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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Orlatcr Grcnzwalachcn -- gestoßen war. Wie Bienen in einem Stock Schwarm--
ten die überraschten Bauern durcheinander, stellten und ordneten sich und be¬
wegten sich laugsam am User bin. Der Fluß trennte beide Heere. Da beschloß
Graf B., der Anführer der Husaren, mit seiner Truppe durch den Fluß zu
schwimmen. Es mochten an 3W Husaren sein. Säbel im Munde, Pistole in
der Rechten fehlen die Husaren in erweiterter Kolonne hinüber, indeß die Wa-
lachen drüben jauchzten und riefen: Laßt sie nur kommen, laßt sie bei uns sein,
dann wollen wir sie in ihrem Blute schwimmen lehren! Dicht gedrängt, einem
Walde vergleichbar, standen die Bauernhaufeu in laugen Linien am Ufer. Jetzt
sprengten die ersten Husaren, ihre Rittmeister voran, an'S Land, feuerten die Pi¬
stolen ab und machten Platz für sich und die Nachdrängenden. Dann lichteten sie
den Knäuel der Feinde mit dem Säbel, und als Alle das Ufer erreicht hatten,
begann ein erbarmungsloses Gemetzel, das die Führer vergeblich zu hemmen trach¬
teten durch die Trompetensignale, die zum Sammeln geblasen wurden. Ocdöu
war unter den Ersten, die das Ufer betreten hatten; auch er schlug mit seinem
Sarras in die Bauern und jagte in großem Eifer weithin einem Trupp Fliehender
nach; da aber wendeten sich einige der Flüchtigen um, und als sie nnr den ein¬
zelnen Reiter sahen, blieben sie -- es waren ihrer über dreißig -- stehen und
erwarteten ihn. Wie ein Pfeil sprengte Oedön mitten unter sie, schoß und hieb
unter sie und würde auch sich durchgeschlagen haben, wenn nicht sein Pferd, von
einer Lanze verwundet, gebäumt Hütte und niedergestürzt wäre. Noch zu Fuß
vertheidigte sich Oedöu mit Erfolg, endlich aber sank er schwer getroffen nieder,
und die Bauern schleppten ihn fort. Sieh, da stürmen zwei Szcklerhusaren her¬
bei, fahren in die Menge hinein, hauen den Gardisten heraus und legen den
Ohnmächtigen auf eines der Pferde. Am Flusse wuschen sie die Wunde ans, und
Oedön gelangte Nachts wieder nach Enyed, nicht mehr zu Rosse, sondern matt und
schwach auf einem Banernwagen.

Abermals war Trauer im Hause der Wittwe. Oedöns Wunde war uicht
gefährlich, aber schmerzhaft. Die Frauen wachten Tag und Nacht abwechselnd
an seinem Lager, und umgaben ihn mit jenen unzähligen kleinen Liebesbeweisen,
wie sie nur ein Frauenherz übt.

Gegen das Ende der zweiten Woche rückte kaiserliches Militär in die Stadt
ein. In das Hans der Wittwe wurden zwei Offiziere einquartirt. Von da an
hörte das vertrauliche Leben der beiden Liebenden, denen das Beisammensein und
herzliche Mittheilung fast unentbehrlich geworden war, auf, denn um verstohlen konnte
sich Ilona zu ihrem Bräutigam schleichen, der ein entferntes Hofzimmer erhalten
hatte, um gegen den heimlichen Gast uicht Argwohn zu erregen. Ueberdies hatte
sich seine Wunde um Vieles gebessert.

Da klopfte es eines Abends spät an seine Thüre. "Ich bin's, Oedön, deine
Mutter, öffne schnell!" Oedön sprang vom Lager auf und stand im nächsten An-


Orlatcr Grcnzwalachcn — gestoßen war. Wie Bienen in einem Stock Schwarm--
ten die überraschten Bauern durcheinander, stellten und ordneten sich und be¬
wegten sich laugsam am User bin. Der Fluß trennte beide Heere. Da beschloß
Graf B., der Anführer der Husaren, mit seiner Truppe durch den Fluß zu
schwimmen. Es mochten an 3W Husaren sein. Säbel im Munde, Pistole in
der Rechten fehlen die Husaren in erweiterter Kolonne hinüber, indeß die Wa-
lachen drüben jauchzten und riefen: Laßt sie nur kommen, laßt sie bei uns sein,
dann wollen wir sie in ihrem Blute schwimmen lehren! Dicht gedrängt, einem
Walde vergleichbar, standen die Bauernhaufeu in laugen Linien am Ufer. Jetzt
sprengten die ersten Husaren, ihre Rittmeister voran, an'S Land, feuerten die Pi¬
stolen ab und machten Platz für sich und die Nachdrängenden. Dann lichteten sie
den Knäuel der Feinde mit dem Säbel, und als Alle das Ufer erreicht hatten,
begann ein erbarmungsloses Gemetzel, das die Führer vergeblich zu hemmen trach¬
teten durch die Trompetensignale, die zum Sammeln geblasen wurden. Ocdöu
war unter den Ersten, die das Ufer betreten hatten; auch er schlug mit seinem
Sarras in die Bauern und jagte in großem Eifer weithin einem Trupp Fliehender
nach; da aber wendeten sich einige der Flüchtigen um, und als sie nnr den ein¬
zelnen Reiter sahen, blieben sie — es waren ihrer über dreißig — stehen und
erwarteten ihn. Wie ein Pfeil sprengte Oedön mitten unter sie, schoß und hieb
unter sie und würde auch sich durchgeschlagen haben, wenn nicht sein Pferd, von
einer Lanze verwundet, gebäumt Hütte und niedergestürzt wäre. Noch zu Fuß
vertheidigte sich Oedöu mit Erfolg, endlich aber sank er schwer getroffen nieder,
und die Bauern schleppten ihn fort. Sieh, da stürmen zwei Szcklerhusaren her¬
bei, fahren in die Menge hinein, hauen den Gardisten heraus und legen den
Ohnmächtigen auf eines der Pferde. Am Flusse wuschen sie die Wunde ans, und
Oedön gelangte Nachts wieder nach Enyed, nicht mehr zu Rosse, sondern matt und
schwach auf einem Banernwagen.

Abermals war Trauer im Hause der Wittwe. Oedöns Wunde war uicht
gefährlich, aber schmerzhaft. Die Frauen wachten Tag und Nacht abwechselnd
an seinem Lager, und umgaben ihn mit jenen unzähligen kleinen Liebesbeweisen,
wie sie nur ein Frauenherz übt.

Gegen das Ende der zweiten Woche rückte kaiserliches Militär in die Stadt
ein. In das Hans der Wittwe wurden zwei Offiziere einquartirt. Von da an
hörte das vertrauliche Leben der beiden Liebenden, denen das Beisammensein und
herzliche Mittheilung fast unentbehrlich geworden war, auf, denn um verstohlen konnte
sich Ilona zu ihrem Bräutigam schleichen, der ein entferntes Hofzimmer erhalten
hatte, um gegen den heimlichen Gast uicht Argwohn zu erregen. Ueberdies hatte
sich seine Wunde um Vieles gebessert.

Da klopfte es eines Abends spät an seine Thüre. „Ich bin's, Oedön, deine
Mutter, öffne schnell!" Oedön sprang vom Lager auf und stand im nächsten An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/272>, abgerufen am 22.07.2024.