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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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etwas Gutes nachsagen zu können -- dem Ultramontanismus ziemlich abhold. Eine
Versammlung katholischer Bischöfe, die im Jahre 18/i9 hier einen geheimen Kongreß
halten dürfte, vereinigte sich zu einer Petition um Aufhebung des von Kaiser Joseph
eingeführten Meewm roxmm, wodurch die Korrespondenz des Clerus mit Rom
einer freilich oft nur illusorischen Beaufsichtigung des Staates unterworfen wird.
Wir würden diese Aufhebung weniger für einen materiellen als für einen morali¬
schen Schaden erachten. In diesem Sinne erhoben sich alle aufgeklärten, sowohl
conservativen wie liberalen Blätter, der Lloyd in einer Reihe mit dem Wanderer,
gegen das Ansinnen der Prälaten. Nur der finstere "Oestreichischc Korrespondent"
verfocht vom Standpunkte der Freiheit, -- eine Attitüde, die gerade ihn ungemein
graziös kleidet -- für die unbedingte Unabhängigkeit der Kirche vom Staate. Für
Trennung der Kirche vom Staate, für Unabhängigkeit der Schule von der Obhut
des Clerus und für die Civilehe ist er aber nicht, dieser weise Daniel; er wollte
Freiheit der Kirche vom Staat, Freiheit des Staates von der Kirche mit Nichten.
Er gilt, wie die Grenzboten schon einmal bemerkten, für das specielle Organ des
Ministerpräsidenten Schwarzenberg! Freiheit wurde auf einmal das Schiboleth
aller Finsterlinge. Dieselben Knttenritter, welche bekanntlich seit dem März so auf¬
richtig für den Fortschritt glühten, daß sie in Tyrol, Salzburg, Steiermark, und
selbst in Prag und Wien von allen Kanzeln gegen die harmloseste Neuerung don¬
nerten, verstanden sich plötzlich aus den Lockruf ihrer geschliffenem Brüder jenseits
des Rheins, gebrauchten das Wort Freiheit mit jener poetisch vaguen Allgemein¬
heit, so hübsch absehend von gegebenen Verhältnissen und Bedingungen, wie ein
Demokrat von sechzehn Jahren; und sie wußten ihren liberalen Gegnern so sieg¬
reich ihre Inconsequenz und Tyrannei nachzuweisen: Montalembert selbst hätte es
nicht besser gemacht. Wurde nicht sogar aus Belgien hingewiesen? I.u, UKertv
Laurie Lelgiciue! lautet das Losungswort der Ultramontanen. Wir nehmen
es gern an, unter der Bedingung, daß anch der Bürger sagen dürfe: ich habe
1a lllz<zrt.v evmmv LvlUMv. Der uneingeschränkten Freiheit der Kirche hält
in Belgien die Freiheit des Staates, die Freiheit der Vereine das Gegengewicht.
Die Kirche ist ein Verein wie ein anderer, blos um eine Kleinigkeit mächtiger,
besser organisirt, und trotz des Josephinischen PlacetS bei uns eben so vielfach
protegirt, wie trotz oder wegen des Vereinsrechts bürgerliche Associationen unmöglich
gemacht sind.

Die Konsequenz also schon verbot der geistlichen Petition Gehör zu geben.
Der "Tyroler Bote" meldet in elegischen Tönen, daß die freiheitöglühenden Bi¬
schöfe unverrichteter Dinge ihren Pilgerstab vor die Thore Wiens setzten. Sicher¬
lich hat der aufgeklärte Theil des Ministeriums, Bach und Schmerling, gegen die
Prälaten gestimmt. Hoffentlich wird das Cabinet in seinem Widerstande gegen die
Herrschaft der Kirche nicht auf dein vormärzlichen Standpunkt stehen bleiben. Auch
Altöstreich begünstigte die Suprematie der Kirche nicht, aber es behandelte sie als


etwas Gutes nachsagen zu können — dem Ultramontanismus ziemlich abhold. Eine
Versammlung katholischer Bischöfe, die im Jahre 18/i9 hier einen geheimen Kongreß
halten dürfte, vereinigte sich zu einer Petition um Aufhebung des von Kaiser Joseph
eingeführten Meewm roxmm, wodurch die Korrespondenz des Clerus mit Rom
einer freilich oft nur illusorischen Beaufsichtigung des Staates unterworfen wird.
Wir würden diese Aufhebung weniger für einen materiellen als für einen morali¬
schen Schaden erachten. In diesem Sinne erhoben sich alle aufgeklärten, sowohl
conservativen wie liberalen Blätter, der Lloyd in einer Reihe mit dem Wanderer,
gegen das Ansinnen der Prälaten. Nur der finstere „Oestreichischc Korrespondent"
verfocht vom Standpunkte der Freiheit, — eine Attitüde, die gerade ihn ungemein
graziös kleidet — für die unbedingte Unabhängigkeit der Kirche vom Staate. Für
Trennung der Kirche vom Staate, für Unabhängigkeit der Schule von der Obhut
des Clerus und für die Civilehe ist er aber nicht, dieser weise Daniel; er wollte
Freiheit der Kirche vom Staat, Freiheit des Staates von der Kirche mit Nichten.
Er gilt, wie die Grenzboten schon einmal bemerkten, für das specielle Organ des
Ministerpräsidenten Schwarzenberg! Freiheit wurde auf einmal das Schiboleth
aller Finsterlinge. Dieselben Knttenritter, welche bekanntlich seit dem März so auf¬
richtig für den Fortschritt glühten, daß sie in Tyrol, Salzburg, Steiermark, und
selbst in Prag und Wien von allen Kanzeln gegen die harmloseste Neuerung don¬
nerten, verstanden sich plötzlich aus den Lockruf ihrer geschliffenem Brüder jenseits
des Rheins, gebrauchten das Wort Freiheit mit jener poetisch vaguen Allgemein¬
heit, so hübsch absehend von gegebenen Verhältnissen und Bedingungen, wie ein
Demokrat von sechzehn Jahren; und sie wußten ihren liberalen Gegnern so sieg¬
reich ihre Inconsequenz und Tyrannei nachzuweisen: Montalembert selbst hätte es
nicht besser gemacht. Wurde nicht sogar aus Belgien hingewiesen? I.u, UKertv
Laurie Lelgiciue! lautet das Losungswort der Ultramontanen. Wir nehmen
es gern an, unter der Bedingung, daß anch der Bürger sagen dürfe: ich habe
1a lllz<zrt.v evmmv LvlUMv. Der uneingeschränkten Freiheit der Kirche hält
in Belgien die Freiheit des Staates, die Freiheit der Vereine das Gegengewicht.
Die Kirche ist ein Verein wie ein anderer, blos um eine Kleinigkeit mächtiger,
besser organisirt, und trotz des Josephinischen PlacetS bei uns eben so vielfach
protegirt, wie trotz oder wegen des Vereinsrechts bürgerliche Associationen unmöglich
gemacht sind.

Die Konsequenz also schon verbot der geistlichen Petition Gehör zu geben.
Der „Tyroler Bote" meldet in elegischen Tönen, daß die freiheitöglühenden Bi¬
schöfe unverrichteter Dinge ihren Pilgerstab vor die Thore Wiens setzten. Sicher¬
lich hat der aufgeklärte Theil des Ministeriums, Bach und Schmerling, gegen die
Prälaten gestimmt. Hoffentlich wird das Cabinet in seinem Widerstande gegen die
Herrschaft der Kirche nicht auf dein vormärzlichen Standpunkt stehen bleiben. Auch
Altöstreich begünstigte die Suprematie der Kirche nicht, aber es behandelte sie als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/157>, abgerufen am 26.06.2024.