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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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brüllte energisch die ehrsame Gemeinde und zog Gesichter. -- Also, der unglück¬
liche Mann soll fort. Ich will Euch aber ernähren, daß nicht Ihr allein ein Recht
habt ans das Vermögen des auswandernden Juden, sondern auch unsere arme,
wenig begüterte Kirche. Ich mache Euch also deu Vorschlag, daß ihr der Kirche
nach alttestamentarischen Brauch den zehnten Theil der zu machenden Beute über¬
laßt, und zu diesen: Zwecke eine ordentliche Theilung vornehme. Wir wollen alle
Habseligkeiten des Juden hier Ncilgmlc" unter uns veräußern, das eingelöste Geld,
oder die darüber auszustellenden Scheine legen wir mit der Baarschaft des Juden --
wir wissen, er hat vor einigen Wochen 89 Centner Wolle Verkauft, und muß also
wenigstens 4000 Gulden Münze baares Geld haben -- zusammen auf einen Hau¬
fen, davon ziehen wir den Zehnte" für die Kirche ab, und das Uebrige theilen
wir nnter uns mit größter Genauigkeit. Und noch Eins: der Jude war ein guter
Mann, er soll nicht ganz nackt von hier gehen, Ihr seid barmherzige Leute, Ihr
werdet ihm auch einiges Reisegeld geben. Auch der Jude soll einen Antheil be¬
kommen." Dieser Vorschlag wurde von den Bauern mit Acclamation angenom¬
men; die Einwohner des Dorfes wurden sämmtlich eingeladen, und nachdem ein
Inventar über die Grundstücke, das Vieh, die Schuldforderungen und das Haus-
geräth aufgenommen war, wurde eine förmliche Auction seiner ganzen Habe und
darauf die Theilung der Beute vorgenommen. Die Absicht des klugen Mannes
ist leicht einzusehen. Nachdem später durch den Sieg der Magyaren die Ord¬
nung und das Gesetz in dieser Gegend wieder hergestellt waren, und der ausge¬
wanderte Jude wieder in seine Heimat zurückkehren konnte, war nicht nur ein
Inventar seines ganzen Vermögens und seiner bei den Bauern stehenden Schuld¬
forderungen bei dem Ortspfarrer niedergelegt, sondern auch ans dem Anctions-
katalog leicht nachzuweisen, in welche Hände jedes Stück seiner Habseligkeiten
und seiner Baarschaft gekommen war, und der arme Manu sah sich einige Tage
nach seiner Ankunft wieder in dein Besitz seines frühern rechtlich erworbenen Ver¬
mögens. Die Baktern wurden ans Fürsprache ihres Seelenhirten und in Betracht
der mildernden Umstände von jeder körperlichen und Geldstrafe, die ihren Nachbarn
sehr lästig wurde, völlig losgesprochen. --


, - ,
Der Landsturm.

Die Nachricht von den Räubereien Hurbans und seiner Banden flog Schrecken
verbreitend durch das ganze Land. In Neutra, dem Hauptorte des Comitats,
war Baron Jeszenak Obergespann und bevollmächtigter Regierungscommissär.
Einen bessern Mann hat das Ministerium Batthyani nicht allgestellt, eiuen bessern
hatte die Gespannschaft nicht auszuweisen. Von allen Parteien, Klassen und


brüllte energisch die ehrsame Gemeinde und zog Gesichter. — Also, der unglück¬
liche Mann soll fort. Ich will Euch aber ernähren, daß nicht Ihr allein ein Recht
habt ans das Vermögen des auswandernden Juden, sondern auch unsere arme,
wenig begüterte Kirche. Ich mache Euch also deu Vorschlag, daß ihr der Kirche
nach alttestamentarischen Brauch den zehnten Theil der zu machenden Beute über¬
laßt, und zu diesen: Zwecke eine ordentliche Theilung vornehme. Wir wollen alle
Habseligkeiten des Juden hier Ncilgmlc» unter uns veräußern, das eingelöste Geld,
oder die darüber auszustellenden Scheine legen wir mit der Baarschaft des Juden —
wir wissen, er hat vor einigen Wochen 89 Centner Wolle Verkauft, und muß also
wenigstens 4000 Gulden Münze baares Geld haben — zusammen auf einen Hau¬
fen, davon ziehen wir den Zehnte« für die Kirche ab, und das Uebrige theilen
wir nnter uns mit größter Genauigkeit. Und noch Eins: der Jude war ein guter
Mann, er soll nicht ganz nackt von hier gehen, Ihr seid barmherzige Leute, Ihr
werdet ihm auch einiges Reisegeld geben. Auch der Jude soll einen Antheil be¬
kommen." Dieser Vorschlag wurde von den Bauern mit Acclamation angenom¬
men; die Einwohner des Dorfes wurden sämmtlich eingeladen, und nachdem ein
Inventar über die Grundstücke, das Vieh, die Schuldforderungen und das Haus-
geräth aufgenommen war, wurde eine förmliche Auction seiner ganzen Habe und
darauf die Theilung der Beute vorgenommen. Die Absicht des klugen Mannes
ist leicht einzusehen. Nachdem später durch den Sieg der Magyaren die Ord¬
nung und das Gesetz in dieser Gegend wieder hergestellt waren, und der ausge¬
wanderte Jude wieder in seine Heimat zurückkehren konnte, war nicht nur ein
Inventar seines ganzen Vermögens und seiner bei den Bauern stehenden Schuld¬
forderungen bei dem Ortspfarrer niedergelegt, sondern auch ans dem Anctions-
katalog leicht nachzuweisen, in welche Hände jedes Stück seiner Habseligkeiten
und seiner Baarschaft gekommen war, und der arme Manu sah sich einige Tage
nach seiner Ankunft wieder in dein Besitz seines frühern rechtlich erworbenen Ver¬
mögens. Die Baktern wurden ans Fürsprache ihres Seelenhirten und in Betracht
der mildernden Umstände von jeder körperlichen und Geldstrafe, die ihren Nachbarn
sehr lästig wurde, völlig losgesprochen. —


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Der Landsturm.

Die Nachricht von den Räubereien Hurbans und seiner Banden flog Schrecken
verbreitend durch das ganze Land. In Neutra, dem Hauptorte des Comitats,
war Baron Jeszenak Obergespann und bevollmächtigter Regierungscommissär.
Einen bessern Mann hat das Ministerium Batthyani nicht allgestellt, eiuen bessern
hatte die Gespannschaft nicht auszuweisen. Von allen Parteien, Klassen und


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[0117] brüllte energisch die ehrsame Gemeinde und zog Gesichter. — Also, der unglück¬ liche Mann soll fort. Ich will Euch aber ernähren, daß nicht Ihr allein ein Recht habt ans das Vermögen des auswandernden Juden, sondern auch unsere arme, wenig begüterte Kirche. Ich mache Euch also deu Vorschlag, daß ihr der Kirche nach alttestamentarischen Brauch den zehnten Theil der zu machenden Beute über¬ laßt, und zu diesen: Zwecke eine ordentliche Theilung vornehme. Wir wollen alle Habseligkeiten des Juden hier Ncilgmlc» unter uns veräußern, das eingelöste Geld, oder die darüber auszustellenden Scheine legen wir mit der Baarschaft des Juden — wir wissen, er hat vor einigen Wochen 89 Centner Wolle Verkauft, und muß also wenigstens 4000 Gulden Münze baares Geld haben — zusammen auf einen Hau¬ fen, davon ziehen wir den Zehnte« für die Kirche ab, und das Uebrige theilen wir nnter uns mit größter Genauigkeit. Und noch Eins: der Jude war ein guter Mann, er soll nicht ganz nackt von hier gehen, Ihr seid barmherzige Leute, Ihr werdet ihm auch einiges Reisegeld geben. Auch der Jude soll einen Antheil be¬ kommen." Dieser Vorschlag wurde von den Bauern mit Acclamation angenom¬ men; die Einwohner des Dorfes wurden sämmtlich eingeladen, und nachdem ein Inventar über die Grundstücke, das Vieh, die Schuldforderungen und das Haus- geräth aufgenommen war, wurde eine förmliche Auction seiner ganzen Habe und darauf die Theilung der Beute vorgenommen. Die Absicht des klugen Mannes ist leicht einzusehen. Nachdem später durch den Sieg der Magyaren die Ord¬ nung und das Gesetz in dieser Gegend wieder hergestellt waren, und der ausge¬ wanderte Jude wieder in seine Heimat zurückkehren konnte, war nicht nur ein Inventar seines ganzen Vermögens und seiner bei den Bauern stehenden Schuld¬ forderungen bei dem Ortspfarrer niedergelegt, sondern auch ans dem Anctions- katalog leicht nachzuweisen, in welche Hände jedes Stück seiner Habseligkeiten und seiner Baarschaft gekommen war, und der arme Manu sah sich einige Tage nach seiner Ankunft wieder in dein Besitz seines frühern rechtlich erworbenen Ver¬ mögens. Die Baktern wurden ans Fürsprache ihres Seelenhirten und in Betracht der mildernden Umstände von jeder körperlichen und Geldstrafe, die ihren Nachbarn sehr lästig wurde, völlig losgesprochen. — , - , Der Landsturm. Die Nachricht von den Räubereien Hurbans und seiner Banden flog Schrecken verbreitend durch das ganze Land. In Neutra, dem Hauptorte des Comitats, war Baron Jeszenak Obergespann und bevollmächtigter Regierungscommissär. Einen bessern Mann hat das Ministerium Batthyani nicht allgestellt, eiuen bessern hatte die Gespannschaft nicht auszuweisen. Von allen Parteien, Klassen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/117>, abgerufen am 22.07.2024.