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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Ueberzeugung Andriani's ein Prograunn und ihren Opcrationsplau erhalten hat.
Und da diese Partei die Notabilitäten des conservativen Ungarns, die verstän¬
digen Czechen, die deutschen Intelligenzen sast ohne Ausnahme in sich verewigt,
so ist ihr eine künftige parlamentarische Majorität gewiß, noch gewisser die Ma¬
jorität der Volkswünsche; und da in ihrem Programm die einzige Möglichkeit einer
dauernden Wiederherstellung des kranken Staates liegt, so muß ihr in einer nahen
oder ferneren Zukunft auch die Herrschaft werden. Es hat lange gedauert, bis
die Opposition gegen die gegenwärtige Regierung Oestreichs innern Halt und
staatsmännische Sprache fand. Die Journale, vor Allem unsre geachteten Freunde,
"Presse" und "Wanderer" erschienen als die einzigen thätigen und geschickten
Vertreter einer Idee, von deren Realisirung in Oestreich fast noch mehr abhängt,
als von einer Regelung der Finanzen. Erst in der letzten Zeit hat eine Annäherung
der liberalen Czechen, welche in der "Union" ein neues Parteiblatt gewonnen
haben, der conservativen Magyaren und deutscheu Patrioten stattgefunden. Die
Broschürenlitcratur wurde ein Thermometer für das schnelle Wachsen dieser Be-
strebungen. Die Schrift des Ungarn "Ueber Gleichberechtigung der Nationali¬
täten", eine ähnliche Abhandlung von Springer, und die Schrift von Audriani
sind fast zu gleicher Zeit auögegegeben worden, als gutes Zeichen einer bessern
Zeit für Oestreich! Endlich eine Hoffnung, wenn auch eine ferne! endlich eine
Kraft und männliche Ueberzeugung, welche im Siande ist, nicht nur niederzureißen,
sondern aufzubauen! Die Grundsätze, welche Audriaui ausspricht, sind: Festhalten
der Verfassung vom 4. März, eine starke Centralgewalt, gemeinschaftliche Vertre¬
tung aller Kronländer ans einem östreichischen Reichstag; aber keine administra¬
tive Centralisation, kein allgemeines Gemeinde-, kein allgemeines Wahlgesetz.
Die Negierung soll vou der Centralgewalt in Wien ausgehen, die ge¬
stimmte Administration soliden Statthaltern der einzelnen Kro nländcr,
in Verbindung mit deu Landtagen überlassen bleiben. Die Statthalter sind den
Landtagen gegenüber verantwortlich. Legislatiou, Budget und vollziehende Ge¬
walt der Kronländer neben der Legislatiou, dem Budget und dem Ministerium
des Reichs. Vou diesem Standpunkt aus bestimmt der Verfasser Competenz und
Wirkungskreis der einzelnen Gewalten sehr genau, gibt die Veränderungen an,
welche die bis jetzt erlassenen Organisatiousvcrordnnugeu erfahren müssen und zeigt
den Weg, auf weichem die Nation durch die Landtage der einzelnen Kronländer
diese Veränderungen mit dein Ministerium oder gegen dasselbe durchzusetzen hat.
In den nächsten Heften soll das Detail seines Programmes näher besprochen
werden, es kommt zunächst darauf an, auf die hohe Bedeutung der Schrift auf-
merksam zu machen; auch für Deutschland.

Vor Allein eine Bemerkung. Das Buch enthält deu. Plau eines weisen und
erfahrenen Geschäftsmannes, der im Stande ist, ein Portefeuille zu übernehmen und
seinen Plan auch zum Programm seines Ministeriums zu machen. Ein Ministe-


Ueberzeugung Andriani's ein Prograunn und ihren Opcrationsplau erhalten hat.
Und da diese Partei die Notabilitäten des conservativen Ungarns, die verstän¬
digen Czechen, die deutschen Intelligenzen sast ohne Ausnahme in sich verewigt,
so ist ihr eine künftige parlamentarische Majorität gewiß, noch gewisser die Ma¬
jorität der Volkswünsche; und da in ihrem Programm die einzige Möglichkeit einer
dauernden Wiederherstellung des kranken Staates liegt, so muß ihr in einer nahen
oder ferneren Zukunft auch die Herrschaft werden. Es hat lange gedauert, bis
die Opposition gegen die gegenwärtige Regierung Oestreichs innern Halt und
staatsmännische Sprache fand. Die Journale, vor Allem unsre geachteten Freunde,
„Presse" und „Wanderer" erschienen als die einzigen thätigen und geschickten
Vertreter einer Idee, von deren Realisirung in Oestreich fast noch mehr abhängt,
als von einer Regelung der Finanzen. Erst in der letzten Zeit hat eine Annäherung
der liberalen Czechen, welche in der „Union" ein neues Parteiblatt gewonnen
haben, der conservativen Magyaren und deutscheu Patrioten stattgefunden. Die
Broschürenlitcratur wurde ein Thermometer für das schnelle Wachsen dieser Be-
strebungen. Die Schrift des Ungarn „Ueber Gleichberechtigung der Nationali¬
täten", eine ähnliche Abhandlung von Springer, und die Schrift von Audriani
sind fast zu gleicher Zeit auögegegeben worden, als gutes Zeichen einer bessern
Zeit für Oestreich! Endlich eine Hoffnung, wenn auch eine ferne! endlich eine
Kraft und männliche Ueberzeugung, welche im Siande ist, nicht nur niederzureißen,
sondern aufzubauen! Die Grundsätze, welche Audriaui ausspricht, sind: Festhalten
der Verfassung vom 4. März, eine starke Centralgewalt, gemeinschaftliche Vertre¬
tung aller Kronländer ans einem östreichischen Reichstag; aber keine administra¬
tive Centralisation, kein allgemeines Gemeinde-, kein allgemeines Wahlgesetz.
Die Negierung soll vou der Centralgewalt in Wien ausgehen, die ge¬
stimmte Administration soliden Statthaltern der einzelnen Kro nländcr,
in Verbindung mit deu Landtagen überlassen bleiben. Die Statthalter sind den
Landtagen gegenüber verantwortlich. Legislatiou, Budget und vollziehende Ge¬
walt der Kronländer neben der Legislatiou, dem Budget und dem Ministerium
des Reichs. Vou diesem Standpunkt aus bestimmt der Verfasser Competenz und
Wirkungskreis der einzelnen Gewalten sehr genau, gibt die Veränderungen an,
welche die bis jetzt erlassenen Organisatiousvcrordnnugeu erfahren müssen und zeigt
den Weg, auf weichem die Nation durch die Landtage der einzelnen Kronländer
diese Veränderungen mit dein Ministerium oder gegen dasselbe durchzusetzen hat.
In den nächsten Heften soll das Detail seines Programmes näher besprochen
werden, es kommt zunächst darauf an, auf die hohe Bedeutung der Schrift auf-
merksam zu machen; auch für Deutschland.

Vor Allein eine Bemerkung. Das Buch enthält deu. Plau eines weisen und
erfahrenen Geschäftsmannes, der im Stande ist, ein Portefeuille zu übernehmen und
seinen Plan auch zum Programm seines Ministeriums zu machen. Ein Ministe-


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[0234] Ueberzeugung Andriani's ein Prograunn und ihren Opcrationsplau erhalten hat. Und da diese Partei die Notabilitäten des conservativen Ungarns, die verstän¬ digen Czechen, die deutschen Intelligenzen sast ohne Ausnahme in sich verewigt, so ist ihr eine künftige parlamentarische Majorität gewiß, noch gewisser die Ma¬ jorität der Volkswünsche; und da in ihrem Programm die einzige Möglichkeit einer dauernden Wiederherstellung des kranken Staates liegt, so muß ihr in einer nahen oder ferneren Zukunft auch die Herrschaft werden. Es hat lange gedauert, bis die Opposition gegen die gegenwärtige Regierung Oestreichs innern Halt und staatsmännische Sprache fand. Die Journale, vor Allem unsre geachteten Freunde, „Presse" und „Wanderer" erschienen als die einzigen thätigen und geschickten Vertreter einer Idee, von deren Realisirung in Oestreich fast noch mehr abhängt, als von einer Regelung der Finanzen. Erst in der letzten Zeit hat eine Annäherung der liberalen Czechen, welche in der „Union" ein neues Parteiblatt gewonnen haben, der conservativen Magyaren und deutscheu Patrioten stattgefunden. Die Broschürenlitcratur wurde ein Thermometer für das schnelle Wachsen dieser Be- strebungen. Die Schrift des Ungarn „Ueber Gleichberechtigung der Nationali¬ täten", eine ähnliche Abhandlung von Springer, und die Schrift von Audriani sind fast zu gleicher Zeit auögegegeben worden, als gutes Zeichen einer bessern Zeit für Oestreich! Endlich eine Hoffnung, wenn auch eine ferne! endlich eine Kraft und männliche Ueberzeugung, welche im Siande ist, nicht nur niederzureißen, sondern aufzubauen! Die Grundsätze, welche Audriaui ausspricht, sind: Festhalten der Verfassung vom 4. März, eine starke Centralgewalt, gemeinschaftliche Vertre¬ tung aller Kronländer ans einem östreichischen Reichstag; aber keine administra¬ tive Centralisation, kein allgemeines Gemeinde-, kein allgemeines Wahlgesetz. Die Negierung soll vou der Centralgewalt in Wien ausgehen, die ge¬ stimmte Administration soliden Statthaltern der einzelnen Kro nländcr, in Verbindung mit deu Landtagen überlassen bleiben. Die Statthalter sind den Landtagen gegenüber verantwortlich. Legislatiou, Budget und vollziehende Ge¬ walt der Kronländer neben der Legislatiou, dem Budget und dem Ministerium des Reichs. Vou diesem Standpunkt aus bestimmt der Verfasser Competenz und Wirkungskreis der einzelnen Gewalten sehr genau, gibt die Veränderungen an, welche die bis jetzt erlassenen Organisatiousvcrordnnugeu erfahren müssen und zeigt den Weg, auf weichem die Nation durch die Landtage der einzelnen Kronländer diese Veränderungen mit dein Ministerium oder gegen dasselbe durchzusetzen hat. In den nächsten Heften soll das Detail seines Programmes näher besprochen werden, es kommt zunächst darauf an, auf die hohe Bedeutung der Schrift auf- merksam zu machen; auch für Deutschland. Vor Allein eine Bemerkung. Das Buch enthält deu. Plau eines weisen und erfahrenen Geschäftsmannes, der im Stande ist, ein Portefeuille zu übernehmen und seinen Plan auch zum Programm seines Ministeriums zu machen. Ein Ministe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/234>, abgerufen am 01.07.2024.