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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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genblicke vor der Szcklerin. "Fliehe schnell, mein Sohn," rief sie. "Ich habe
zufällig das Gespräch der beiden Deutschen, die bei uus wohnen, gehört. Man
will Dich festnehmen lassen. Gott weiß, wer Dich ihnen verrathen hat. Eile
durch den Garten, die Weinberge hinauf. Hier, wenn Dn Geld brauchst -- ich
hoffe, Du gehst nach Klansenburg."

Während der Rede der Mutter hatte sich Oedöu, der ohnehin in Erwartung
einer Gefahr sich nie ganz entkleidete, seinen Anzug vollendet, Pistolen und Säbel
umgeschnallt, und stand, trotz seiner noch nicht völlig geheilten Wunde, kräftig und
frisch vor ihr. "Audris wird Dir das Pferd durch deu Garten nachführen, die
Hufen werden umbunden, um Dich nicht zu verrathen," sprach die Matrone. "Lade
die Pistolen, sieh wenigstens nach, ob Pulver genug aus der Pfanne ist. Der
Gott der Ungarn sei mit Dir, mein lieber Sohn." Sie umarmte den Mann,
schaute vorsichtig hinaus, ob Niemand im Hofe sei, und eilte in den Stall, den
Knecht zu wecken un5 Oedöus Pferd satteln zu lassen.

Mittlerweile schlich der Bergmann hinaus, gelaugte in den Garten, und als
er über den kleinen Bach gehen wollte, der jenen von den Weingärten trennt,
trat ihm eine tiefverhülltc Gestalt entgegen "ud hing, als sie ihn erkannt, weinend
ihre Arme um seinen Hals.

"Beruhige Dich, mein Mädchen. Gegen Menschen habe ich Waffen, und
Geister thun Niemandem weh. Von Klansenburg aus schreibe ich Dir; ich werde
Mittel finden, Dir dnrch die Feinde sagen zu lassen, wie es mir geht. Andris
kommt mit dem Pferde. So lebe wohl." -- schluchzend riß sich das Mädchen
von ihm los und kehrte langsam zur Mutter zurück.

Noch lag finstere Nacht auf Thal und Berg, als Oedön auf seinem schnell-
trabeudeu Pferde in die Nähe von Felvincz, einem großen szeklerischcn Marktflecken
des Aranyvscher Stuhls gelaugte. Da sah er unfern von sich eine dunkle Masse
sich bewegen, die er anfänglich für östreichisches Militär hielt. Um ihnen aus¬
zuweichen, ritt er dnrch die Felder einem Dorfe zu, das ungefähr eine Viertel¬
stunde vou Felbincz entfernt lag. Plötzlich aber bewegte sich auch von diesem Orte
her eine Colonne, die er für walachischen Landsturm erkannte. So war er zwi¬
schen zwei Jener gerathen. Er wollte nun abermals links schwenken und das
Dorf umgehen, aber bald überzeugte er sich, daß ein sehr tiefer, breiter Graben
ihm hier ein unübersteigliches Hinderniß entgegensetze. Jetzt beschloß er, dem
Volke entgegen zu gehen auf gut Glück, und wenn es sein müßte, sich mit dem
Schwerte einen Weg zu bahnen. -- Oedön gehörte zu den zahlreichen Sterblichen,
deren Lebenslauf bis zu einem gewissen Alter in friedlicher, vom Schicksal unan¬
gefochtener Ruhe verfließt. Dann sucht sie das Unglück zu einer bestimmten Le¬
bensfrist heim, und läßt einen Schlag, ein furchtbares Ereignis) nach dem andern
ans sie niederschmettern, daß die Getroffenen kaum zu Athem kommen. Er stammte
ans einer adeligen begüterten Familie und hatte, von der Natur mit guten Gaben


GrcnMcn. II. I8S0. 34

genblicke vor der Szcklerin. „Fliehe schnell, mein Sohn," rief sie. „Ich habe
zufällig das Gespräch der beiden Deutschen, die bei uus wohnen, gehört. Man
will Dich festnehmen lassen. Gott weiß, wer Dich ihnen verrathen hat. Eile
durch den Garten, die Weinberge hinauf. Hier, wenn Dn Geld brauchst — ich
hoffe, Du gehst nach Klansenburg."

Während der Rede der Mutter hatte sich Oedöu, der ohnehin in Erwartung
einer Gefahr sich nie ganz entkleidete, seinen Anzug vollendet, Pistolen und Säbel
umgeschnallt, und stand, trotz seiner noch nicht völlig geheilten Wunde, kräftig und
frisch vor ihr. „Audris wird Dir das Pferd durch deu Garten nachführen, die
Hufen werden umbunden, um Dich nicht zu verrathen," sprach die Matrone. „Lade
die Pistolen, sieh wenigstens nach, ob Pulver genug aus der Pfanne ist. Der
Gott der Ungarn sei mit Dir, mein lieber Sohn." Sie umarmte den Mann,
schaute vorsichtig hinaus, ob Niemand im Hofe sei, und eilte in den Stall, den
Knecht zu wecken un5 Oedöus Pferd satteln zu lassen.

Mittlerweile schlich der Bergmann hinaus, gelaugte in den Garten, und als
er über den kleinen Bach gehen wollte, der jenen von den Weingärten trennt,
trat ihm eine tiefverhülltc Gestalt entgegen »ud hing, als sie ihn erkannt, weinend
ihre Arme um seinen Hals.

„Beruhige Dich, mein Mädchen. Gegen Menschen habe ich Waffen, und
Geister thun Niemandem weh. Von Klansenburg aus schreibe ich Dir; ich werde
Mittel finden, Dir dnrch die Feinde sagen zu lassen, wie es mir geht. Andris
kommt mit dem Pferde. So lebe wohl." — schluchzend riß sich das Mädchen
von ihm los und kehrte langsam zur Mutter zurück.

Noch lag finstere Nacht auf Thal und Berg, als Oedön auf seinem schnell-
trabeudeu Pferde in die Nähe von Felvincz, einem großen szeklerischcn Marktflecken
des Aranyvscher Stuhls gelaugte. Da sah er unfern von sich eine dunkle Masse
sich bewegen, die er anfänglich für östreichisches Militär hielt. Um ihnen aus¬
zuweichen, ritt er dnrch die Felder einem Dorfe zu, das ungefähr eine Viertel¬
stunde vou Felbincz entfernt lag. Plötzlich aber bewegte sich auch von diesem Orte
her eine Colonne, die er für walachischen Landsturm erkannte. So war er zwi¬
schen zwei Jener gerathen. Er wollte nun abermals links schwenken und das
Dorf umgehen, aber bald überzeugte er sich, daß ein sehr tiefer, breiter Graben
ihm hier ein unübersteigliches Hinderniß entgegensetze. Jetzt beschloß er, dem
Volke entgegen zu gehen auf gut Glück, und wenn es sein müßte, sich mit dem
Schwerte einen Weg zu bahnen. — Oedön gehörte zu den zahlreichen Sterblichen,
deren Lebenslauf bis zu einem gewissen Alter in friedlicher, vom Schicksal unan¬
gefochtener Ruhe verfließt. Dann sucht sie das Unglück zu einer bestimmten Le¬
bensfrist heim, und läßt einen Schlag, ein furchtbares Ereignis) nach dem andern
ans sie niederschmettern, daß die Getroffenen kaum zu Athem kommen. Er stammte
ans einer adeligen begüterten Familie und hatte, von der Natur mit guten Gaben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/273>, abgerufen am 22.07.2024.