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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Geschichten aus Siebenbürgen:
Eine Familie in Nagy Enyed.*)
2^5"

Zu Nagy Enyed stand im Herbst 1848 ein räumliches, blankes Haus mit
glänzend grünen Fensterläden. Ans dein einen der Fenster blickt eine Matrone
aus die Straße, in dem andern lehnt ein Mädchen von kaum achtzehn Jahren
mit rothen Wangen, griechischem Profil, dunkeln, glänzenden Augen.

Eben reiten Szel'ter Husaren vorbei, ihnen folgen zwei Compagnien der
Freiwilligen in brannen Attila's mit rothen Schnüren, junge, frische Burschen,
die links und rechts ihre Augen nach den Fenstern nmherwarfen.

"Sieh' da, Mutter", rief die Jüngere, "wie stolz reitet der junge Offizier
den Schimmel. Was sind das für stattliche Herren, diese Husaren."

"Sind es doch Szekler", entgegnete selbstzufrieden die Mutter, welche selbst
diesem Stamme angehörte. "Jetzt reiten sie nur zum Exercieren, warte, bis sie
Ernst machen. Dann wirst Dn erst Deine Freude haben, mein ungarisches
Mädchen."

"Mir bangt", sprach die Tochter furchtsam, "das wird ein fürchterlicher
Krieg, und viele unschuldige, edle, hochherzige Menschen werden verderben, viele
Dörfer werden sie verbrennen und Mancher kommt an den Bettelstab, der gestern
noch ein großer Herr war. Mir ahnt auch für uns Unglück."

"Du weißt gar uicht, was Du für tolles Zeug schwatzest. Kannst Du Er¬
barmen haben mit Räubern und Mordbrennern , diesen Walachen, die des Kindes
in der Wiege nicht schönen und an: Martern eine Frende haben? Nieder mit
unsern Feinden, nieder! sag' ich. Dem Ungar und Szekler gehört das Land,
er hat es erobert mit seinem Blute, und die nach ihm gekommen sind, hat er als
Gastfreund aufgenommen, jetzt siehst Du, wie sie's ihm danken. Darum sag' ich:
keine Gnade." --

"Mutter, Gott hört Dich! Auch wir bedürfen der Gnade. Der Gott der
Ungarn ist auch der Gott der Walachen, Sachsen und Deutschen.

"Aber die Deutschen verdrehen unser Recht! Wann hast Dn je gehört, daß
der Deutsche zum Ungarn gesagt hätte: Höre Magyar, heute will ich Gerechtig¬
keit üben, und Dir ersetzen, was meine Bäter an Dir gesündigt haben? O, das
wäre zu viel Ehrlichkeit und Herablassung. Drum mög' er auch mit seinen Freun¬
den verderben!

Eine Weile schwieg die alte Szcklerin, überwältigt durch die Bitterkeit ihrer
Gefühle, währeud Ilona ernst vor sich niedersah; sie dachte an den abwesenden



*) In der letzten Nummer ist cmL Versehen dem Anfange dieser Erzählung ein un¬
richtiger Titel gegeben.
Z8*
Geschichten aus Siebenbürgen:
Eine Familie in Nagy Enyed.*)
2^5"

Zu Nagy Enyed stand im Herbst 1848 ein räumliches, blankes Haus mit
glänzend grünen Fensterläden. Ans dein einen der Fenster blickt eine Matrone
aus die Straße, in dem andern lehnt ein Mädchen von kaum achtzehn Jahren
mit rothen Wangen, griechischem Profil, dunkeln, glänzenden Augen.

Eben reiten Szel'ter Husaren vorbei, ihnen folgen zwei Compagnien der
Freiwilligen in brannen Attila's mit rothen Schnüren, junge, frische Burschen,
die links und rechts ihre Augen nach den Fenstern nmherwarfen.

„Sieh' da, Mutter", rief die Jüngere, „wie stolz reitet der junge Offizier
den Schimmel. Was sind das für stattliche Herren, diese Husaren."

„Sind es doch Szekler", entgegnete selbstzufrieden die Mutter, welche selbst
diesem Stamme angehörte. „Jetzt reiten sie nur zum Exercieren, warte, bis sie
Ernst machen. Dann wirst Dn erst Deine Freude haben, mein ungarisches
Mädchen."

„Mir bangt", sprach die Tochter furchtsam, „das wird ein fürchterlicher
Krieg, und viele unschuldige, edle, hochherzige Menschen werden verderben, viele
Dörfer werden sie verbrennen und Mancher kommt an den Bettelstab, der gestern
noch ein großer Herr war. Mir ahnt auch für uns Unglück."

„Du weißt gar uicht, was Du für tolles Zeug schwatzest. Kannst Du Er¬
barmen haben mit Räubern und Mordbrennern , diesen Walachen, die des Kindes
in der Wiege nicht schönen und an: Martern eine Frende haben? Nieder mit
unsern Feinden, nieder! sag' ich. Dem Ungar und Szekler gehört das Land,
er hat es erobert mit seinem Blute, und die nach ihm gekommen sind, hat er als
Gastfreund aufgenommen, jetzt siehst Du, wie sie's ihm danken. Darum sag' ich:
keine Gnade." —

„Mutter, Gott hört Dich! Auch wir bedürfen der Gnade. Der Gott der
Ungarn ist auch der Gott der Walachen, Sachsen und Deutschen.

„Aber die Deutschen verdrehen unser Recht! Wann hast Dn je gehört, daß
der Deutsche zum Ungarn gesagt hätte: Höre Magyar, heute will ich Gerechtig¬
keit üben, und Dir ersetzen, was meine Bäter an Dir gesündigt haben? O, das
wäre zu viel Ehrlichkeit und Herablassung. Drum mög' er auch mit seinen Freun¬
den verderben!

Eine Weile schwieg die alte Szcklerin, überwältigt durch die Bitterkeit ihrer
Gefühle, währeud Ilona ernst vor sich niedersah; sie dachte an den abwesenden



*) In der letzten Nummer ist cmL Versehen dem Anfange dieser Erzählung ein un¬
richtiger Titel gegeben.
Z8*
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[0227] Geschichten aus Siebenbürgen: Eine Familie in Nagy Enyed.*) 2^5" Zu Nagy Enyed stand im Herbst 1848 ein räumliches, blankes Haus mit glänzend grünen Fensterläden. Ans dein einen der Fenster blickt eine Matrone aus die Straße, in dem andern lehnt ein Mädchen von kaum achtzehn Jahren mit rothen Wangen, griechischem Profil, dunkeln, glänzenden Augen. Eben reiten Szel'ter Husaren vorbei, ihnen folgen zwei Compagnien der Freiwilligen in brannen Attila's mit rothen Schnüren, junge, frische Burschen, die links und rechts ihre Augen nach den Fenstern nmherwarfen. „Sieh' da, Mutter", rief die Jüngere, „wie stolz reitet der junge Offizier den Schimmel. Was sind das für stattliche Herren, diese Husaren." „Sind es doch Szekler", entgegnete selbstzufrieden die Mutter, welche selbst diesem Stamme angehörte. „Jetzt reiten sie nur zum Exercieren, warte, bis sie Ernst machen. Dann wirst Dn erst Deine Freude haben, mein ungarisches Mädchen." „Mir bangt", sprach die Tochter furchtsam, „das wird ein fürchterlicher Krieg, und viele unschuldige, edle, hochherzige Menschen werden verderben, viele Dörfer werden sie verbrennen und Mancher kommt an den Bettelstab, der gestern noch ein großer Herr war. Mir ahnt auch für uns Unglück." „Du weißt gar uicht, was Du für tolles Zeug schwatzest. Kannst Du Er¬ barmen haben mit Räubern und Mordbrennern , diesen Walachen, die des Kindes in der Wiege nicht schönen und an: Martern eine Frende haben? Nieder mit unsern Feinden, nieder! sag' ich. Dem Ungar und Szekler gehört das Land, er hat es erobert mit seinem Blute, und die nach ihm gekommen sind, hat er als Gastfreund aufgenommen, jetzt siehst Du, wie sie's ihm danken. Darum sag' ich: keine Gnade." — „Mutter, Gott hört Dich! Auch wir bedürfen der Gnade. Der Gott der Ungarn ist auch der Gott der Walachen, Sachsen und Deutschen. „Aber die Deutschen verdrehen unser Recht! Wann hast Dn je gehört, daß der Deutsche zum Ungarn gesagt hätte: Höre Magyar, heute will ich Gerechtig¬ keit üben, und Dir ersetzen, was meine Bäter an Dir gesündigt haben? O, das wäre zu viel Ehrlichkeit und Herablassung. Drum mög' er auch mit seinen Freun¬ den verderben! Eine Weile schwieg die alte Szcklerin, überwältigt durch die Bitterkeit ihrer Gefühle, währeud Ilona ernst vor sich niedersah; sie dachte an den abwesenden *) In der letzten Nummer ist cmL Versehen dem Anfange dieser Erzählung ein un¬ richtiger Titel gegeben. Z8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/227>, abgerufen am 22.07.2024.