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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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gegengesetzter Elemente konnte ihrer Natur nach nur äußerlich sein, sie wurde durch
keine gemeinsame Idee getragen, sie wirkte nur negativ, ablehnend, sie konnte also
die Gefahr des Augenblicks nicht überdauern. Seitdem die Revolution in Dres¬
den durch die preußischen Truppen beseitigt ist, kann die Gemeinsamkeit des Nicht-
wollens eine Partei nicht mehr zusummcnhalten, sondern jeder Theil derselben wird
seinem positiven Grundgedanken nachgehn.

Es wird sich vielmehr so herausstellen, daß diesmal die Partei der Regie'
rung in vielen Punkten mit den Radikalen gemeinschaftliche Sache machen wird
gegen die Centren, wie es eigentlich schon nnter dem vorigen Ministerium der
Fall war, in Punkten, die nicht "das Detail des Neubaues", nicht die "glänzende
Ausstattung einzelner Räume" betreffen, wie Sie sich mehr poetisch als bestimmt
ausdrücken, sondern gradezu das Fundament des neuen Staatslebens.

Die Frage des deutschen Bundesstaats ist diejenige, von welcher Sachsens
Schicksal nicht nur in der Zukunft, sondern in der nächsten Gegenwart abhängt.
Ich erinnere Sie an Ihren eigenen, freilich etwas dunkeln Ausdruck: "Die
äußerste Linke . . . will die Regierung offenbar zu Gewaltmaßregeln drängen,
denn sie weiß recht gut, daß die Negierung auf dem Standpunkt der
vorjährigen Gesetzgebung nicht stehen bleiben kann, wenn sie ihrer
Pflicht genügen, wenn sie der Monarchie eine feste Basis geben will." Soll da¬
mit überhaupt etwas gesagt sein, so ist es doch Folgendes: Die vorjährige Ge¬
setzgebung muß in monarchischen Sinn revidirt werden; will die Kammer zu einer
solchen Revision der Regierung nicht die Hand bieten, so könnte die Regierung
sich veranlaßt sehen, auf eigene Hand zu revidiren.

Zu rettenden Thaten, geehrter Herr! gehört nicht nur der gute Wille, sondern
auch die Kraft. Ob das isolirte, souveräne Sachsen dieser Kraft sich in der
That erfreut, wäre jedenfalls eine Frage, für welche die Geschichte des vorigen
Jahres nicht das günstigste Resultat verheißt. Sie sehen also, daß auch für
Ihren Hauptgesichtspunkt, die innere Reform, die deutsche Frage maßgebend ist,
und daß Sie der wahrhaft konservativen Partei, d. h. derjenigen, welche dauer¬
hafte, feste Garantien für ein gesundes Staatsleben haben will, nicht zumuthen
können, sie solle eine Regierung unterstützen, welche diese Garantien nicht bietet.
Sollte Ihnen dieser Gedanke wirklich nicht eingefallen sein, wenn Sie sich im La¬
ger Ihrer neuen Alliirten umsehn? Sollten Sie wirklich den Grund nicht
durchschauen, der die radikale Partei zur Agitation gegen das preußische Bünd-
niß treibt?

Sie lassen sich durch Ihre augenblickliche Stimmung hinreißen, Sie werden
bitter gegen unsere Partei. "Wenn man die Räsonnements mancher öffentlichen
Blätter liest, die ans dem Gegensatz von Preußen und Oestreich nicht heraus-


gegengesetzter Elemente konnte ihrer Natur nach nur äußerlich sein, sie wurde durch
keine gemeinsame Idee getragen, sie wirkte nur negativ, ablehnend, sie konnte also
die Gefahr des Augenblicks nicht überdauern. Seitdem die Revolution in Dres¬
den durch die preußischen Truppen beseitigt ist, kann die Gemeinsamkeit des Nicht-
wollens eine Partei nicht mehr zusummcnhalten, sondern jeder Theil derselben wird
seinem positiven Grundgedanken nachgehn.

Es wird sich vielmehr so herausstellen, daß diesmal die Partei der Regie'
rung in vielen Punkten mit den Radikalen gemeinschaftliche Sache machen wird
gegen die Centren, wie es eigentlich schon nnter dem vorigen Ministerium der
Fall war, in Punkten, die nicht „das Detail des Neubaues", nicht die „glänzende
Ausstattung einzelner Räume" betreffen, wie Sie sich mehr poetisch als bestimmt
ausdrücken, sondern gradezu das Fundament des neuen Staatslebens.

Die Frage des deutschen Bundesstaats ist diejenige, von welcher Sachsens
Schicksal nicht nur in der Zukunft, sondern in der nächsten Gegenwart abhängt.
Ich erinnere Sie an Ihren eigenen, freilich etwas dunkeln Ausdruck: „Die
äußerste Linke . . . will die Regierung offenbar zu Gewaltmaßregeln drängen,
denn sie weiß recht gut, daß die Negierung auf dem Standpunkt der
vorjährigen Gesetzgebung nicht stehen bleiben kann, wenn sie ihrer
Pflicht genügen, wenn sie der Monarchie eine feste Basis geben will." Soll da¬
mit überhaupt etwas gesagt sein, so ist es doch Folgendes: Die vorjährige Ge¬
setzgebung muß in monarchischen Sinn revidirt werden; will die Kammer zu einer
solchen Revision der Regierung nicht die Hand bieten, so könnte die Regierung
sich veranlaßt sehen, auf eigene Hand zu revidiren.

Zu rettenden Thaten, geehrter Herr! gehört nicht nur der gute Wille, sondern
auch die Kraft. Ob das isolirte, souveräne Sachsen dieser Kraft sich in der
That erfreut, wäre jedenfalls eine Frage, für welche die Geschichte des vorigen
Jahres nicht das günstigste Resultat verheißt. Sie sehen also, daß auch für
Ihren Hauptgesichtspunkt, die innere Reform, die deutsche Frage maßgebend ist,
und daß Sie der wahrhaft konservativen Partei, d. h. derjenigen, welche dauer¬
hafte, feste Garantien für ein gesundes Staatsleben haben will, nicht zumuthen
können, sie solle eine Regierung unterstützen, welche diese Garantien nicht bietet.
Sollte Ihnen dieser Gedanke wirklich nicht eingefallen sein, wenn Sie sich im La¬
ger Ihrer neuen Alliirten umsehn? Sollten Sie wirklich den Grund nicht
durchschauen, der die radikale Partei zur Agitation gegen das preußische Bünd-
niß treibt?

Sie lassen sich durch Ihre augenblickliche Stimmung hinreißen, Sie werden
bitter gegen unsere Partei. „Wenn man die Räsonnements mancher öffentlichen
Blätter liest, die ans dem Gegensatz von Preußen und Oestreich nicht heraus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/86>, abgerufen am 15.01.2025.