Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ich gar nicht reden -- ohne Weiteres gelten, namentlich die von Baiern ausge¬
gangen sind, vergleicht man damit die Scene zwischen den in Frankfurt garuiso-
nirenden Trnppcutheilen, so müßte man jeden Augenblick den Ausbruch eines
deutschen Bürgerkriegs erwarten. So schrecklich das wäre, so muß ich offen ge¬
steh", daß eine solche letzte Eventualität doch nicht aus den Augen gelassen wer¬
den darf, da es ohnehin gar nicht so unerhört ist, daß in europäischen Kriegen
Preußen rechts und Baiern links stand, wenn man bei einem solchen Krieg nur
ein Ende absehen könnte. Wie die Parteien aber jetzt zu einander stehn, wäre
nichts anders als ein IielKim omnium cardui vaut-s zu erwarten, und an einen
solchen Krieg, der die Verwirrung nicht losen, sondern nur noch vergrößern könnte,
darf nicht gedacht werden. Preußen hat in diesem Augenblick gar keinen festen
Bundesgenossen; seine Situation ist, Dank sei es der Weisheit unserer Regierung!
tausendmal schlechter, als am 3. April, und wenn es zu den Zeiten des alten
Fritz unter eben so ungünstigen Aussichten dennoch der Kraft seines Schwertes
vertraute, so war das eben unter dem alten Fritz. Unter den obwaltenden Um¬
ständen wird man doch wieder zu einem Vertrage schreiten müssen.

Dieser Vertrag, der über die nächste Zukunft Deutschlands entscheidet, wird
nicht in einem europäischen, auch nicht in einem deutschen Kongreß geschlossen
werden. Er wird einfach zwischen Oestreich und Preußen zu Stande kommen.
Baiern wird man kaum fragen.

Er wird auch keine deutsche Verfassung zur Folge haben, sondern ein Provi¬
sorium, ans dem einfachen Grunde, weil eine gemeinsame Verfassung, die Oestreich
und Preußen umschließt, nicht denkbar ist. Von gemeinsamer Vertretung nach
Außen, gemeinsamer Lcgislatiou durch ein Parlament kann nicht die Rede sein,
so lange nicht einer dieser Staaten sich ausschließt. Weder Oestreich noch Preußen
kann Glied eines Bundesstaats werden, dessen Schwerpunkt außerhalb des eignen
Staates fällt.

Wenn nun preußische Staatsmänner es ausgesprochen haben, daß Preußen
eigentlich den Bundesstaat nicht um seinetwillen, sondern um Deutschlands Willen
erstrebe, daß es übrigens ans eignen Füßen stehn könne, so ist das nur zur Hälfte
richtig. Freilich kann es noch eher für sich bleiben, als Baiern, oder Sachsen,
oder Hessen-Darmstadt, oder Anhalt-Dessau. Aber es kann -- und darin unter¬
scheidet sich seine Lage von der Oestreichs -- es kann nicht zugeben, daß diejeni¬
gen kleinen Staaten, durch die sein eigenes Gebiet zerrissen wird, eine selbststän¬
dige Politik verfolgen. Es muß entweder untergehn, oder es muß jene Staaten
in sein politisches System zwingen, ein drittes gibt es nicht. Preußen kann also
nur unter der Bedingung mit Oestreich abschließen, daß diejenige Hegemonie, die
es in der Form eines Bundesstaats erstrebt, ihm der Sache nach zu Theil wird.
Ein Verhältniß, daß durch folgende Umrisse charakterisirt wird.


ich gar nicht reden — ohne Weiteres gelten, namentlich die von Baiern ausge¬
gangen sind, vergleicht man damit die Scene zwischen den in Frankfurt garuiso-
nirenden Trnppcutheilen, so müßte man jeden Augenblick den Ausbruch eines
deutschen Bürgerkriegs erwarten. So schrecklich das wäre, so muß ich offen ge¬
steh», daß eine solche letzte Eventualität doch nicht aus den Augen gelassen wer¬
den darf, da es ohnehin gar nicht so unerhört ist, daß in europäischen Kriegen
Preußen rechts und Baiern links stand, wenn man bei einem solchen Krieg nur
ein Ende absehen könnte. Wie die Parteien aber jetzt zu einander stehn, wäre
nichts anders als ein IielKim omnium cardui vaut-s zu erwarten, und an einen
solchen Krieg, der die Verwirrung nicht losen, sondern nur noch vergrößern könnte,
darf nicht gedacht werden. Preußen hat in diesem Augenblick gar keinen festen
Bundesgenossen; seine Situation ist, Dank sei es der Weisheit unserer Regierung!
tausendmal schlechter, als am 3. April, und wenn es zu den Zeiten des alten
Fritz unter eben so ungünstigen Aussichten dennoch der Kraft seines Schwertes
vertraute, so war das eben unter dem alten Fritz. Unter den obwaltenden Um¬
ständen wird man doch wieder zu einem Vertrage schreiten müssen.

Dieser Vertrag, der über die nächste Zukunft Deutschlands entscheidet, wird
nicht in einem europäischen, auch nicht in einem deutschen Kongreß geschlossen
werden. Er wird einfach zwischen Oestreich und Preußen zu Stande kommen.
Baiern wird man kaum fragen.

Er wird auch keine deutsche Verfassung zur Folge haben, sondern ein Provi¬
sorium, ans dem einfachen Grunde, weil eine gemeinsame Verfassung, die Oestreich
und Preußen umschließt, nicht denkbar ist. Von gemeinsamer Vertretung nach
Außen, gemeinsamer Lcgislatiou durch ein Parlament kann nicht die Rede sein,
so lange nicht einer dieser Staaten sich ausschließt. Weder Oestreich noch Preußen
kann Glied eines Bundesstaats werden, dessen Schwerpunkt außerhalb des eignen
Staates fällt.

Wenn nun preußische Staatsmänner es ausgesprochen haben, daß Preußen
eigentlich den Bundesstaat nicht um seinetwillen, sondern um Deutschlands Willen
erstrebe, daß es übrigens ans eignen Füßen stehn könne, so ist das nur zur Hälfte
richtig. Freilich kann es noch eher für sich bleiben, als Baiern, oder Sachsen,
oder Hessen-Darmstadt, oder Anhalt-Dessau. Aber es kann — und darin unter¬
scheidet sich seine Lage von der Oestreichs — es kann nicht zugeben, daß diejeni¬
gen kleinen Staaten, durch die sein eigenes Gebiet zerrissen wird, eine selbststän¬
dige Politik verfolgen. Es muß entweder untergehn, oder es muß jene Staaten
in sein politisches System zwingen, ein drittes gibt es nicht. Preußen kann also
nur unter der Bedingung mit Oestreich abschließen, daß diejenige Hegemonie, die
es in der Form eines Bundesstaats erstrebt, ihm der Sache nach zu Theil wird.
Ein Verhältniß, daß durch folgende Umrisse charakterisirt wird.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279630"/>
            <p xml:id="ID_254" prev="#ID_253"> ich gar nicht reden &#x2014; ohne Weiteres gelten, namentlich die von Baiern ausge¬<lb/>
gangen sind, vergleicht man damit die Scene zwischen den in Frankfurt garuiso-<lb/>
nirenden Trnppcutheilen, so müßte man jeden Augenblick den Ausbruch eines<lb/>
deutschen Bürgerkriegs erwarten. So schrecklich das wäre, so muß ich offen ge¬<lb/>
steh», daß eine solche letzte Eventualität doch nicht aus den Augen gelassen wer¬<lb/>
den darf, da es ohnehin gar nicht so unerhört ist, daß in europäischen Kriegen<lb/>
Preußen rechts und Baiern links stand, wenn man bei einem solchen Krieg nur<lb/>
ein Ende absehen könnte. Wie die Parteien aber jetzt zu einander stehn, wäre<lb/>
nichts anders als ein IielKim omnium cardui vaut-s zu erwarten, und an einen<lb/>
solchen Krieg, der die Verwirrung nicht losen, sondern nur noch vergrößern könnte,<lb/>
darf nicht gedacht werden. Preußen hat in diesem Augenblick gar keinen festen<lb/>
Bundesgenossen; seine Situation ist, Dank sei es der Weisheit unserer Regierung!<lb/>
tausendmal schlechter, als am 3. April, und wenn es zu den Zeiten des alten<lb/>
Fritz unter eben so ungünstigen Aussichten dennoch der Kraft seines Schwertes<lb/>
vertraute, so war das eben unter dem alten Fritz. Unter den obwaltenden Um¬<lb/>
ständen wird man doch wieder zu einem Vertrage schreiten müssen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_255"> Dieser Vertrag, der über die nächste Zukunft Deutschlands entscheidet, wird<lb/>
nicht in einem europäischen, auch nicht in einem deutschen Kongreß geschlossen<lb/>
werden. Er wird einfach zwischen Oestreich und Preußen zu Stande kommen.<lb/>
Baiern wird man kaum fragen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_256"> Er wird auch keine deutsche Verfassung zur Folge haben, sondern ein Provi¬<lb/>
sorium, ans dem einfachen Grunde, weil eine gemeinsame Verfassung, die Oestreich<lb/>
und Preußen umschließt, nicht denkbar ist. Von gemeinsamer Vertretung nach<lb/>
Außen, gemeinsamer Lcgislatiou durch ein Parlament kann nicht die Rede sein,<lb/>
so lange nicht einer dieser Staaten sich ausschließt. Weder Oestreich noch Preußen<lb/>
kann Glied eines Bundesstaats werden, dessen Schwerpunkt außerhalb des eignen<lb/>
Staates fällt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_257"> Wenn nun preußische Staatsmänner es ausgesprochen haben, daß Preußen<lb/>
eigentlich den Bundesstaat nicht um seinetwillen, sondern um Deutschlands Willen<lb/>
erstrebe, daß es übrigens ans eignen Füßen stehn könne, so ist das nur zur Hälfte<lb/>
richtig. Freilich kann es noch eher für sich bleiben, als Baiern, oder Sachsen,<lb/>
oder Hessen-Darmstadt, oder Anhalt-Dessau. Aber es kann &#x2014; und darin unter¬<lb/>
scheidet sich seine Lage von der Oestreichs &#x2014; es kann nicht zugeben, daß diejeni¬<lb/>
gen kleinen Staaten, durch die sein eigenes Gebiet zerrissen wird, eine selbststän¬<lb/>
dige Politik verfolgen. Es muß entweder untergehn, oder es muß jene Staaten<lb/>
in sein politisches System zwingen, ein drittes gibt es nicht. Preußen kann also<lb/>
nur unter der Bedingung mit Oestreich abschließen, daß diejenige Hegemonie, die<lb/>
es in der Form eines Bundesstaats erstrebt, ihm der Sache nach zu Theil wird.<lb/>
Ein Verhältniß, daß durch folgende Umrisse charakterisirt wird.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0082] ich gar nicht reden — ohne Weiteres gelten, namentlich die von Baiern ausge¬ gangen sind, vergleicht man damit die Scene zwischen den in Frankfurt garuiso- nirenden Trnppcutheilen, so müßte man jeden Augenblick den Ausbruch eines deutschen Bürgerkriegs erwarten. So schrecklich das wäre, so muß ich offen ge¬ steh», daß eine solche letzte Eventualität doch nicht aus den Augen gelassen wer¬ den darf, da es ohnehin gar nicht so unerhört ist, daß in europäischen Kriegen Preußen rechts und Baiern links stand, wenn man bei einem solchen Krieg nur ein Ende absehen könnte. Wie die Parteien aber jetzt zu einander stehn, wäre nichts anders als ein IielKim omnium cardui vaut-s zu erwarten, und an einen solchen Krieg, der die Verwirrung nicht losen, sondern nur noch vergrößern könnte, darf nicht gedacht werden. Preußen hat in diesem Augenblick gar keinen festen Bundesgenossen; seine Situation ist, Dank sei es der Weisheit unserer Regierung! tausendmal schlechter, als am 3. April, und wenn es zu den Zeiten des alten Fritz unter eben so ungünstigen Aussichten dennoch der Kraft seines Schwertes vertraute, so war das eben unter dem alten Fritz. Unter den obwaltenden Um¬ ständen wird man doch wieder zu einem Vertrage schreiten müssen. Dieser Vertrag, der über die nächste Zukunft Deutschlands entscheidet, wird nicht in einem europäischen, auch nicht in einem deutschen Kongreß geschlossen werden. Er wird einfach zwischen Oestreich und Preußen zu Stande kommen. Baiern wird man kaum fragen. Er wird auch keine deutsche Verfassung zur Folge haben, sondern ein Provi¬ sorium, ans dem einfachen Grunde, weil eine gemeinsame Verfassung, die Oestreich und Preußen umschließt, nicht denkbar ist. Von gemeinsamer Vertretung nach Außen, gemeinsamer Lcgislatiou durch ein Parlament kann nicht die Rede sein, so lange nicht einer dieser Staaten sich ausschließt. Weder Oestreich noch Preußen kann Glied eines Bundesstaats werden, dessen Schwerpunkt außerhalb des eignen Staates fällt. Wenn nun preußische Staatsmänner es ausgesprochen haben, daß Preußen eigentlich den Bundesstaat nicht um seinetwillen, sondern um Deutschlands Willen erstrebe, daß es übrigens ans eignen Füßen stehn könne, so ist das nur zur Hälfte richtig. Freilich kann es noch eher für sich bleiben, als Baiern, oder Sachsen, oder Hessen-Darmstadt, oder Anhalt-Dessau. Aber es kann — und darin unter¬ scheidet sich seine Lage von der Oestreichs — es kann nicht zugeben, daß diejeni¬ gen kleinen Staaten, durch die sein eigenes Gebiet zerrissen wird, eine selbststän¬ dige Politik verfolgen. Es muß entweder untergehn, oder es muß jene Staaten in sein politisches System zwingen, ein drittes gibt es nicht. Preußen kann also nur unter der Bedingung mit Oestreich abschließen, daß diejenige Hegemonie, die es in der Form eines Bundesstaats erstrebt, ihm der Sache nach zu Theil wird. Ein Verhältniß, daß durch folgende Umrisse charakterisirt wird.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/82
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/82>, abgerufen am 15.01.2025.