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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Einen gefährlichen Gegner ihrer Ansicht hatte die Linke sich in ihren: eigenen
Schooße erzogen -- den erst neulich von ihr zum Centrum übergetretenen Pro¬
fessor Rasch ig. Mit schlagendem Witz und im populären Tone bekämpfte er
die Demokratie vom Boden ihrer eigenen Grundsätze aus, indem er Satz auf
Satz nachwies, wie die Wohlfahrt des Volkes, das letzte Ziel jeder wahren De¬
mokratie, auf der Freiheit, die Freiheit aus der Macht des Staates beruhe, diese
Macht aber sür Deutschland dermalen aus keinem andern Wege zu erreichen stehe,
als ans dem des Bündnisses vom 26. Mai.

Ueberhaupt hatte das Centrum einen vorzüglichen Antheil an diesen Debatten,
und schwerlich irrt man, wenn man ihm ein anschlagendes Gewicht bei der Losung
der deutschen Frage in der zweiten Kammer, nicht blos durch die Zahl seiner
Stimmen, sondern anch durch den Einfluß seiner Redner, zuschreibt. Fast uicht
eines seiner Mitglieder blieb vom .Kampfplätze fern. Zweier davon ist noch be¬
sonders zu gedenken. Kämmel, eine kurze Zeit Natioualvertreier in Frankfurt,
war dort durch de" allgemeinen Zug der sächsischen Abgeordneten auf die Lücke ver-
schlagen wordeu, der er eigentlich seiner innersten Gesinnung und Bildung uach
nicht angehörte. Auch hier galt er, gleich Naschig, für einen Erwählten der
"Volkspartei" -- fand aber seinen entsprechenden Platz im Centrum. Seinen
Uebertritt von der Frankfurter Verfassung zu der vom 26. Mai rechtfertigte er
mit den Worten: "Er habe in dein letzten Jahre einiges gelernt und man¬
ches vergessen."

Klinger, ein hervorragendes Mitglied der alten Opposition, der Freund
Braun's und Oberländer's, genoß eines ausgezeichneten Vertrauens bei der Linken,
welches er auch wohl zu schätzen und zu Pflegen weiß. Seine entschlossene Par¬
teinahme sür die Dreikvnigsvcrfassuug war daher eben so anerkennenswerih als
folgereich in ihren Wirkungen auf jene Seite der Kammer.

Nach einer andern Seite hin bedeutsam war das Auftreten der ehemaligen
Minister Braun und Held. Jener einst Vorstand des Ministeriums, College
Pfortenö, Verfasser jenes Programms vom 16. März, worin Sachsens Mitwirkung
zur Umgestaltung des deutschen Bundes u1>d zur Herstellung einer Volksvertretung
für Deutschland verheißen ward, dieser, uach Braun's Rücktritt mit Herrn V. Beust
an die Spitze der Geschäfte gestellt, bald aber genöthigt, letzterem das Feld zu
überlassen, weil er die Anerkennung der Reichsverfassung, Beust dagegen, auf den
Rückhalt preußischer Hilft gestützt, deren Zurückweisung anrieth. -- Diese bei¬
den Männer sah man jetzt eifrig bemüht, für die Festhaltung jener Verfassung,
welche Herr v. Beust in den drangvollen Tagen des Mai als den "einzig mög¬
lichen Weg" ""r Sicherung Deutschlands empfahl, und welche er jetzt mit eigner
Hand wieder zu zerstören in: Begriff stand, sür die Herstellung eben jenes monar¬
chischen, konstitutionellen BnndeSMat, welchen einst, als Braun's College, auch
Herr v. d. Pfordten sür das nothwendige Ziel der deutschen und der sächsischen


GrciiMcn. II, 1850. 17

Einen gefährlichen Gegner ihrer Ansicht hatte die Linke sich in ihren: eigenen
Schooße erzogen — den erst neulich von ihr zum Centrum übergetretenen Pro¬
fessor Rasch ig. Mit schlagendem Witz und im populären Tone bekämpfte er
die Demokratie vom Boden ihrer eigenen Grundsätze aus, indem er Satz auf
Satz nachwies, wie die Wohlfahrt des Volkes, das letzte Ziel jeder wahren De¬
mokratie, auf der Freiheit, die Freiheit aus der Macht des Staates beruhe, diese
Macht aber sür Deutschland dermalen aus keinem andern Wege zu erreichen stehe,
als ans dem des Bündnisses vom 26. Mai.

Ueberhaupt hatte das Centrum einen vorzüglichen Antheil an diesen Debatten,
und schwerlich irrt man, wenn man ihm ein anschlagendes Gewicht bei der Losung
der deutschen Frage in der zweiten Kammer, nicht blos durch die Zahl seiner
Stimmen, sondern anch durch den Einfluß seiner Redner, zuschreibt. Fast uicht
eines seiner Mitglieder blieb vom .Kampfplätze fern. Zweier davon ist noch be¬
sonders zu gedenken. Kämmel, eine kurze Zeit Natioualvertreier in Frankfurt,
war dort durch de» allgemeinen Zug der sächsischen Abgeordneten auf die Lücke ver-
schlagen wordeu, der er eigentlich seiner innersten Gesinnung und Bildung uach
nicht angehörte. Auch hier galt er, gleich Naschig, für einen Erwählten der
„Volkspartei" — fand aber seinen entsprechenden Platz im Centrum. Seinen
Uebertritt von der Frankfurter Verfassung zu der vom 26. Mai rechtfertigte er
mit den Worten: „Er habe in dein letzten Jahre einiges gelernt und man¬
ches vergessen."

Klinger, ein hervorragendes Mitglied der alten Opposition, der Freund
Braun's und Oberländer's, genoß eines ausgezeichneten Vertrauens bei der Linken,
welches er auch wohl zu schätzen und zu Pflegen weiß. Seine entschlossene Par¬
teinahme sür die Dreikvnigsvcrfassuug war daher eben so anerkennenswerih als
folgereich in ihren Wirkungen auf jene Seite der Kammer.

Nach einer andern Seite hin bedeutsam war das Auftreten der ehemaligen
Minister Braun und Held. Jener einst Vorstand des Ministeriums, College
Pfortenö, Verfasser jenes Programms vom 16. März, worin Sachsens Mitwirkung
zur Umgestaltung des deutschen Bundes u1>d zur Herstellung einer Volksvertretung
für Deutschland verheißen ward, dieser, uach Braun's Rücktritt mit Herrn V. Beust
an die Spitze der Geschäfte gestellt, bald aber genöthigt, letzterem das Feld zu
überlassen, weil er die Anerkennung der Reichsverfassung, Beust dagegen, auf den
Rückhalt preußischer Hilft gestützt, deren Zurückweisung anrieth. — Diese bei¬
den Männer sah man jetzt eifrig bemüht, für die Festhaltung jener Verfassung,
welche Herr v. Beust in den drangvollen Tagen des Mai als den „einzig mög¬
lichen Weg" »"r Sicherung Deutschlands empfahl, und welche er jetzt mit eigner
Hand wieder zu zerstören in: Begriff stand, sür die Herstellung eben jenes monar¬
chischen, konstitutionellen BnndeSMat, welchen einst, als Braun's College, auch
Herr v. d. Pfordten sür das nothwendige Ziel der deutschen und der sächsischen


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[0137] Einen gefährlichen Gegner ihrer Ansicht hatte die Linke sich in ihren: eigenen Schooße erzogen — den erst neulich von ihr zum Centrum übergetretenen Pro¬ fessor Rasch ig. Mit schlagendem Witz und im populären Tone bekämpfte er die Demokratie vom Boden ihrer eigenen Grundsätze aus, indem er Satz auf Satz nachwies, wie die Wohlfahrt des Volkes, das letzte Ziel jeder wahren De¬ mokratie, auf der Freiheit, die Freiheit aus der Macht des Staates beruhe, diese Macht aber sür Deutschland dermalen aus keinem andern Wege zu erreichen stehe, als ans dem des Bündnisses vom 26. Mai. Ueberhaupt hatte das Centrum einen vorzüglichen Antheil an diesen Debatten, und schwerlich irrt man, wenn man ihm ein anschlagendes Gewicht bei der Losung der deutschen Frage in der zweiten Kammer, nicht blos durch die Zahl seiner Stimmen, sondern anch durch den Einfluß seiner Redner, zuschreibt. Fast uicht eines seiner Mitglieder blieb vom .Kampfplätze fern. Zweier davon ist noch be¬ sonders zu gedenken. Kämmel, eine kurze Zeit Natioualvertreier in Frankfurt, war dort durch de» allgemeinen Zug der sächsischen Abgeordneten auf die Lücke ver- schlagen wordeu, der er eigentlich seiner innersten Gesinnung und Bildung uach nicht angehörte. Auch hier galt er, gleich Naschig, für einen Erwählten der „Volkspartei" — fand aber seinen entsprechenden Platz im Centrum. Seinen Uebertritt von der Frankfurter Verfassung zu der vom 26. Mai rechtfertigte er mit den Worten: „Er habe in dein letzten Jahre einiges gelernt und man¬ ches vergessen." Klinger, ein hervorragendes Mitglied der alten Opposition, der Freund Braun's und Oberländer's, genoß eines ausgezeichneten Vertrauens bei der Linken, welches er auch wohl zu schätzen und zu Pflegen weiß. Seine entschlossene Par¬ teinahme sür die Dreikvnigsvcrfassuug war daher eben so anerkennenswerih als folgereich in ihren Wirkungen auf jene Seite der Kammer. Nach einer andern Seite hin bedeutsam war das Auftreten der ehemaligen Minister Braun und Held. Jener einst Vorstand des Ministeriums, College Pfortenö, Verfasser jenes Programms vom 16. März, worin Sachsens Mitwirkung zur Umgestaltung des deutschen Bundes u1>d zur Herstellung einer Volksvertretung für Deutschland verheißen ward, dieser, uach Braun's Rücktritt mit Herrn V. Beust an die Spitze der Geschäfte gestellt, bald aber genöthigt, letzterem das Feld zu überlassen, weil er die Anerkennung der Reichsverfassung, Beust dagegen, auf den Rückhalt preußischer Hilft gestützt, deren Zurückweisung anrieth. — Diese bei¬ den Männer sah man jetzt eifrig bemüht, für die Festhaltung jener Verfassung, welche Herr v. Beust in den drangvollen Tagen des Mai als den „einzig mög¬ lichen Weg" »"r Sicherung Deutschlands empfahl, und welche er jetzt mit eigner Hand wieder zu zerstören in: Begriff stand, sür die Herstellung eben jenes monar¬ chischen, konstitutionellen BnndeSMat, welchen einst, als Braun's College, auch Herr v. d. Pfordten sür das nothwendige Ziel der deutschen und der sächsischen GrciiMcn. II, 1850. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/137>, abgerufen am 25.08.2024.