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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Stammes in die Stadt. Da befahlen sie den Ungarn und Deutschen, ihre Waf¬
fen abzulegen und die Fahne des Kaisers aufzupflanzen, der ihnen befohlen, alle
seine Feinde zu entwaffnen und zu todten. Und abermals schwuren sie, es solle
dann den Wehrlosen kein Haar auf ihren Häuptern gekrümmt werden. Und aber¬
mals verletzten sie den Kid zur selben Stunde. Denn da die 3l)v Männer, die in
der Hand vou 3()tZ(Il) waren, ihre Waffen, nicht ahnend so großen Frevel, hinlegten,
begannen die Feinde zu morden und die Stadt auszuplündern und anzuzünden. Die
30l) aber ergriffen wieder ihre Gewehre und vertrieben deu ehrlosen feigen Feind.
Des feurigen Elementes Schnelligkeit nahm überHand und nun flohen die Frauen,
Kinder und Greise aus den Kirchen, wo der Prediger sie zinn Vertrauen aus
Gott ermahnt, und begaben sich mit den Männern ans der brennenden Stadt
und nahmen nichts mit sich, denn ihr Leben. Draußen warteten ihrer die Feinde,
zahlreich wie der Sand am Meere, und Mord schnaubend wie reißende Thiere.
Abermals -- ach hätten sie's nicht gethan und lieber ihr Heil im verzweifelten
.Kampfe gesucht -- übergaben sie dem immer näher herandrängenden Feinde ihre
Wehr, das Leben der Weiber und Kinder zu retten, weil der Feind sie nicht an¬
zutasten versprach, wenn sie ihm vertrauten. Einen Tag lang schleppte man mehr
denn 1500 Menschen in Hunger und Kalte umher; rings scholl der Jnbel der
Verräther, die sich ihrer Opfer freuten. Als die Nacht herbeikam, befahl der
Feind den Gefangenen, sich niederzulegen, still und ruhig auf das feuchte Erd¬
reich und versprach, ihr treuer Wächter zu sein. Da nun der Tag graute, hießen
die Walachen uns ausstehen, und weiter wandern. Wie soll ich jetzt schildern,
was geschah? Hätte ich die Zunge deö beredtesten Mannes, und wäre ein jedes
meiner Worte ein spitziger Dolch -- sie würden zu arm sein, um den grauen¬
haften Mord zu schildern, der geübt wurde, bei dem Orte, der Pre.szaka heißt.
Der Häuptling der Feinde rief wcla!,j! (Marsch). Und alsogleich stürzten Tau¬
sende und aber Tausende aus die wehrlosen Männer, Frauen, Kinder und Greise,
und mordeten mit Lust jegliches lebendige Wesen, das nicht Walache hieß. Ich
sah Blutströme sich dahin wälzen, und Meuscheu sich darinnen baden, ich sah zu
Tigern gewordene Menschen mit Wollust ihre Speere umwenden in der Brust
schwangerer Frauen, und auf den Spießen Kinder tragen -- ich sah zu Wol-
finuen gewordene Weiber mit dem Messer die unreife Frucht aus dein Leibe der
Mutter zerren, und ihre Lust kühlen am ungeborenen Geschöpf. Schöne Jung-
frauen und Weiber hörte ich Erbarmen rufen und jammernd ihre Angen schließen,
weil der Tod gnädiger war als die Menschen. Auch tapfere Männer gewahrte
ich, die, ein Jeder mit Zehn rangen und manchen der Feinde erlegten. Wie eine
längst vergangene Nacht und doch so hell und klar steht, was auf jener Wiese
geschehen, vor meinem Geiste, und mich selbst nur sehe ich wie einen Mann im
Nebel, der einem Bösewicht das Gewehr entreißt, und zwei Männer niederschmet-


Stammes in die Stadt. Da befahlen sie den Ungarn und Deutschen, ihre Waf¬
fen abzulegen und die Fahne des Kaisers aufzupflanzen, der ihnen befohlen, alle
seine Feinde zu entwaffnen und zu todten. Und abermals schwuren sie, es solle
dann den Wehrlosen kein Haar auf ihren Häuptern gekrümmt werden. Und aber¬
mals verletzten sie den Kid zur selben Stunde. Denn da die 3l)v Männer, die in
der Hand vou 3()tZ(Il) waren, ihre Waffen, nicht ahnend so großen Frevel, hinlegten,
begannen die Feinde zu morden und die Stadt auszuplündern und anzuzünden. Die
30l) aber ergriffen wieder ihre Gewehre und vertrieben deu ehrlosen feigen Feind.
Des feurigen Elementes Schnelligkeit nahm überHand und nun flohen die Frauen,
Kinder und Greise aus den Kirchen, wo der Prediger sie zinn Vertrauen aus
Gott ermahnt, und begaben sich mit den Männern ans der brennenden Stadt
und nahmen nichts mit sich, denn ihr Leben. Draußen warteten ihrer die Feinde,
zahlreich wie der Sand am Meere, und Mord schnaubend wie reißende Thiere.
Abermals — ach hätten sie's nicht gethan und lieber ihr Heil im verzweifelten
.Kampfe gesucht — übergaben sie dem immer näher herandrängenden Feinde ihre
Wehr, das Leben der Weiber und Kinder zu retten, weil der Feind sie nicht an¬
zutasten versprach, wenn sie ihm vertrauten. Einen Tag lang schleppte man mehr
denn 1500 Menschen in Hunger und Kalte umher; rings scholl der Jnbel der
Verräther, die sich ihrer Opfer freuten. Als die Nacht herbeikam, befahl der
Feind den Gefangenen, sich niederzulegen, still und ruhig auf das feuchte Erd¬
reich und versprach, ihr treuer Wächter zu sein. Da nun der Tag graute, hießen
die Walachen uns ausstehen, und weiter wandern. Wie soll ich jetzt schildern,
was geschah? Hätte ich die Zunge deö beredtesten Mannes, und wäre ein jedes
meiner Worte ein spitziger Dolch — sie würden zu arm sein, um den grauen¬
haften Mord zu schildern, der geübt wurde, bei dem Orte, der Pre.szaka heißt.
Der Häuptling der Feinde rief wcla!,j! (Marsch). Und alsogleich stürzten Tau¬
sende und aber Tausende aus die wehrlosen Männer, Frauen, Kinder und Greise,
und mordeten mit Lust jegliches lebendige Wesen, das nicht Walache hieß. Ich
sah Blutströme sich dahin wälzen, und Meuscheu sich darinnen baden, ich sah zu
Tigern gewordene Menschen mit Wollust ihre Speere umwenden in der Brust
schwangerer Frauen, und auf den Spießen Kinder tragen — ich sah zu Wol-
finuen gewordene Weiber mit dem Messer die unreife Frucht aus dein Leibe der
Mutter zerren, und ihre Lust kühlen am ungeborenen Geschöpf. Schöne Jung-
frauen und Weiber hörte ich Erbarmen rufen und jammernd ihre Angen schließen,
weil der Tod gnädiger war als die Menschen. Auch tapfere Männer gewahrte
ich, die, ein Jeder mit Zehn rangen und manchen der Feinde erlegten. Wie eine
längst vergangene Nacht und doch so hell und klar steht, was auf jener Wiese
geschehen, vor meinem Geiste, und mich selbst nur sehe ich wie einen Mann im
Nebel, der einem Bösewicht das Gewehr entreißt, und zwei Männer niederschmet-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/232>, abgerufen am 01.07.2024.