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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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des constitutionellen Bundesstaates überhaupt, und damit stieß er auch die Linke
vou sich. Sein Antrag, der den allgemeinen Ausschußautrag zu einem groß-
deutschen Directorialschemcu verdünnen und verflüchtigen sollte, -- "die Begrün¬
dung eines einigen deutschen Reichs mit einer aus Wahlen des Volks hervor¬
gehenden Vertretung" -- fand kümmerliche Unterstützung und bei der Abstimmung
eine kaum nennenswerthe Minorität.

Den hingeworfenen Handschuh nahm im Namen der Bundesstaatspartei der
Referent auf. Dem Gegner Schritt vor Schritt folgend, brach er dnrch die
künstlichen Schlangenwindungen, in welche dieser ihn zu verstricken suchte, festen
Fußes hindurch, zog die gleißende Hülle sophistischer Beweisführungen und ein¬
schmeichelnder Bilder von dessen Vorschlagen hinweg und zeigte dahinter als deren'
Endziel, die Verkümmerung deutscher Einheit und Freiheit in der Verstrickung
Deutschlands mit der unförmlichen und gährenden Völkermasse Oestreichs.

So endete der erste Schlachttag. Am zweiten ward das Centrum von der
Rechten in der Vertheidigung der Anöschnßanträge abgelöst. Die Hauptredner
der letzten an diesem Tage waren Koch und Schwarze. Jener, als eifriger
Parteigänger des Bundesstaates und der erblichen EinHerrschaft von Frankfurt her
bekannt, hier Vertreter der ersten Handelsstadt Sachsens, schlug die Saite an,
welche dort und in dem ganzen großen gewerbtreibenden Theile des Landes immer
am Stärksten anklingt -- er schilderte die materiellen Nachtheile Sachsens bei
einer Trennung desselben von Preußen und den Staaten des Zollvereins. Auch
noch einen andern, ziemlich delicaten Punkt berührte er mit keckem Finger, das
GesandtschastSrecht.

In der ersten Kammer hat der Minister dieses Recht einen nothwendigen
"Nimbus der Krone" genannt. Daraus anspielend sagte Koch: ,,Jch hoffe, wenn
die Frag^ des Gesandtschastsrechts beim Budget verhandelt werden wird, daß wir
dann auf eine andere, den Wünschen deö Volks entsprechendere, die Krone ehren¬
dere Weise jenen Nimbus um dieselbe zu verbreiten wissen werden. Ich glaube,
es ist ein besserer Schmuck der Krone, wenn dnrch Wegfall des Gesandtschafts¬
rechts auch nur so viel an dem Ausgabebudget erspart wird, daß das Körnchen
Salz des armen Arbeiters, welches mau jetzt höher zu besteuern, beabsichtigt, viel¬
leicht ganz steuerfrei bleibe" könnte." (Beifall im Saale.)

Schwarze ist Staatsdiener, Mitglied des höchsten Richtereolleginms. Er
war es, der im Mai vorigen Jahres, in jener verhängnißvollen Stunde, welche
dem Dresdner Aufstand vorausging, deu König fußfällig beschwor, deu Bitten
seines Volkes nachzugeben und die Reichsverfassung anzuerkennen. Im Ganzen
gehört Schwarze zu den Rücksichtsvollen, welche die Grenze zwischen dein was
ihre Stellung und dem was der Fortschritt, die Zeit und die Stimme des Volks
von ihnen fordert, sehr genau einzuhalten wissen. Auch jetzt bei seiner Erklärung
für die Verfassung vom 26. Mai hielt er sich und der Regierung einen Weg


des constitutionellen Bundesstaates überhaupt, und damit stieß er auch die Linke
vou sich. Sein Antrag, der den allgemeinen Ausschußautrag zu einem groß-
deutschen Directorialschemcu verdünnen und verflüchtigen sollte, — „die Begrün¬
dung eines einigen deutschen Reichs mit einer aus Wahlen des Volks hervor¬
gehenden Vertretung" — fand kümmerliche Unterstützung und bei der Abstimmung
eine kaum nennenswerthe Minorität.

Den hingeworfenen Handschuh nahm im Namen der Bundesstaatspartei der
Referent auf. Dem Gegner Schritt vor Schritt folgend, brach er dnrch die
künstlichen Schlangenwindungen, in welche dieser ihn zu verstricken suchte, festen
Fußes hindurch, zog die gleißende Hülle sophistischer Beweisführungen und ein¬
schmeichelnder Bilder von dessen Vorschlagen hinweg und zeigte dahinter als deren'
Endziel, die Verkümmerung deutscher Einheit und Freiheit in der Verstrickung
Deutschlands mit der unförmlichen und gährenden Völkermasse Oestreichs.

So endete der erste Schlachttag. Am zweiten ward das Centrum von der
Rechten in der Vertheidigung der Anöschnßanträge abgelöst. Die Hauptredner
der letzten an diesem Tage waren Koch und Schwarze. Jener, als eifriger
Parteigänger des Bundesstaates und der erblichen EinHerrschaft von Frankfurt her
bekannt, hier Vertreter der ersten Handelsstadt Sachsens, schlug die Saite an,
welche dort und in dem ganzen großen gewerbtreibenden Theile des Landes immer
am Stärksten anklingt — er schilderte die materiellen Nachtheile Sachsens bei
einer Trennung desselben von Preußen und den Staaten des Zollvereins. Auch
noch einen andern, ziemlich delicaten Punkt berührte er mit keckem Finger, das
GesandtschastSrecht.

In der ersten Kammer hat der Minister dieses Recht einen nothwendigen
„Nimbus der Krone" genannt. Daraus anspielend sagte Koch: ,,Jch hoffe, wenn
die Frag^ des Gesandtschastsrechts beim Budget verhandelt werden wird, daß wir
dann auf eine andere, den Wünschen deö Volks entsprechendere, die Krone ehren¬
dere Weise jenen Nimbus um dieselbe zu verbreiten wissen werden. Ich glaube,
es ist ein besserer Schmuck der Krone, wenn dnrch Wegfall des Gesandtschafts¬
rechts auch nur so viel an dem Ausgabebudget erspart wird, daß das Körnchen
Salz des armen Arbeiters, welches mau jetzt höher zu besteuern, beabsichtigt, viel¬
leicht ganz steuerfrei bleibe» könnte." (Beifall im Saale.)

Schwarze ist Staatsdiener, Mitglied des höchsten Richtereolleginms. Er
war es, der im Mai vorigen Jahres, in jener verhängnißvollen Stunde, welche
dem Dresdner Aufstand vorausging, deu König fußfällig beschwor, deu Bitten
seines Volkes nachzugeben und die Reichsverfassung anzuerkennen. Im Ganzen
gehört Schwarze zu den Rücksichtsvollen, welche die Grenze zwischen dein was
ihre Stellung und dem was der Fortschritt, die Zeit und die Stimme des Volks
von ihnen fordert, sehr genau einzuhalten wissen. Auch jetzt bei seiner Erklärung
für die Verfassung vom 26. Mai hielt er sich und der Regierung einen Weg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/134>, abgerufen am 02.10.2024.