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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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sind die Grenzboten conservativ, die Generale aber und das Ministerium arbeiten
für den Radicalismus und Eommnnismus.

Wir haben ein Recht gewonnen, dies grade jetzt mit Nachdruck auszusprechen,
die kaiserliche Regierung selbst hat uns Veranlassung dazu gegeben. Schon längst
hatten die Generäle die Leciüre der Grenzboten sast überall, wo der Belagerungs¬
zustand herrschte: in Wien, in Galizien, in Ungarn, sogar in Trieft ans eigene
Hand Verbote". Herr von Melden hat sogar arme Schelme, Kellner u. s. w.,
welche die Wochenschrift ausgelegt hatten, bevor diese durch irgend eine obrig¬
keitliche Publication verboten war, mit Gefängnißstrafe belegt und die kleinern
Regierungsblätter sind emsig bemüht gewesen, uns als einen Abgrund von sittenlosen
Communismus in finsterer Schwärze abzumalen; wir haben keinen Grund gehabt,
darüber Worte zu machen. Es war nicht mehr als natürlich, daß auch die Grenzboten
ihren Antheil an den Verdächtigungen, Verfolgungen und dem Schaden zu tragen
hatten, welcher seit einem Jahr, seit Stations Austritt, die Partei der liberalen
Patrioten getroffen hat, es war leicht, die Maßregeln der tapfern Generäle zu
übersehen, deren menschliche Bildung grade hinreichend war, uns mißzuverstehen,
und die loyalen Federn zu ignoriren, welche sast sämmtlich ihre Dinte schon im Jahre
1858 gegen uns gespritzt hatten, damals freilich, weil wir zu conservativ waren.
Wir haben das Glück gehabt, seit zwei Jahren fest ans demselben Princip zu
stehen und unsere Ueberzeugung ehrlich aussprechen zu dürfen, während die Ge¬
neräle im Jahr 18-58 mit den liberalem Elementen schon thun, der unglückliche
Latour sogar die Ungarn und den Reichstag belügen mußte; während der größte
Theil der Journalisten, welche jetzt für das Ministerium schreiben, damals demo¬
kratischen Unsinn gegen die Negierung in das Volk schleuderte.

Jetzt aber hat die gegenwärtige Regierung des KaiserstaatS einen officiellen
Schritt gegen unser Blatt gethan, welcher so charakteristisch für sie, und bei uns
in Deutschland so auffällig ist, daß wir die Verpflichtung fühlen, ihn bekannt zu
machen.

Seit Jahren ist Herr Jakob Kaufmann ans Böhmen Mitarbeiter des
Blattes. Sein grader Sinn, seine schalkhafte Laune und sein eleganter Stil
werden ihn vielen unserer Leser werth gemacht haben, uus war er ein treuer
Gehilfe bei dein technischen Theil der Redaktion und ein liebenwürdiger, zuver¬
lässiger Freund. Ueberall, wo er persönlich bekannt ist, -- und das ganze lite¬
rarische Oestreich kennt ihn -- werden ihm die Prädikate eines edlen, warm¬
herzigen Menschen, der eine seltene Harmlosigkeit und eine sehr uneigennützige
Liebe zu seinen Mitmenschen besitzt, gern zugestanden werden. Er lebte hier in
Leipzig ans Grund eines östreichischen Passes, welcher bis zum Oktober dieses
Jahres giltig ist. Da wurde durch die östreichische Gesandtschaft in Dresden an
die sächsische Regierung die Forderung gestellt, ihn wegen aufreizender Artikel in
den Grenzboten polizeilich auszuweisen uiud mit Zwangövisum in seinem Paß


sind die Grenzboten conservativ, die Generale aber und das Ministerium arbeiten
für den Radicalismus und Eommnnismus.

Wir haben ein Recht gewonnen, dies grade jetzt mit Nachdruck auszusprechen,
die kaiserliche Regierung selbst hat uns Veranlassung dazu gegeben. Schon längst
hatten die Generäle die Leciüre der Grenzboten sast überall, wo der Belagerungs¬
zustand herrschte: in Wien, in Galizien, in Ungarn, sogar in Trieft ans eigene
Hand Verbote». Herr von Melden hat sogar arme Schelme, Kellner u. s. w.,
welche die Wochenschrift ausgelegt hatten, bevor diese durch irgend eine obrig¬
keitliche Publication verboten war, mit Gefängnißstrafe belegt und die kleinern
Regierungsblätter sind emsig bemüht gewesen, uns als einen Abgrund von sittenlosen
Communismus in finsterer Schwärze abzumalen; wir haben keinen Grund gehabt,
darüber Worte zu machen. Es war nicht mehr als natürlich, daß auch die Grenzboten
ihren Antheil an den Verdächtigungen, Verfolgungen und dem Schaden zu tragen
hatten, welcher seit einem Jahr, seit Stations Austritt, die Partei der liberalen
Patrioten getroffen hat, es war leicht, die Maßregeln der tapfern Generäle zu
übersehen, deren menschliche Bildung grade hinreichend war, uns mißzuverstehen,
und die loyalen Federn zu ignoriren, welche sast sämmtlich ihre Dinte schon im Jahre
1858 gegen uns gespritzt hatten, damals freilich, weil wir zu conservativ waren.
Wir haben das Glück gehabt, seit zwei Jahren fest ans demselben Princip zu
stehen und unsere Ueberzeugung ehrlich aussprechen zu dürfen, während die Ge¬
neräle im Jahr 18-58 mit den liberalem Elementen schon thun, der unglückliche
Latour sogar die Ungarn und den Reichstag belügen mußte; während der größte
Theil der Journalisten, welche jetzt für das Ministerium schreiben, damals demo¬
kratischen Unsinn gegen die Negierung in das Volk schleuderte.

Jetzt aber hat die gegenwärtige Regierung des KaiserstaatS einen officiellen
Schritt gegen unser Blatt gethan, welcher so charakteristisch für sie, und bei uns
in Deutschland so auffällig ist, daß wir die Verpflichtung fühlen, ihn bekannt zu
machen.

Seit Jahren ist Herr Jakob Kaufmann ans Böhmen Mitarbeiter des
Blattes. Sein grader Sinn, seine schalkhafte Laune und sein eleganter Stil
werden ihn vielen unserer Leser werth gemacht haben, uus war er ein treuer
Gehilfe bei dein technischen Theil der Redaktion und ein liebenwürdiger, zuver¬
lässiger Freund. Ueberall, wo er persönlich bekannt ist, — und das ganze lite¬
rarische Oestreich kennt ihn — werden ihm die Prädikate eines edlen, warm¬
herzigen Menschen, der eine seltene Harmlosigkeit und eine sehr uneigennützige
Liebe zu seinen Mitmenschen besitzt, gern zugestanden werden. Er lebte hier in
Leipzig ans Grund eines östreichischen Passes, welcher bis zum Oktober dieses
Jahres giltig ist. Da wurde durch die östreichische Gesandtschaft in Dresden an
die sächsische Regierung die Forderung gestellt, ihn wegen aufreizender Artikel in
den Grenzboten polizeilich auszuweisen uiud mit Zwangövisum in seinem Paß


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[0239] sind die Grenzboten conservativ, die Generale aber und das Ministerium arbeiten für den Radicalismus und Eommnnismus. Wir haben ein Recht gewonnen, dies grade jetzt mit Nachdruck auszusprechen, die kaiserliche Regierung selbst hat uns Veranlassung dazu gegeben. Schon längst hatten die Generäle die Leciüre der Grenzboten sast überall, wo der Belagerungs¬ zustand herrschte: in Wien, in Galizien, in Ungarn, sogar in Trieft ans eigene Hand Verbote». Herr von Melden hat sogar arme Schelme, Kellner u. s. w., welche die Wochenschrift ausgelegt hatten, bevor diese durch irgend eine obrig¬ keitliche Publication verboten war, mit Gefängnißstrafe belegt und die kleinern Regierungsblätter sind emsig bemüht gewesen, uns als einen Abgrund von sittenlosen Communismus in finsterer Schwärze abzumalen; wir haben keinen Grund gehabt, darüber Worte zu machen. Es war nicht mehr als natürlich, daß auch die Grenzboten ihren Antheil an den Verdächtigungen, Verfolgungen und dem Schaden zu tragen hatten, welcher seit einem Jahr, seit Stations Austritt, die Partei der liberalen Patrioten getroffen hat, es war leicht, die Maßregeln der tapfern Generäle zu übersehen, deren menschliche Bildung grade hinreichend war, uns mißzuverstehen, und die loyalen Federn zu ignoriren, welche sast sämmtlich ihre Dinte schon im Jahre 1858 gegen uns gespritzt hatten, damals freilich, weil wir zu conservativ waren. Wir haben das Glück gehabt, seit zwei Jahren fest ans demselben Princip zu stehen und unsere Ueberzeugung ehrlich aussprechen zu dürfen, während die Ge¬ neräle im Jahr 18-58 mit den liberalem Elementen schon thun, der unglückliche Latour sogar die Ungarn und den Reichstag belügen mußte; während der größte Theil der Journalisten, welche jetzt für das Ministerium schreiben, damals demo¬ kratischen Unsinn gegen die Negierung in das Volk schleuderte. Jetzt aber hat die gegenwärtige Regierung des KaiserstaatS einen officiellen Schritt gegen unser Blatt gethan, welcher so charakteristisch für sie, und bei uns in Deutschland so auffällig ist, daß wir die Verpflichtung fühlen, ihn bekannt zu machen. Seit Jahren ist Herr Jakob Kaufmann ans Böhmen Mitarbeiter des Blattes. Sein grader Sinn, seine schalkhafte Laune und sein eleganter Stil werden ihn vielen unserer Leser werth gemacht haben, uus war er ein treuer Gehilfe bei dein technischen Theil der Redaktion und ein liebenwürdiger, zuver¬ lässiger Freund. Ueberall, wo er persönlich bekannt ist, — und das ganze lite¬ rarische Oestreich kennt ihn — werden ihm die Prädikate eines edlen, warm¬ herzigen Menschen, der eine seltene Harmlosigkeit und eine sehr uneigennützige Liebe zu seinen Mitmenschen besitzt, gern zugestanden werden. Er lebte hier in Leipzig ans Grund eines östreichischen Passes, welcher bis zum Oktober dieses Jahres giltig ist. Da wurde durch die östreichische Gesandtschaft in Dresden an die sächsische Regierung die Forderung gestellt, ihn wegen aufreizender Artikel in den Grenzboten polizeilich auszuweisen uiud mit Zwangövisum in seinem Paß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/239>, abgerufen am 01.07.2024.