Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.sprüht, und niemals hat ein Volksredner sich noch in so glühenden Diatriben sprüht, und niemals hat ein Volksredner sich noch in so glühenden Diatriben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279620"/> <p xml:id="ID_234" prev="#ID_233" next="#ID_235"> sprüht, und niemals hat ein Volksredner sich noch in so glühenden Diatriben<lb/> gegen die Tyrannen und ihre Creaturen ergangen, wie diese hochbegabte Frau im<lb/> Kreise der Freunde. Und sie meint es ernstlich; bei ihr ist es keineswegs ein<lb/> Theatcrfener. wie bei vielen andern Frauen, welche in der Neuzeit von sich reden<lb/> machen wollten. Den ältesten Sohn schildere ich nicht — es ist Carl Vogt, der<lb/> ungezogene Liebling — nicht der Grazien, sondern der Demokraten. Mich wun¬<lb/> dert nur, daß er, der den Bernern tausendmal mit der Pritsche so empfindlich<lb/> auf den feisten Rücken geklopft hat, es wieder gewagt hat, seiue Heimath hier<lb/> aufzuschlagen. Wäre er doch lieber stets auf dem Aargletscher im Ilütel A,n>-<lb/> eliili-ullus sitzen geblieben, oder an den Ufern des Mittelmeeres in Unterhaltungen<lb/> mit den Fischen spazieren gegangen — ihm wäre besser und uns! Der zweite<lb/> Sohn, Emil Vogt, ist Professor der Cameralwissenschaften an der Universität<lb/> Bern, Mitdictator der Republik und gefürchteter Journalist. Er ist ein schlanker,<lb/> sehr schöner Mann, mit hoher Stirn, feurigen Augen, Adlernase, feine» Händen,<lb/> er ist einer der trefflichsten Pianisten, welche leben, und hat Drcyschvck besiegt,<lb/> weshalb man ihm das Svbriqnet Vierschock gegeben hat. Zwei große Fehler be¬<lb/> sitzt er: Er schnupft abscheulich und kümmert sich um keine Seele. Von seinen<lb/> Kämpfen mit den Berneru, die ihn sogar einmal des Landes verwiesen, ließe sich<lb/> manches Ergötzliche aufzählen. Adolph Vogt, ein blonder, deutscher Jüngling,<lb/> ist der von seinen Brüdern, welcher am meisten gelernt hat; er ist Mediziner und<lb/> Botaniker. Dann ist noch ein jüngerer Bruder da und, ich glaube uur eine<lb/> Schwester; die andere, eine der größten Schönheiten, welche gesehen werden konn¬<lb/> ten, ist in Trinidad verheirathet. Und nun betrachte» wir die Gäste. Dort,<lb/> neben dem Hausherrn, sitzt im Lehnsessel der alte Jtz stein und schüttelt bedenklich<lb/> sein silberweißes Haupt. Früher habe ich diesen Koryphäen der Demokraten nie¬<lb/> mals anders, als lächelnd gesehen, aber hente lächelt er nicht, eine düstere Falte<lb/> hat sich um seinen Mund gelegt, wie ein Schloß, und der Alte ist sehr hinfällig<lb/> geworden. Raveaux, der bleiche Schwärmer aus Köln, sieht mit verschränkten<lb/> Armen hinüber nach den glühenden Alpen. Gedenkt er wohl des frendeleeren<lb/> Tages, an welchem er vielleicht aus tiefster Einsamkeit des Missourithals hinüber<lb/> starren wird nach den nackten Zacken der Rocky Mountains? Dort werden ihm<lb/> keine Fackelzüge mehr gebracht, keine Kränze mehr geworfen werden und er wird<lb/> eine Leere in seinem Herzen empfinden, welche das Bewußtsein, Bürger des<lb/> großen Freistaates zu sein, nicht aufwiegen wird. Ein nur flüchtiger Gast ist<lb/> J a coby aus Königsberg, der Maun der vier Fragen, welcher vor dem König von<lb/> Preußen die Rolle des Cherub mit dem Flammenschwert zu spielen versucht hat.<lb/> Er kommt von Gens und versichert, er reise direct nach Berlin, um sich den Ge¬<lb/> richten, die eine Hochverrathsklage gegen ihn erhoben, zu stellen. Mit den Damen<lb/> unterhält sich sig el, der badische Exkriegsminister und Exfcldmarschall. Niemand<lb/> würde in dieser Persönlichkeit so hohe Würden gesucht haben, Sigel ist ein klei-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
sprüht, und niemals hat ein Volksredner sich noch in so glühenden Diatriben
gegen die Tyrannen und ihre Creaturen ergangen, wie diese hochbegabte Frau im
Kreise der Freunde. Und sie meint es ernstlich; bei ihr ist es keineswegs ein
Theatcrfener. wie bei vielen andern Frauen, welche in der Neuzeit von sich reden
machen wollten. Den ältesten Sohn schildere ich nicht — es ist Carl Vogt, der
ungezogene Liebling — nicht der Grazien, sondern der Demokraten. Mich wun¬
dert nur, daß er, der den Bernern tausendmal mit der Pritsche so empfindlich
auf den feisten Rücken geklopft hat, es wieder gewagt hat, seiue Heimath hier
aufzuschlagen. Wäre er doch lieber stets auf dem Aargletscher im Ilütel A,n>-
eliili-ullus sitzen geblieben, oder an den Ufern des Mittelmeeres in Unterhaltungen
mit den Fischen spazieren gegangen — ihm wäre besser und uns! Der zweite
Sohn, Emil Vogt, ist Professor der Cameralwissenschaften an der Universität
Bern, Mitdictator der Republik und gefürchteter Journalist. Er ist ein schlanker,
sehr schöner Mann, mit hoher Stirn, feurigen Augen, Adlernase, feine» Händen,
er ist einer der trefflichsten Pianisten, welche leben, und hat Drcyschvck besiegt,
weshalb man ihm das Svbriqnet Vierschock gegeben hat. Zwei große Fehler be¬
sitzt er: Er schnupft abscheulich und kümmert sich um keine Seele. Von seinen
Kämpfen mit den Berneru, die ihn sogar einmal des Landes verwiesen, ließe sich
manches Ergötzliche aufzählen. Adolph Vogt, ein blonder, deutscher Jüngling,
ist der von seinen Brüdern, welcher am meisten gelernt hat; er ist Mediziner und
Botaniker. Dann ist noch ein jüngerer Bruder da und, ich glaube uur eine
Schwester; die andere, eine der größten Schönheiten, welche gesehen werden konn¬
ten, ist in Trinidad verheirathet. Und nun betrachte» wir die Gäste. Dort,
neben dem Hausherrn, sitzt im Lehnsessel der alte Jtz stein und schüttelt bedenklich
sein silberweißes Haupt. Früher habe ich diesen Koryphäen der Demokraten nie¬
mals anders, als lächelnd gesehen, aber hente lächelt er nicht, eine düstere Falte
hat sich um seinen Mund gelegt, wie ein Schloß, und der Alte ist sehr hinfällig
geworden. Raveaux, der bleiche Schwärmer aus Köln, sieht mit verschränkten
Armen hinüber nach den glühenden Alpen. Gedenkt er wohl des frendeleeren
Tages, an welchem er vielleicht aus tiefster Einsamkeit des Missourithals hinüber
starren wird nach den nackten Zacken der Rocky Mountains? Dort werden ihm
keine Fackelzüge mehr gebracht, keine Kränze mehr geworfen werden und er wird
eine Leere in seinem Herzen empfinden, welche das Bewußtsein, Bürger des
großen Freistaates zu sein, nicht aufwiegen wird. Ein nur flüchtiger Gast ist
J a coby aus Königsberg, der Maun der vier Fragen, welcher vor dem König von
Preußen die Rolle des Cherub mit dem Flammenschwert zu spielen versucht hat.
Er kommt von Gens und versichert, er reise direct nach Berlin, um sich den Ge¬
richten, die eine Hochverrathsklage gegen ihn erhoben, zu stellen. Mit den Damen
unterhält sich sig el, der badische Exkriegsminister und Exfcldmarschall. Niemand
würde in dieser Persönlichkeit so hohe Würden gesucht haben, Sigel ist ein klei-
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