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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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erste Punkt der Debatte wurde einstimmig in einer Weise erledigt, die des allge¬
meinen Muthes durchaus würdig war. Beschlossen, dem Feinde Morgen früh
entgegen zu ziehn, ihn anzugreifen und zu schlagen oder doch wenigstens in seinem
Zuge nach Pesth aufzuhalten. Er hatte keine reguläre Streitmacht und durfte
leine Zeit behalten sich zu organisiren und zu verstärken. Beim nächsten Punkt
aber kam eine betrübende Differenz der Ansichten in den Kriegsrath, es bildete
sich eine Rechte, bestehend aus den drei Regularen und mehreren erfahrenen
Männern, welche das Unglück hatten pedantische Vorstellungen von militärischer
Taktik mitzubringen, und eine Linke, bestehend ans sämmtlichen Halinamän-
teln und zahlreichen AttilaS der jungen Garten. Die sachkundigen Mitglieder
der Rechten forderten eine Eintheilung deö Heeres nach der Wafsengattnng.
Das Centrum sollten die Ceccopieri bilden, die Landstürmler mit Schießgewehren
sollten zu beiden Seilen des Centrums als Flügel postirt werden und die Heroen,
welche Sensen, Heugabeln und andere unregelmäßige Phantastcwaffen trugen,
sollten als Reserve in unschädliche Cntfernung gestellt werden. Die Linke wies diese
aristokratischen Tendenzen mit tiefer sittlicher Cntrüstnng zurück. Die Contingente
der einzelnen Dörfer und Städtchen wollten sich durchaus nicht auflösen, jeder Ein¬
zelne wollte unter den Fähnlein seines Dorfes, an der Seite seiner Jugendge-
spielen und unter dem Kommando des Befehlshabers kämpfen, der ihm von der
Gemeinde vorgesetzt war. Vergebens deutete die Rechte auf die Gefahr hin,
welche dieser ClauSgeist dem ganzen Unternehmen bringen könne, vergebens machte
sie den vermittelnden Vorschlag, die Contingente selbst in zwei Theile zu theilen,
und den einen Theil mit allen vorhandenen Schießgewehren zu versehen, um da¬
durch jene militärische Aufstellung möglich zu machen. Jeder Einzelne wollte sich
eben so wenig von seiner Flinte, als von seiner Fahne trennen, das Volk setzte
seinen souverainen Willen durch, der Kriegsrath ward unter dem Kopfschütteln
und Achselzucken der Rechten aufgehoben und wir marschirten am nächsten Morgen
dem Feinde in hellen Haufen entgegen, sehr muthig und sehr irregular.

Durch die Schilderung dieses kleinen Streites soll die Frage beantwortet
werden, woher es doch kam, daß in den nationalen Kriegen der Landsturm auch
bei großer Uebermacht gegen kleine Abtheilungen von regulären Militair sich so
sehr wenig bewährt hat.




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erste Punkt der Debatte wurde einstimmig in einer Weise erledigt, die des allge¬
meinen Muthes durchaus würdig war. Beschlossen, dem Feinde Morgen früh
entgegen zu ziehn, ihn anzugreifen und zu schlagen oder doch wenigstens in seinem
Zuge nach Pesth aufzuhalten. Er hatte keine reguläre Streitmacht und durfte
leine Zeit behalten sich zu organisiren und zu verstärken. Beim nächsten Punkt
aber kam eine betrübende Differenz der Ansichten in den Kriegsrath, es bildete
sich eine Rechte, bestehend aus den drei Regularen und mehreren erfahrenen
Männern, welche das Unglück hatten pedantische Vorstellungen von militärischer
Taktik mitzubringen, und eine Linke, bestehend ans sämmtlichen Halinamän-
teln und zahlreichen AttilaS der jungen Garten. Die sachkundigen Mitglieder
der Rechten forderten eine Eintheilung deö Heeres nach der Wafsengattnng.
Das Centrum sollten die Ceccopieri bilden, die Landstürmler mit Schießgewehren
sollten zu beiden Seilen des Centrums als Flügel postirt werden und die Heroen,
welche Sensen, Heugabeln und andere unregelmäßige Phantastcwaffen trugen,
sollten als Reserve in unschädliche Cntfernung gestellt werden. Die Linke wies diese
aristokratischen Tendenzen mit tiefer sittlicher Cntrüstnng zurück. Die Contingente
der einzelnen Dörfer und Städtchen wollten sich durchaus nicht auflösen, jeder Ein¬
zelne wollte unter den Fähnlein seines Dorfes, an der Seite seiner Jugendge-
spielen und unter dem Kommando des Befehlshabers kämpfen, der ihm von der
Gemeinde vorgesetzt war. Vergebens deutete die Rechte auf die Gefahr hin,
welche dieser ClauSgeist dem ganzen Unternehmen bringen könne, vergebens machte
sie den vermittelnden Vorschlag, die Contingente selbst in zwei Theile zu theilen,
und den einen Theil mit allen vorhandenen Schießgewehren zu versehen, um da¬
durch jene militärische Aufstellung möglich zu machen. Jeder Einzelne wollte sich
eben so wenig von seiner Flinte, als von seiner Fahne trennen, das Volk setzte
seinen souverainen Willen durch, der Kriegsrath ward unter dem Kopfschütteln
und Achselzucken der Rechten aufgehoben und wir marschirten am nächsten Morgen
dem Feinde in hellen Haufen entgegen, sehr muthig und sehr irregular.

Durch die Schilderung dieses kleinen Streites soll die Frage beantwortet
werden, woher es doch kam, daß in den nationalen Kriegen der Landsturm auch
bei großer Uebermacht gegen kleine Abtheilungen von regulären Militair sich so
sehr wenig bewährt hat.




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[0121] erste Punkt der Debatte wurde einstimmig in einer Weise erledigt, die des allge¬ meinen Muthes durchaus würdig war. Beschlossen, dem Feinde Morgen früh entgegen zu ziehn, ihn anzugreifen und zu schlagen oder doch wenigstens in seinem Zuge nach Pesth aufzuhalten. Er hatte keine reguläre Streitmacht und durfte leine Zeit behalten sich zu organisiren und zu verstärken. Beim nächsten Punkt aber kam eine betrübende Differenz der Ansichten in den Kriegsrath, es bildete sich eine Rechte, bestehend aus den drei Regularen und mehreren erfahrenen Männern, welche das Unglück hatten pedantische Vorstellungen von militärischer Taktik mitzubringen, und eine Linke, bestehend ans sämmtlichen Halinamän- teln und zahlreichen AttilaS der jungen Garten. Die sachkundigen Mitglieder der Rechten forderten eine Eintheilung deö Heeres nach der Wafsengattnng. Das Centrum sollten die Ceccopieri bilden, die Landstürmler mit Schießgewehren sollten zu beiden Seilen des Centrums als Flügel postirt werden und die Heroen, welche Sensen, Heugabeln und andere unregelmäßige Phantastcwaffen trugen, sollten als Reserve in unschädliche Cntfernung gestellt werden. Die Linke wies diese aristokratischen Tendenzen mit tiefer sittlicher Cntrüstnng zurück. Die Contingente der einzelnen Dörfer und Städtchen wollten sich durchaus nicht auflösen, jeder Ein¬ zelne wollte unter den Fähnlein seines Dorfes, an der Seite seiner Jugendge- spielen und unter dem Kommando des Befehlshabers kämpfen, der ihm von der Gemeinde vorgesetzt war. Vergebens deutete die Rechte auf die Gefahr hin, welche dieser ClauSgeist dem ganzen Unternehmen bringen könne, vergebens machte sie den vermittelnden Vorschlag, die Contingente selbst in zwei Theile zu theilen, und den einen Theil mit allen vorhandenen Schießgewehren zu versehen, um da¬ durch jene militärische Aufstellung möglich zu machen. Jeder Einzelne wollte sich eben so wenig von seiner Flinte, als von seiner Fahne trennen, das Volk setzte seinen souverainen Willen durch, der Kriegsrath ward unter dem Kopfschütteln und Achselzucken der Rechten aufgehoben und wir marschirten am nächsten Morgen dem Feinde in hellen Haufen entgegen, sehr muthig und sehr irregular. Durch die Schilderung dieses kleinen Streites soll die Frage beantwortet werden, woher es doch kam, daß in den nationalen Kriegen der Landsturm auch bei großer Uebermacht gegen kleine Abtheilungen von regulären Militair sich so sehr wenig bewährt hat. Gvcnzboten. II >K5«>.15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/121>, abgerufen am 01.07.2024.