleiter Micarcöcu's und Oedöns
wachten aus ihrem Schlafe auf und torkelten gähnend im Hofe auf und ab. Der
Centurio hob Oedvn aus dem Wagen, trug und führte ihn in das Haus, dessen
Besitzerin, eine alte Walachin, vor wenig Wochen an der Cholera gestorben war.
Jetzt lebte dort nnr die Tochter, ein hochgewachsenes, schönes Mädchen. Ihr
Bruder gehörte zu eiuer der umherschweifenden Landsturmbanden und wurde lauge
nicht zu Hause erwartet. Absichtlich hatte Micarescu dieses Haus zum einstweiligen
Aufenthalte OedönS gewählt. Er war ein entfernter Verwandter, kannte des
jungen Mädchens mitleidigen Sinn, und wußte, daß sein Schützling hier sicher auf¬
gehoben sei.

Die Walachin kam dem Wunsche des Ceuturiou's mit freundlicher Sorgfalt
entgegen. In der besten Kammer deö Hauses bereitete sie dem Kranken ein
weiches Lager und legte wohlthuende Salben, wie sie seit uralter Zeit den Frauen
dieses Volkes bekannt sind, ans seine Wunden. Es hätte kaum der warmen Worte,
mit denen MicareScu ihn dem Mädchen empfahl, bedurft, denn die Walachin,
weichern Sinnes als Viele ihres Stammes, hatte bei dem Anblicke des kranken
schönen Mannes ihr Herz von Mitleid bewegt gefühlt, und als MicareScu ihr


schcnpflicht ist, Unglücklichen beizustehen, wusch ich Ihre Wunden und werde Sie
retten. Ueberlassen Sie sich ohne Furcht wir."

Als es Morgen ward, dauerte das Plündern und der Brand des Ortes fort.
Aber jetzt befanden sich die Räuber, die im Hause aus- und eingingen, in einem
solchen Zustande der Trunkenheit, daß der Plan des jungen Centurionen, Mica-
rcscu hieß er, zu gelingen versprach. Unter dem Vorwande, nicht mehr Raum
genug zu haben, ließ er bei dem Präfecten Prodan, dem Anführer der Walachen,
anfragen, ob er deu Gefangenen nicht weiter führen solle. Prodan, welcher selbst
nicht Maß gehalten hatte im Trinken, wie wir ihn denu später wieder zechend
antreffen werden, ließ dem MicareScu sagen, er solle mit dem ungarischen „Hunde"
macheu, was er wolle, ihm aber, ehe er ihn todt schlage, eine Maß guten Weins
geben, weil er doch ein tapferer Kerl sei.

MicareScu lud seineu Schützling uach dem Verbände seiner keineswegs schweren
Wunden, es waren Streisstiche von Lanze«, auf eiuen Wagen, der mit geraubten
Bettzeuge beladen war, und schlug mit ihm die Richtung von Csombord ein.
Außer MicareScu saßen uoch drei gänzlich betrunkene Walachen auf dem Wagen,
die unaufhörlich schluckten und von ihren Heldenthaten erzählten, der eine rühmte
sich seiner Brutalitäten mit nichtständiger Rohheit. Plötzlich erhielt er von Mica--
rescn eiuen entsetzlichen Faustschlag. „Weißt Du nicht, rief er ihm in seiner
Sprache zu, daß hier ein Ungar liegt, der es verstehen und weiter erzählen
konnte? Was werden die Leute sagen in der Welt draußen, wenn sie solche
Gräuel hören?"

Es war Mittagszeit, als der Wagen vor einem bessern walachischen Hanse
in Csvmbort hielt. Die gänzlich betrunkenen Begleiter Micarcöcu's und Oedöns
wachten aus ihrem Schlafe auf und torkelten gähnend im Hofe auf und ab. Der
Centurio hob Oedvn aus dem Wagen, trug und führte ihn in das Haus, dessen
Besitzerin, eine alte Walachin, vor wenig Wochen an der Cholera gestorben war.
Jetzt lebte dort nnr die Tochter, ein hochgewachsenes, schönes Mädchen. Ihr
Bruder gehörte zu eiuer der umherschweifenden Landsturmbanden und wurde lauge
nicht zu Hause erwartet. Absichtlich hatte Micarescu dieses Haus zum einstweiligen
Aufenthalte OedönS gewählt. Er war ein entfernter Verwandter, kannte des
jungen Mädchens mitleidigen Sinn, und wußte, daß sein Schützling hier sicher auf¬
gehoben sei.

Die Walachin kam dem Wunsche des Ceuturiou's mit freundlicher Sorgfalt
entgegen. In der besten Kammer deö Hauses bereitete sie dem Kranken ein
weiches Lager und legte wohlthuende Salben, wie sie seit uralter Zeit den Frauen
dieses Volkes bekannt sind, ans seine Wunden. Es hätte kaum der warmen Worte,
mit denen MicareScu ihn dem Mädchen empfahl, bedurft, denn die Walachin,
weichern Sinnes als Viele ihres Stammes, hatte bei dem Anblicke des kranken
schönen Mannes ihr Herz von Mitleid bewegt gefühlt, und als MicareScu ihr


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[0276] schcnpflicht ist, Unglücklichen beizustehen, wusch ich Ihre Wunden und werde Sie retten. Ueberlassen Sie sich ohne Furcht wir." Als es Morgen ward, dauerte das Plündern und der Brand des Ortes fort. Aber jetzt befanden sich die Räuber, die im Hause aus- und eingingen, in einem solchen Zustande der Trunkenheit, daß der Plan des jungen Centurionen, Mica- rcscu hieß er, zu gelingen versprach. Unter dem Vorwande, nicht mehr Raum genug zu haben, ließ er bei dem Präfecten Prodan, dem Anführer der Walachen, anfragen, ob er deu Gefangenen nicht weiter führen solle. Prodan, welcher selbst nicht Maß gehalten hatte im Trinken, wie wir ihn denu später wieder zechend antreffen werden, ließ dem MicareScu sagen, er solle mit dem ungarischen „Hunde" macheu, was er wolle, ihm aber, ehe er ihn todt schlage, eine Maß guten Weins geben, weil er doch ein tapferer Kerl sei. MicareScu lud seineu Schützling uach dem Verbände seiner keineswegs schweren Wunden, es waren Streisstiche von Lanze«, auf eiuen Wagen, der mit geraubten Bettzeuge beladen war, und schlug mit ihm die Richtung von Csombord ein. Außer MicareScu saßen uoch drei gänzlich betrunkene Walachen auf dem Wagen, die unaufhörlich schluckten und von ihren Heldenthaten erzählten, der eine rühmte sich seiner Brutalitäten mit nichtständiger Rohheit. Plötzlich erhielt er von Mica-- rescn eiuen entsetzlichen Faustschlag. „Weißt Du nicht, rief er ihm in seiner Sprache zu, daß hier ein Ungar liegt, der es verstehen und weiter erzählen konnte? Was werden die Leute sagen in der Welt draußen, wenn sie solche Gräuel hören?" Es war Mittagszeit, als der Wagen vor einem bessern walachischen Hanse in Csvmbort hielt. Die gänzlich betrunkenen Begleiter Micarcöcu's und Oedöns wachten aus ihrem Schlafe auf und torkelten gähnend im Hofe auf und ab. Der Centurio hob Oedvn aus dem Wagen, trug und führte ihn in das Haus, dessen Besitzerin, eine alte Walachin, vor wenig Wochen an der Cholera gestorben war. Jetzt lebte dort nnr die Tochter, ein hochgewachsenes, schönes Mädchen. Ihr Bruder gehörte zu eiuer der umherschweifenden Landsturmbanden und wurde lauge nicht zu Hause erwartet. Absichtlich hatte Micarescu dieses Haus zum einstweiligen Aufenthalte OedönS gewählt. Er war ein entfernter Verwandter, kannte des jungen Mädchens mitleidigen Sinn, und wußte, daß sein Schützling hier sicher auf¬ gehoben sei. Die Walachin kam dem Wunsche des Ceuturiou's mit freundlicher Sorgfalt entgegen. In der besten Kammer deö Hauses bereitete sie dem Kranken ein weiches Lager und legte wohlthuende Salben, wie sie seit uralter Zeit den Frauen dieses Volkes bekannt sind, ans seine Wunden. Es hätte kaum der warmen Worte, mit denen MicareScu ihn dem Mädchen empfahl, bedurft, denn die Walachin, weichern Sinnes als Viele ihres Stammes, hatte bei dem Anblicke des kranken schönen Mannes ihr Herz von Mitleid bewegt gefühlt, und als MicareScu ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/276>, abgerufen am 22.07.2024.