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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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und glaubte heute wieder einen Hasenfang machen zu können." "Ergreift ihn,
und knüpft ihn an den ersten Baum", tobte die Menge, und Mehrere drangen
auf ihn mit schlechten Vorsätzen ein. Er wäre auch wirklich ein Opfer dieser
Lynchjustiz geworden, wenn nicht einige Offiziere und ältere Bauern ihn mit der
Bemerkung in Schutz genommen hätten: man müsse der Gerechtigkeit nicht vor¬
greifen ; so wurde er unter Eskorte gestellt und nach Verb" abgeführt, wo er zwei
Tage bewacht .und nach der Niederlage Hurbars mit mehreren andern schwer
Graoirteu nach Leopoldstadt transportirt wurde. So saß er jetzt uuter der
Anklage: ein Spion, die Ursache unserer Niederlage zu sein, kurz sich als ein
Verräther von höchst schwarzer Seele sattsam ausgewiesen zu haben.

Jener Schuß versprach das Alles zu widerlegen, wir hofften, erzählten und
wurden mittheilend. Endlich sagte ich zu ihm:

Sie gehen ans Hasenjagd ans, während Hunderttausende ihr junges Leben für
ihre Ueberzeugung opfern? Unsere junge Bekanntschaft berechtigt mich zwar uicht
solche Fragen an Sie zu stellen, aber wir leben in einer blutigen Zeit, wo sich
einer jungen Freundschaft nicht gerade ein hohes Alter prophezeihen läßt, und ich
will nicht gerne über Sie, der mich gerettet hat, und dein ich wieder helfen
möchte, in Ungewißheit bleiben." Der Gefangene hörte mich mit zu Boden ge¬
senktem Blicke an und sagte nach einer kleinen Pause: "Sie sind so gefällig, sich
in meiner Angelegenheit zu bemühen, aber ich bin fest überzeugt, daß Sie keine
Ansprüche auf mein Vertrauen mache", daher gebe ich Ihnen die gewünschte
Erklärung mit Vergnügen. Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, daß
ich der Partei, mit welcher Sie kämpfen, fern stehe. Ich kann mich durchaus
nicht entschließen, gegen eine andere Sache zu kämpfen, die ich im Princip znmZwecke
meines Lebens gemacht, und nur in Art und Weise der Ausführung mißbilligen
muß." "Und warum trittst Dn nicht offen in die Reihen unserer Feinde und
zeigst ihnen einen anderen, Deinem Ideale mehr entsprechenden Weg, auf wel¬
chem sie dem verhaßten Magyarenthume begegnen, könnten," rief hier Kasarik un¬
geduldig. "Ich habe Dir schon oft gesagt," versetzte der Panslavist ruhig, "daß
ich jedes Mittel verwerfe, welches wir jetzt anwenden mußten, um die ge¬
wünschte Einheit der slavischen Stämme bewerkstelligen zu können, und daß ich
mich nie entschließen werde, das hohe Ideal, das mich erfüllt, durch einen mo¬
mentanen scheinbaren Gewinn zu gefährden." "Und glauben Sie denn," fragte
ich, "daß Ihr großes Slavenrcich, denn das muß es doch am Eude sein, was
Sie anstreben, wie Minerva aus der Stirne ihres Vaters, gewaffnet aus Ihrer
Phantasie hervorgehen werde?" Der Jüngling lächelte kopfschüttelnd und ant¬
wortete nach einer kleinen Pause: "Ich hätte Ihnen vielleicht mit "Ja" ant¬
worten sollen; denn ich glaube, es wäre besser diese wunderbare Geburt geduldig
abzuwarten, als ihr zur Unzeit künstliche Hilfe zu bringen; allein ich bin Ihnen
eine positive Erklärung schuldig und ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit:


und glaubte heute wieder einen Hasenfang machen zu können." „Ergreift ihn,
und knüpft ihn an den ersten Baum", tobte die Menge, und Mehrere drangen
auf ihn mit schlechten Vorsätzen ein. Er wäre auch wirklich ein Opfer dieser
Lynchjustiz geworden, wenn nicht einige Offiziere und ältere Bauern ihn mit der
Bemerkung in Schutz genommen hätten: man müsse der Gerechtigkeit nicht vor¬
greifen ; so wurde er unter Eskorte gestellt und nach Verb» abgeführt, wo er zwei
Tage bewacht .und nach der Niederlage Hurbars mit mehreren andern schwer
Graoirteu nach Leopoldstadt transportirt wurde. So saß er jetzt uuter der
Anklage: ein Spion, die Ursache unserer Niederlage zu sein, kurz sich als ein
Verräther von höchst schwarzer Seele sattsam ausgewiesen zu haben.

Jener Schuß versprach das Alles zu widerlegen, wir hofften, erzählten und
wurden mittheilend. Endlich sagte ich zu ihm:

Sie gehen ans Hasenjagd ans, während Hunderttausende ihr junges Leben für
ihre Ueberzeugung opfern? Unsere junge Bekanntschaft berechtigt mich zwar uicht
solche Fragen an Sie zu stellen, aber wir leben in einer blutigen Zeit, wo sich
einer jungen Freundschaft nicht gerade ein hohes Alter prophezeihen läßt, und ich
will nicht gerne über Sie, der mich gerettet hat, und dein ich wieder helfen
möchte, in Ungewißheit bleiben." Der Gefangene hörte mich mit zu Boden ge¬
senktem Blicke an und sagte nach einer kleinen Pause: „Sie sind so gefällig, sich
in meiner Angelegenheit zu bemühen, aber ich bin fest überzeugt, daß Sie keine
Ansprüche auf mein Vertrauen mache», daher gebe ich Ihnen die gewünschte
Erklärung mit Vergnügen. Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, daß
ich der Partei, mit welcher Sie kämpfen, fern stehe. Ich kann mich durchaus
nicht entschließen, gegen eine andere Sache zu kämpfen, die ich im Princip znmZwecke
meines Lebens gemacht, und nur in Art und Weise der Ausführung mißbilligen
muß." „Und warum trittst Dn nicht offen in die Reihen unserer Feinde und
zeigst ihnen einen anderen, Deinem Ideale mehr entsprechenden Weg, auf wel¬
chem sie dem verhaßten Magyarenthume begegnen, könnten," rief hier Kasarik un¬
geduldig. „Ich habe Dir schon oft gesagt," versetzte der Panslavist ruhig, „daß
ich jedes Mittel verwerfe, welches wir jetzt anwenden mußten, um die ge¬
wünschte Einheit der slavischen Stämme bewerkstelligen zu können, und daß ich
mich nie entschließen werde, das hohe Ideal, das mich erfüllt, durch einen mo¬
mentanen scheinbaren Gewinn zu gefährden." „Und glauben Sie denn," fragte
ich, „daß Ihr großes Slavenrcich, denn das muß es doch am Eude sein, was
Sie anstreben, wie Minerva aus der Stirne ihres Vaters, gewaffnet aus Ihrer
Phantasie hervorgehen werde?" Der Jüngling lächelte kopfschüttelnd und ant¬
wortete nach einer kleinen Pause: „Ich hätte Ihnen vielleicht mit „Ja" ant¬
worten sollen; denn ich glaube, es wäre besser diese wunderbare Geburt geduldig
abzuwarten, als ihr zur Unzeit künstliche Hilfe zu bringen; allein ich bin Ihnen
eine positive Erklärung schuldig und ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/202>, abgerufen am 22.07.2024.